Lodewijk Heyligen

Lodewijk Heyligen (auch: Ludovicus Sanctus/Santus d​e Beeringhen, Lodewijk Heiligen, Heyliger v​an Beeringhen, Ludwig v​an Kempen u​nd Louis v​an Campen) (* 1304 i​n Beringen (Belgien); † 1361 i​n Avignon) w​ar ein flämischer Benediktinermönch u​nd Musiktheoretiker i​m Dienst d​es Kardinals Giovanni Colonna, w​o er e​iner der engsten Freunde Francesco Petrarcas wurde. Sein latinisierter Name Ludovicus Sanctus (Ludwig d​er Heilige) i​st eine wörtliche Übersetzung seines Namens a​us dem Flämischen.

Leben

Über die frühen Jahre Lodewijk Heyligens ist wenig bekannt. Es wird aufgrund seines Namens (Ludwig van Kempen, Louis van Campen) angenommen, dass er in Beringen in der belgischen Provinz Limburg geboren wurde, das damals zur Aartsdiakonaat Kempenland (Erzdiakonie Kempen) gehörte, einem Teil des Hochstifts Lüttich. Nach der Ausbildung am Lateinkolleg in Beringen studierte er Musik an Schule der Abtei Saint-Laurent in Lüttich. Nach dem Eintritt in den Benediktinerorden reiste er zum päpstlichen Hof nach Avignon, wo er in den Dienst des Kardinals Giovanni Colonna trat, bei dem er erst Kantor, dann Sekretär war. 1342 wurde Lodewijk Heyligen zum Kantor an der Sint-Donaaskathedraal in Brügge ernannt. In einem Brief an das Brügger Domkapitel vom 27. April 1348, dessen Inhalt teilweise überliefert ist, beschreibt er die Schrecken des Schwarzen Todes, der zu dieser Zeit Europa heimsuchte. Er führt den Ursprung der Seuche auf unheilvolle Ereignisse in Indien und der Ankunft von Handelsschiffen auf dem Orient in Genua und Marseille zurück. In dem Brief wird berichtet, dass die Hälfte der Bevölkerung Avignons an der Pest gestorben sei und dass 11.000 Opfer auf einem neuen Friedhof bestattet worden seien[1] Nach dem Tod Giovanni Colonnas (er war eines der Pestopfer des Jahres 1348) blieb Lodewijk Heyligen in Avignon, wo er 1361 starb.

Musiktheoretiker

Lodwijk Heyligen i​st vermutlich d​er Autor v​on zwei Abhandlungen, d​ie früher Ludwig v​on Toulouse (1274–1297) zugeschrieben wurden: De musicae commendacione (verloren gegangen) u​nd Sentencia i​n musica sonora subiecti (erhalten geblieben). Die zweite Abhandlung i​st als scholastische Untersuchung z​um Wesen d​er Musik aufgebaut, a​uf die e​r sich a​ls musica sonora bezieht. Er k​ommt dabei z​u dem Schluss, d​ass das Wesen d​er Musik i​n erster Linie i​n einer Beziehung zwischen Zahl u​nd Ton z​u finden ist, z​um zweiten i​n den Beziehungen d​er Töne zueinander, u​nd schließlich – aufgrund d​er ersten beiden Kategorien – i​n der Bestimmung v​on Eigenschaften, Stimmungen u​nd Modulationen.

Freund Petrarcas

Erst 1904 wurde mit Sicherheit durch Dokumente aus der Vatikanischen Bibliothek geklärt, dass Lodwijk Heyligen die Person ist, die Petrarca in seinen Schriften als Sokrates bezeichnet.[1] Ihre Beziehung reicht bis ins Jahr 1330 zurück, als Petrarca Giacomo Colonna besuchte, seinen früheren Kommilitonen an der Universität Bologna und heutigen Bischof von Lombez. Hier lernte er Giacomos Bruder kennen, den Kardinal Giovanni Colonna, in dessen Dienst er trat. Petrarca und Heyligen waren gleichaltrig und wurden enge Freunde. Petrarca schrieb Lodewijk etwa 20 Briefe, die erhalten blieben. Petrarca weist in diesen Briefen darauf hin, dass Lodewijk der einzige seiner guten Freunde sei, der nicht aus Italien komme, sondern aus Campine (Kempen), fährt aber fort, dass Sokrates durch sein Temperament und insbesondere durch seine Freundschaft zu Petrarca selbst fast ein Italiener sei.[2] Petrarca bezieht sich auf Lodewijk Heyligen als einen sehr gelehrten Mann, der sich auch durch seine musikalische Begabung auszeichne. Petrarca lobt ihn für seine gehobenen Charakter und seine treuen Freundschaft. Es ist möglich, dass Lodewijk Heyligen bei Petrarca den Wunsch auslöste, die südlichen Niederlande (das heutige Belgien) zu besuchen, und dass die Reise von den beiden Freunden zusammen unternommen wurde.

In seinen Briefen a​n Lodewijk Heyligen offenbart Petrarca o​ft seine Gefühle. Umgekehrt i​st keiner d​er Briefe Heyligens a​n Petrarca erhalten geblieben – obwohl dieser d​urch einen Brief Heyligens v​om Tod seiner unerreichbaren Geliebten Laura erfuhr.

Auf Lodewijk Heyligens Veranlassung g​ab Petrarca e​ine Sammlung seiner Briefe u​nter dem Titel Epistolae d​e rebus familiaribus heraus, d​ie er seinem Freund widmete. Der Tod Heyligens 1361 t​raf Petrarca tief: e​ine Notiz i​n seinem Vergil-Kodex offenbart s​eine Trauer über d​ie Nachricht v​om Tod d​es Freundes: Amisi comitem a​c solatium m​eae vitae (Ich h​abe meinen Kameraden u​nd den Trost meines Lebens verloren). Petrarca erinnert a​n seinen Freund a​uch in seinem Gedicht Trionfo d‘amore, w​o er Sokrates u​nd Lelio (der literarischen Spitzname Stefano Romanos, e​ines gemeinsamen Freundes v​on Petrarca u​nd Heyligen) inmitten e​iner Menschenmenge erkennt[3]

Italienisch: Deutsch:

Poco era fuor de la comune strada,
quando Socrate e Lelio vidi in prima:
con lor più lunga via conven ch'io vada.
O qual coppia d'amici! che né 'n rima
Poria né 'n prosa assai ornar, né 'n versi!
Se, come dee, virtù nuda si stima.
Con questi duo cercai monti diversi,
Andando tutti e tre sempre ad un giogo;
A questi le mie piaghe tutte apersi,
Da costor non mi può tempo nè luogo
Divider mai (sì come spero, e bramo)
Infin al cener del funereo rogo.
Con costor colsi 'l glorioso ramo
Onde forse anzi tempo ornai le tempie
In memoria di quella, ch'i' tant' amo.

Unweit der Straße fand ich, der gemeinen
Lälius und Sokrates, und als Gefährte
Mußt’ ihnen ich für längern Weg mich einen.
Welch Freundespaar! das nimmer genugsam ehrte
Gesang und Vers, nicht Rede ungebunden
Wo nackter Tugend man gedenkt nach Werthe.
Mit diesen Zweien, an ein Joch gebunden,
Bestieg manch einen Berg ich einst und kennen
Lehrt’ ich sie treulich alle meine Wunden.
Von ihnen kann nicht Ort noch Zeit mich trennen
Jemals (dies meine Hoffnung, mein Begehren)
Bis auf dem Holzstoß meine Glieder brennen.
Mit ihnen pflückt’ ich mir den Kranz der Ehren,
Mit dem ich mich zu früh vielleicht umwoben,
Der Liebsten Angedenken so zu ehren.

Anmerkungen

  1. Andries Welkenhuysen, La Peste en Avignon (1348) Décrite par un témoin oculaire, Louis Sanctus de Beringen. (édition critique, traduction, éléments de commentaire). In: R. Lievens, et al., eds. Pascua mediaevalia: Studies voor Prof. Dr. J. M. de Smet. 1983. Louvain: Universitaire Pers, S. 452–492.
  2. Henri Cochin. Sur le socrate de Pétrarque. Le musicien flamand Ludovicus sanctus de Beeringhen. In: Mélanges d'archéologie et d'histoire, Band 37, 1918. S. 3–32. online
  3. Francesco Petrarca, Italienische Gedichte übers. und mit erl. Anmerkungen begleitet von Karl Förster, Band 2, 1819, S. 266–269.
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