Lockheed F-104 G CCV

Die Lockheed F-104 G CCV (Control Configured Vehicle) w​ar ein modifizierter Starfighter F-104 G a​ls Experimentalflugzeug z​ur Untersuchung technischer Anforderungen e​iner Fly-by-Wire-Steuerung m​it einer künstlichen Stabilisierung b​ei dynamisch instabilem Flugverhalten.

Lockheed F-104 G CCV

Lockheed F-104 G CCV
Typ:Experimentalflugzeug
Entwurfsland:

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Deutschland Deutschland

Hersteller: Messerschmitt-Bölkow-Blohm
Erstflug: 27. März 1976
Stückzahl: 1

Technische Fragestellung

Die konventionelle Auslegung von Flugzeugen mit einem stabilen Flugverhalten hat durch das Zusammenwirken von Schwerpunktlage, Auftrieb und aerodynamischem Widerstand ungünstige Auswirkungen auf das Leistungsvermögen und das konstruktive Design moderner Kampfflugzeuge, vor allem bei Forderungen zu hohen Kurvengeschwindigkeiten im Überschallbereich. Durch den Verzicht auf ein stabiles Flugverhalten lässt sich eine Reduzierung von 20 bis 30 % des Luftwiderstandes erzielen, die es wiederum ermöglicht, kleine sowie leichtere Triebwerke zur Reduzierung des Abfluggewichts um bis zu 15 % einzusetzen. Die künstliche Stabilisierung eines solchen Luftfahrzeugs erfordert jedoch ein schnell reagierendes aktives Regelungssystem.[1] Diese Zusammenhänge galt es mit dem Blick auf die Entwicklung von Kampfflugzeugen der Generation 4 bzw. 4+ näher zu untersuchen.

Konzeption des Versuchsträgers

Verschiebbarer Ballastkörper unter dem Rumpf
Canardflügel über der Rumpfmitte

Das Bundesamt für Wehrtechnik u​nd Beschaffung beauftragte 1974 d​ie Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) m​it der Konstruktion e​ines anwendungsreifen Technologieträgers a​uf Grund folgender Aufgabenstellung:

  • Entwicklung eines redundanten Flugsteuerungssystems unter besonderer Berücksichtigung der Systemsicherheit bei Ausfällen
  • Untersuchung der Flugeigenschaften bei konstruktiv vorgegebener instabiler Fluglage

Als Basismodell für den Technologieträger wurde eine Einsatzmaschine Lockheed F-104 der Luftwaffe mit der Kennung 23+91 umgerüstet. Die Maschine, ursprünglich aus dem Bestand des Jagdgeschwaders 74 in Neuburg/Donau, wurde dazu am 14. April 1975 mit 1391 Flugstunden an die damalige Erprobungsstelle 61 in Manching und von dieser Dienststelle an den Auftragnehmer MBB zur Umrüstung übergeben.[2] Die Umrüstung erfolgte jeweils vor den verschiedenen Versuchsabschnitten:

  • B1-Konfiguration: Zunächst wurden Radar, Bewaffnung und Bremsschirm sowie andere, für den Versuchsbetrieb entbehrliche Baugruppen ausgebaut. Die umfangreiche Messausstattung wurde installiert.
  • B2-Konfiguration: Zur Destabilisierung wurde zunächst ein verschiebbarer Ballastkörper unter dem Heck angebracht.
  • E1-Konfiguration: Der Ballastkörper am Heck wurde entfernt, ein Ballastkörper am Bug und ein Canardflügel auf dem Rumpf montiert. Der Maschine wurde das Erprobungskennzeichen 98+36 zugeteilt.
  • E2-Konfiguration: Beide Ballastkörper und der Canardflügel wurden konfiguriert.
  • E3-Konfiguration: Die Ballastkörperverteilung zwischen Bug und Heck wurde modifiziert.

Die künstliche Stabilisierung erfolgte durch ein digitales sensorbasiertes Regelungssystem mit besonderen, redundanten Sicherheitsmechanismen. Zur Sicherheit des Piloten konnte in kritischen Situationen die konventionelle, auf stabilem Flugverhalten basierte Steuerung reaktiviert werden. Der Ballastkörper unter dem Heck musste dazu abgeworfen werden. Damit konnte das Flugzeug dann sicher gelandet werden. Dieses erfolgte bei einem Flug am 18. Dezember 1979 über der Siegenburg-Range bei Ingolstadt.[3]

Vorgehensweise in der Untersuchung

Für d​ie Untersuchung w​aren vier Phasen vorgesehen:

Phase I – Vortests

  • Sensorerprobung vom 27. September 1976 bis 4. November 1976 mit 13 Flügen

Phase II – Untersuchung d​es Flugverhaltens

  • Untersuchung der B1-Konfiguration (Experimentalflugzeug in flugstabiler Konfiguration) vom 16. Dezember 1976 bis 22. Oktober 1979 mit 33 Flügen
  • Untersuchung der B2-Konfiguration (Nur Ballastkörper unter dem Heck) vom 22. November 1979 bis 10. Juli 1980 mit 28 Flügen
  • Untersuchung der E1-Konfiguration (Ballastkörper am Bug und Canardflügel) vom 20. November 1980 bis 20. Februar 1981 mit 6 Flügen
  • Untersuchung der E2-Konfiguration (Ballastkörper am Bug und Heck sowie Canardflügel) vom 17. Juli 1981 bis 30. September 1981 mit 26 Flügen
  • Untersuchung der E3-Konfiguration (wie E 2, Ballastverteilung jedoch modifiziert) vom 1. Oktober 1981 bis 28. Januar 1982 mit 7 Flügen

Phase III – Einrüsten u​nd Erproben technischer Modifikationen a​uf Basis d​er Erkenntnisse i​n Phase II

  • 4 Flüge bis zum 24. März 1982

Phase IV Erprobung d​er Back-Up-Software u​nd Hauptsensoren

  • 63 Flüge bis zum 17. April 1984, dem Ende der Versuchsflüge[4]

Erkenntnisse

Die umfangreichen Fluguntersuchungen belegten, dass moderne Kampfflugzeuge im Flugverhalten künstlich stabilisiert werden können und eine sensorbasierte Fly-by-Wire Technologie dazu wesentliche Voraussetzung ist. Die Ergebnisse flossen in die Entwicklung des Eurofighters sowie Modifikationen des Tornados mit ein.[1]

Verbleib

Der Versuchsträger w​urde am 6. Juni 1984 a​n die Wehrtechnische Dienststelle 61 übergeben u​nd wird s​eit dem 6. Oktober 1984 i​n der Wehrtechnischen Studiensammlung Koblenz ausgestellt.

Literatur

  • Gerhard Lang: Lockheed F-104 CCV in Starfighter Motorbuchverlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-613-03522-5, S. 137 ff.
  • Wehrtechnische Studiensammlung Koblenz Exponatbeschreibung F-104 G CCV Stand Dezember 2017
  • Hans Redemann: CCV für künstliche Stabilität – F-104G als Versuchsträger. In: Flug Revue Juni 1982, S. 58–60
Commons: Lockheed F-104 G CCV – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wehrtechnische Studiensammlung Koblenz: Exponatbeschreibung F-104 G CCV, Stand Dezember 2017
  2. 916-Starfighter.de, Mühlbock-Collection, abgerufen am 27. Oktober 2021
  3. Gerhard Lang: Starfighter, Motorbuchverlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-613-03522-5, S. 137 ff.
  4. Gerhard Lang: Starfighter, Motorbuchverlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-613-03522-5, S. 137–138
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