Liste der kanadischen Unterhauswahlen

Diese Liste bietet e​ine Übersicht d​er Wahlen z​um kanadischen Unterhaus, d​er gewählten Kammer d​es kanadischen Parlaments. Die Anzahl d​er Sitze erhöhte s​ich über d​ie Jahre laufend, v​on 180 b​ei den ersten Wahlen b​is 308 heute. Die bestehende Regierungsstruktur entstand 1867 m​it dem Verfassungsgesetz.

Wahlplakat der Konservativen (1891)

Zwei Parteien h​aben die Politik i​n Kanada dominiert: Die Liberale Partei u​nd die historische Konservative Partei (ab 1943 a​ls Progressiv-konservative Partei bezeichnet). Falls d​ie moderne Konservative Partei a​ls Nachfolgerin d​er historischen betrachtet wird, s​o gibt e​s nur z​wei Parteien, welche d​ie Regierung gebildet h​aben (die Unionistische Partei v​on 1917 w​ar eine Koalition v​on Liberalen u​nd Konservativen, d​ie für d​ie Wehrpflicht eintraten).

Obschon bisher n​ur zwei politische Lager jemals d​ie Regierung gebildet h​aben und s​omit ein Zweiparteiensystem z​u existieren scheint, i​st Kanada s​eit den 1920er Jahren effektiv e​in Mehrparteiensystem, d​a verschiedene kleinere Parteien i​m Unterhaus vertreten w​aren bzw. s​ind und d​iese die z​wei großen Parteien regelmäßig z​ur Bildung v​on Minderheitsregierungen zwingen. Zu Beginn w​aren dies d​ie Progressive Partei u​nd die Bewegung d​er United Farmers. Auf d​iese folgten i​n den 1930er Jahren d​ie Social Credit Party u​nd die Co-operative Commonwealth Federation (CCF). 1961 wandelte s​ich die CCF z​ur Neuen Demokratischen Partei (NDP), während d​ie Social Credit Party 1980 i​n der Versenkung verschwand.

Die i​n den 1980er Jahren dominierende Progressiv-konservative Partei erholte s​ich nie m​ehr von d​er vernichtenden Wahlniederlage i​m Jahr 1993 (als s​ie nur n​och zwei Sitze erhielt u​nd sogar d​en Fraktionsstatus verlor). Den rechten Teil d​es politischen Spektrums vertraten anschließend nacheinander d​ie Reformpartei u​nd die Kanadische Allianz. Letztere fusionierte m​it den Progressiv-Konservativen z​ur neuen Konservativen Partei, d​ie seit 2006 d​ie Regierung bildet. Seit 1993 i​st auch d​er separatistische Bloc Québécois vertreten, d​er lange d​ie meisten Sitze i​n der französischsprachigen Provinz Québec hielt.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Ergebnisse d​er dritt-, viert- u​nd fünftstärksten Parteien werden u​nter „Sonstige Parteien“ zusammengefasst, f​alls die Partei a​n einem beliebigen Zeitpunkt i​hrer Geschichte n​icht mindestens v​ier Sitze errungen hat. Unabhängige werden ebenfalls u​nter „Sonstige Parteien“ zusammengefasst.

Wahl Zusammenfassung Regierung Offizielle
Opposition
Dritte
Partei
Vierte
Partei
Sonstige
Parteien
Sitze
gesamt
1867 Die Konservative Partei, angeführt von John A. Macdonald, schlägt die Liberale Partei mit dem inoffiziellen Anführer George Brown und bildet Kanadas erste Mehrheitsregierung.   100[2]   62   18[3] 180
1872 Die konservative Regierung Macdonalds wird mit einer Minderheit bestätigt und schlägt die von Edward Blake angeführten Liberalen.   100[4]   95 5 200
1874 Die Liberale Partei, angeführt von Alexander Mackenzie, gelangt mit einer Mehrheit wieder an die Macht, nachdem Macdonalds konservative Regierung 1873 ein Misstrauensvotum im Unterhaus verloren hat.   129   65[2] 12 206
1878 Die Konservativen, angeführt von Macdonald, bezwingen Mackenzies Liberale, womit Macdonald zum wieder eine Mehrheitsregierung bilden kann.   134[2]   63 9 206
1882 Macdonalds Konservative werden mit absoluter Mehrheit bestätigt, nachdem sie Edward Blakes Liberale bezwungen haben.   134[5]   73 4 211
1887 Macondalds Konservative erhalten erneut die absolute Mehrheit und schlagen wiederum Edward Blakes Liberale.   124[5]   80 11 215
1891 Die Konservativen Macdonalds, der kurz vor seinem Tod zum letzten Mal antritt, werden erneut bestätigt. Die Liberalen mit Wilfrid Laurier an der Spitze bilden ein weiteres Mal die Opposition.   118[5]   90 7 215
1896 Die von Wilfrid Laurier angeführten Liberalen erringen die Mehrheit und bezwingen die Konservativen von Premierminister Charles Tupper.   117   86[2] 10 213
1900 Mit Laurier an der Spitze wird die liberale Regierung mit absoluter Mehrheit bestätigt, Tuppers Konservative erleiden eine Niederlage.   128   79[2] 6 213
1904 Zum dritten Mal in Folge gelingt es Laurier und den Liberalen, die absolute Mehrheit zu erringen, wobei sie die Konservativen von Robert Borden schlagen.   137   75[2] 2 214
1908 Wiederum gelingt es Lauriers Liberalen, mit absoluter Mehrheit bestätigt zu werden und Bordens Konservative auf den zweiten Platz zu verweisen.   133   85[2] 3 221
1911 Den Konservativen unter Robert Borden gelingt es, die von Wilfrid Laurier angeführten Liberalen zu bezwingen und eine Mehrheit zu erlangen.   132[2]   85 4 221
1917 Die von Robert Borden angeführten Konservativen erringen die Mehrheit als Teil einer unionistischen Koalition zugunsten der Wehrpflicht, der auch Liberale angehören. Die Unionisten siegen gegen Wilfrid Lauriers Liberale, welche die Wehrpflicht ablehnen.   153   82 235
1921 Die Liberalen, angeführt von William Lyon Mackenzie King, bilden nach ihrem Sieg gegen die Konservativen von Premierminister Arthur Meighen eine Minderheitsregierung. Die Konservativen fallen auf den dritten Platz zurück; die Progressiven lehnen die Rolle der offiziellen Opposition aber ab, so dass Meighen Oppositionsführer wird.   118   49   58   3[6] 7 235
1925 Mackenzie Kings Liberale bleiben mit Hilfe der Progressiven Partei an der Macht, obschon Meighens Konservative mehr Sitze erringen. Die Progressiven stellen später ihre Unterstützung der von Skandalen erschütterten Liberalen Partei ein und verweigern gleichzeitig die Unterstützung der Konservativen, was 1926 zu vorgezogenen Neuwahlen führt.   100   115   22   2[7] 6 245
1926 Die von Mackenzie King angeführten Liberalen besiegen Meighens Konservative und bilden mit Unterstützung der Liberal-Progressiven eine Minderheitsregierung.   116   91   11   12[6] 15 245
1930 Die Konservativen mit Spitzenkandidat Richard Bedford Bennett erringen die Mehrheit und besiegen Mackenzie Kings Liberale.   134   90   9[7]   3 9 245
1935 Die von Mackenzie King angeführten Liberalen bezwingen Bennetts Konservative und erringen die Mehrheit.   173   39   17   7 9 245
1940 Die Liberalen, angeführt von Mackenzie King, erringen zum zweiten Mal in Folge die Mehrheit. Sie bezwingen Robert James Manions Bewegung National Government (ein gescheiterter Versuch, Robert Bordens unionistische Koalition während des Ersten Weltkriegs wieder aufleben zu lassen).   179   39[8]   10[9]   8 9 245
1945 Mackenzie Kings Liberale erzielen zum dritten Mal in Folge eine Mehrheit und bezwingen die kürzlich umbenannten Progressiv-Konservativen von John Bracken.   118   66   28   13 20 245
1949 Die Liberalen von Premierminister Louis Saint-Laurent bezwingen die Progressiv-Konservativen von George Alexander Drew und können zum vierten Mal eine Mehrheitsregierung bilden.   191[10]   41   13   10 7 262
1953 Louis Saint-Laurent führt die Liberalen, welche Drews Progressiv-Konservative hinter sich lassen, zur fünften Mehrheitsregierung in Folge.   169[10]   51   23   15 7 265
1957 Den von John Diefenbaker angeführten Progressiv-Konservativen gelingt es, Saint-Laurents Liberale zu bezwingen und eine Minderheitsregierung zu bilden.   111   104[10]   25   19 6 265
1958 Diefenbakers Progressiv-Konservative erringen die bisher größte Mehrheit in der Geschichte Kanadas und bezwingen dabei die Liberalen mit ihrem neuen Vorsitzenden Lester Pearson.   208   48[10]   8 1 265
1962 Diefenbakers Progressiv-Konservative gewinnen die Wahlen erneut, können jedoch nur eine Minderheitsregierung bilden.   116   99[10]   30   19 1 265
1963 Den von Pearson angeführten Liberalen gelingt es, Diefenbakers Progressiv-Konservative zu bezwingen und eine Minderheitsregierung zu bilden.   128[10]   95   24   17 1 265
1965 Die Liberalen mit Spitzenkandidat Pearson bezwingen Diefenbakers Progressiv-Konservative und bilden zum zweiten Mal in Folge eine Minderheitsregierung.   131   97   21   14[11] 2 265
1968 Angeführt vom neuen Premierminister Pierre Trudeau erringen die Liberalen die Mehrheit und bezwingen dabei die von Robert Stanfield angeführten Progressiv-Konservativen.   154[10]   72   22   14[12] 2 264
1972 Trudeaus Liberale gewinnen die Wahlen erneut, lassen Stanfields Progressiv-Konservative aber nur um zwei Sitze hinter sich und bilden eine Minderheitsregierung.   109   107   31   15 2 264
1974 Die von Trudeau angeführten Liberalen bezwingen Stanfields Progressiv-Konservative und bilden eine Mehrheitsregierung.   141   95   16   11 1 264
1979 Die Progressiv-Konservativen von Joe Clark bezwingen Trudeaus Liberale und bilden eine Minderheitsregierung, obschon ihr Wähleranteil deutlich geringer ist (die Progressiv-Konservativen erhielten zwar in sieben Provinzen am meisten Stimmen, doch die Liberalen konnten in Québec einen großen Vorsprung erzielen).   136   114   26   6 282
1980 Clarks Progressiv-Konservative unterliegen Trudeaus Liberalen, die eine Mehrheitsregierung bilden können.   147   103   32 282
1984 Die Progressiv-Konservativen, angeführt von Brian Mulroney, bezwingen die Liberalen von John Turner und gewinnen die meisten Sitze in der Geschichte Kanadas. Gemessen an der Anzahl Sitze enden diese Wahlen einerseits mit dem besten Ergebnis der Progressiv-Konservativen, andererseits mit dem schlechtesten der Liberalen.   211   40   30 1 282
1988 Mulroneys Progressiv-Konservative erringen wiederum eine Mehrheit, doch Turners Liberale können sich verbessern und die von Ed Broadbent angeführten Neuen Demokraten erzielen ihr bestes Ergebnis überhaupt.   169   83   43 295
1993 Die Liberalen mit Jean Chrétien an der Spitze erringen die Mehrheit, während die Progressiv-Konservativen von Premierministerin Kim Campbell 167 Sitze (von bisher 169) verlieren und das mit Abstand schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen. Auch die Neuen Demokraten müssen das schlechteste Ergebnis überhaupt hinnehmen. Dagegen wird der von Ex-Minister Lucien Bouchard angeführte separatistische Bloc Québécois zweitstärkste Partei und die Reformpartei von Preston Manning drittstärkste Partei.   177   54   52   9 3 295
1997 Chrétiens Liberale können zum zweiten Mal in Folge eine Mehrheitsregierung bilden, während Mannings Reformpartei neu zweitstärkste Kraft wird. Die Progressiv-Konservativen mit Jean Charest erzielen zwar fast gleich viele Stimmen wie die Reformpartei, gewinnen aber aufgrund der Verzerrungen des Mehrheitswahlrechts bedeutend weniger Sitze.   155   60   44   21 21[13] 301
2000 Mit Chrétien an der Spitze erringen die Liberalen zum dritten Mal in Folge die Mehrheit der Sitze. Der Kanadischen Allianz von Stockwell Day gelingt es nicht, die Wählerbasis der Reformpartei und der Progressiv-Konservativen zu vereinen. Die vom früheren Premierminister Joe Clark angeführten Progressiv-Konservativen erreichen nur knapp Fraktionsstärke.   172   66   38   13 12[14] 301
2004 Die Liberalen können mit dem neuen Premierminister Paul Martin nur eine Minderheitsregierung bilden. Sie bezwingen die neue Konservative Partei, die von Stephen Harper, dem ehemaligen Vorsitzenden der aufgelösten Reformpartei, angeführt wird. Der Bloc Québeois von Gilles Duceppe kann sich wegen eines Skandals der Liberalen in Québec markant verbessern. Den Neuen Demokraten von Jack Layton fehlt ein Sitz, um Martins Regierung zu stützen.   135   99   54   19 1 308
2006 Harpers Konservative Partei kann eine Minderheitsregierung bilden, nachdem sie Martins Liberale Partei auf den zweiten Platz verweist. Der Bloc Québécois verliert leicht, während die NDP ihre Sitzzahl fast verdoppelt.   124   103   51   29 1 308
2008 Die Konservativen von Stephen Harper werden bei vorgezogenen Neuwahlen wieder stärkste Partei, verfehlen aber trotz Sitzgewinnen erneut die absolute Mehrheit. Die von Stéphane Dion angeführten Liberalen und der Bloc Québécois verlieren Sitze, während die NDP erneut zulegen kann.   143   77   49   37 2 308
2011 Nach einem Misstrauensvotum kommt es zu vorgezogenen Neuwahlen. Zum ersten Mal seit 2000 erreicht eine Partei wieder die absolute Mehrheit, die Konservative Partei mit Premierminister Stephen Harper. Nach großen Sitzgewinnen werden die Neuen Demokraten erstmals zweitstärkste Kraft. Die Liberalen und der Bloc Québecois verlieren deutlich, ihre Vorsitzenden Michael Ignatieff und Gilles Duceppe werden abgewählt. Elizabeth May erobert für die Grünen erstmals einen Sitz im Unterhaus.   167   102   34   4 1 308
2015 Die Liberale Partei kam mit einer Verfünffachung der Mandate von vormals dritter Stelle auf eine absolute Mehrheit und lösen die Konservative Partei von Stephen Harper ab. Mit Justin Trudeau wird damit erstmals in der Geschichte Kanadas der Sohn eines ehemaligen Premierministers ebenfalls Premierminister. Die Konservativen verloren mehr als ein Drittel und die Neuen Demokraten mehr als die Hälfte ihrer Sitze. Verbessern konnte sich der Bloc Québecois und die Grünen konnten ihren Sitz halten.   184   99   44   10 1 338
2019 Trudeaus Liberale Partei verfehlt die erneute absolute Mehrheit der Sitze, kann jedoch eine Minderheitsregierung stellen. Die Konservativen erzielen zwar landesweit mehr Stimmen, gewinnen jedoch trotz Gewinnen weniger Sitze als die Liberalen. Die Neuen Demokraten verlieren erneut fast die Hälfte ihrer bisherigen Sitze und fallen hinter den wiedererstarkten Bloc Québecois zurück. Die Grünen erzielen mit drei Sitzen ihr bisher bestes Ergebnis.   157   121   32   24 4 338
2021 Die von Trudeau beantragte vorgezogene Neuwahl brachte ein praktisch unverändertes Wahlergebnis hervor. Die Liberalen gewinnen erneut eine relative Sitzmehrheit trotz geringerer Stimmenzahl und stellen wiederholt eine Minderheitsregierung.   159   119   33   25 2 338

Grafische Darstellung der Ergebnisse

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Die Konservativen traten bei den Wahlen 1921 als National Liberal and Conservative Party und 1940 unter der Bezeichnung National Government an. Sie verloren aber beide Male die Wahlen und kehrten bald wieder zum ursprünglichen Namen zurück.
  2. Inkl. Ergebnis der Liberal-konservativen Partei.
  3. Die Anti-Confederation Party sprach sich gegen die Kanadische Konföderation aus, bildete dann aber mit den Liberalen eine gemeinsame Fraktion.
  4. Inkl. Ergebnisse der Liberal-konservativen Partei und eines „Conservative Labour“-Kandidaten
  5. Inkl. Ergebnisse der Liberal-konservativen Partei und der nationalistischen Konservativen
  6. Gesamtergebnis für United Farmers of Alberta und United Farmers of Ontario
  7. Sitze der United Farmers of Alberta
  8. inkl. Ergebnisse von National Government
  9. inkl. Ergebnisse von New Democracy
  10. inkl. ein Sitz eines „Liberal Labour“-Kandidaten, welcher der liberalen Fraktion angehört
  11. inkl. neun Sitze des Ralliement créditiste
  12. alle 14 Sitze gehen an den Ralliement créditiste
  13. davon entfallen 20 Sitze auf die Progressiv-konservative Partei
  14. alle 12 Sitze gehen an die Progressiv-konservative Partei
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.