Laue-Bedingung

Die Laue-Bedingung, n​ach Max v​on Laue, i​st eine z​ur Bragg-Bedingung äquivalente Beschreibung v​on Beugungseffekten a​n Kristallen. Sie g​ibt Auskunft über d​as Auftreten v​on Beugungsreflexen b​ei elastischer Streuung v​on Röntgenstrahlung, Elektronen o​der Neutronen a​n Kristallen.

Zur Erklärung d​er Röntgenbeugung g​ibt es z​wei äquivalente Ansätze. In beiden werden Kristalle a​ls starre periodische Strukturen v​on mikroskopischen Objekten angesehen. Bei d​er Bragg-Theorie werden d​ie Atome i​m Kristall i​n parallelen Gitterebenen m​it konstantem Abstand angeordnet. An diesen Ebenen k​ommt es z​ur spiegelnden Reflexion d​er Strahlung. Bei d​er Von-Laue-Theorie g​eht man v​on anderen Annahmen aus:

  • Beschreibe den Kristall als Bravaisgitter
  • An den Gitterplätzen sitzen identische mikroskopische Objekte, die die einfallende Strahlung streuen
  • Reflexe nur in Richtungen, für die von den Gitterpunkten gestreute Strahlung konstruktiv interferiert

Die Laue-Bedingung lautet: Man erhält g​enau dann konstruktive Interferenz, w​enn die Änderung d​es Wellenvektors b​eim Streuprozess e​inem reziproken Gittervektor entspricht.

Die Laue-Bedingung g​eht vom reinen Kristallgitter (am Gitterpunkt e​in punktförmiges Streuzentrum) a​us und g​ibt an, i​n welcher Richtung Beugungsreflexe beobachtet werden können. Die relative Intensität d​er Reflexe hängt v​om Aufbau d​er Basis, d​em Streuvermögen d​er Basisatome u​nd von d​er thermischen Bewegung d​er Atome ab. Dies w​ird durch d​en Strukturfaktor beschrieben.

Herleitung

Laue-Bedingung

Der Abstand zweier Streuzentren (Gitterpunkte) ist ein Gittervektor . Der Wellenvektor der einfallenden Strahlung sei , der der gestreuten sei . Damit ergibt sich folgender Gangunterschied (Wegdifferenz):

Für konstruktive Interferenz muss der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge sein:

Gleichsetzen liefert:

Geht man von elastischer Streuung aus, ist die Wellenzahl des einfallenden und des reflektierten Strahls gleich: . Für alle Gittervektoren muss gelten:

  bzw. äquivalent  

Dies entspricht genau der Bestimmungsgleichung für reziproke Gittervektoren :[1]

Die Laue-Bedingung lautet somit: Man erhält genau dann konstruktive Interferenz, wenn die Änderung des Wellenvektors beim Streuprozess einem reziproken Gittervektor entspricht.

  bzw.  

Zur Veranschaulichung d​er Laue-Bedingung s​iehe Ewaldkugel.

Laue-Gleichungen und Laue-Indizes

Reziproke Gittervektoren lassen sich als Linearkombination der primitiven Gittervektoren des reziproken Gitters ausdrücken, dabei sind die Laue-Indizes (s. u.):

Ebenso lassen sich die Gittervektoren als Linearkombination der primitiven Gittervektoren darstellen mit :

Das Skalarprodukt aus primitiven Gittervektoren des Ortsraums und des reziproken Raums ist:

wobei das Kronecker-Symbol ist.

Bildet man das Skalarprodukt der obigen Laue-Bedingung mit den primitiven Ortsvektoren, erhält man die drei Laue-Gleichungen:

Die drei ganzen Zahlen (normalerweise , hier aber Verwechslungsgefahr mit Wellenzahl , deswegen ) heißen dabei die Laue-Indizes. Die drei Gleichungen definieren jeweils einen Kegel (für h=0 zu einer Ebene entartet). Damit alle Bedingungen erfüllt sind, müssen sich drei Kegelflächen in dieser Raumrichtung zusammentreffen. Dadurch werden die punktförmigen Interferenzmuster der Röntgenbeugung an Kristallgittern erklärt und indiziert.[2][3][4][5] Zeitgleich mit Laue stellten W.H. Bragg und W.L. Bragg die Bragg-Bedingung für die Reflexion an parallelen Flächen im Abstand d auf. Auch wenn die Herangehensweisen von Laue (Beugung in alle Raumrichtungen) und Bragg (Reflexion) verschieden sind, sind die beiden Effekte äquivalent: Hat die Schar von Netzebenen, die in der Bragg-Bedingung gerade den Abstand d haben, im Kristall die Millerschen Indizes (hkl), so hat der Interferenzpunkt die Laue-Indizes nh nk nl, die Laue-Indizes sind also gerade das n-fache der Miller-Indizes. Aufgrund des Zusammenhangs mit der Bragg-Reflexion werden die Laue-Indizes gelegentlich auch als Bragg-Indizes bezeichnet.[6]

Alternative Formulierung der Laue-Bedingung

Man kann die Laue-Bedingung noch in alternativer Form schreiben. Man quadriere die Laue-Bedingung und benutze (elastische Beugung):

  also  

Teile durch :

Für ein gegebenes ist dies eine Ebenengleichung in der Hesse-Normalenform. Die Projektion von auf die Richtung von ist konstant . Ein Wellenvektor der einfallenden Strahlung erfüllt die Laue-Bedingung, wenn seine Spitze in einer Bragg-Ebene liegt. Eine Bragg-Ebene ist die mittelsenkrechte Ebene auf der Verbindungslinie zwischen dem Ursprung im reziproken Raum und einem Punkt . Diese Ebenengleichung entspricht für benachbarte Punkte im reziproken Raum der Konstruktionsvorschrift der Wigner-Seitz-Zelle des reziproken Gitters (erste Brillouin-Zone).

Daraus f​olgt die Alternative Formulierung d​er Laue-Bedingung: Man erhält g​enau dann konstruktive Interferenz, w​enn die Spitze d​es einfallenden Wellenvektors a​uf dem Rand e​iner Brillouin-Zone liegt.

Äquivalenz von Laue- und Bragg-Bedingung

Laue- und Bragg-Bedingung

Geht man von und aus, so ergibt sich:

Der Winkel zwischen und sei :

mit und Kosinussatz

Radizieren liefert:

Das Skalarprodukt zwischen e​inem reziproken Gittervektor u​nd einem Gittervektor ergibt:

  somit  

Für ein gegebenes ist dies eine Ebenengleichung für eine Gitterebene, wobei senkrecht auf dieser Ebene steht. Schreibt sich als folgende Linearkombination , so steht der Vektor senkrecht auf der Gitterebene . Der Gitterebenenabstand ist

.

Mit und erhält man aus die Bragg-Bedingung (n entspricht der Ordnung des Beugungsreflexes):

Beugungsreflex

  • nach Laue: Änderung des Wellenvektors um reziproken Gittervektor
  • nach Bragg: Reflexion an Netzebenenschar des Kristallgitters, die senkrecht zu steht und deren Abstand beträgt.

Literatur

  • Martin J. Buerger: Kristallographie. 1. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1977, ISBN 3-11-004286-X.
  • Neil W. Ashcroft, N. David Mermin: Festkörperphysik. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57720-4.

Einzelnachweise

  1. Neil W. Ashcroft, David N. Mermin: Festkörperphysik. 2007, ISBN 978-3-486-58273-4 (Seite 124 in der Google-Buchsuche).
  2. André Authier: Early Days of X-ray Crystallography. Oxford University Press, 2013, ISBN 978-0-19-965984-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Gerd Koppelmann, Gert Sinn: Zur Interferenz an Raumgittern. (PDF) Deutung und Lichtoptische Modellversuche. In: Wege in der Physikdidaktik. Werner B. Schneider, 1991, abgerufen am 2. Januar 2015 (als Buch von Verlag Palm & Enke unter ISBN 3-7896-0100-4 derzeit vergriffen).
  4. S. König, R. Erlebach: Kristallographie und Röntgenuntersuchung an Kristallen. (PDF) Abgerufen am 2. Januar 2015 (undatierter Vortrag Uni Jena, insbesondere Seite 7).
  5. Paul Katolla, Tobias Krähling: Kristalluntersuchungen mit Hilfe von Debye-Scherrer-Aufnahmen. (PDF) 7. August 2009, abgerufen am 2. Januar 2015 (Praktikumsprotokoll an der Ruhr-Uni Bochum, siehe insbesondere Seite 6).
  6. J.L. Atwood, J.W. Steed: Encyclopedia of Supramolecular Chemistry, CRC Press, 2004, ISBN 978-0-8247-4724-4.
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