Landesfrauenklinik Hannover
Die Landesfrauenklinik Hannover unter der Adresse Herrenhäuser Kirchweg 5 in Hannover, Stadtteil Nordstadt, ist ein Anfang des 20. Jahrhunderts errichteter, denkmalgeschützter,[1] ursprünglich als Frauenklinik errichteter Gebäudekomplex, der sich ehemals in kommunalen Besitz befand. Zu den architekturgeschichtlich wertvollen Teilen zählen neben dem Hauptgebäude die Kapelle, das Kesselhaus, die Grunstücks-Einfriedungen[2] sowie die Villa für die Direktoren.[3]
In den 2010er Jahren verkaufte die Region Hannover das gesamte Areal an einen privaten Investor,[2] der nach der Rücknahme eines durch die Kommunalpolitiker bereits ausgearbeiteten Bebauungsplanes die historische Gebäudesubstanz in Luxuswohnungen umwandelte.[3]
Geschichte
Die ehemalige Frauenklinik Hannover stand in der Nachfolge des noch zur Zeit des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg in der Altstadt von Hannover errichteten „Accouchir-Hospitals“, das auf Initiative des damaligen hannoverschen Bürgermeisters Wilhelm August Alemann im Jahr 1781 am Großen Wolfshorn, der heutigen Großen Packhofstraße eingerichtet worden war.[4]
Nach mehreren Verlegungen an andere Standorte entstanden aufgrund des Bevölkerungswachstums ab 1890 Überlegungen für einen Neubau,[4] der schließlich im Zeitraum von 1900 bis 1903 nach Plänen des Stadtbaurates Carl Wolff gegenüber dem wenige Jahre zuvor eröffneten Nordstadt-Krankenhaus errichtet wurde.[1]
Der Neubau der seinerzeit mustergültigen „Provinzial-Hebammenlehranstalt“ mit einer Kapazität von 1000 Geburten jährlich[4] zeigte sich äußerlich als langgestreckter Baukörper aus roten und gelben Mauerziegeln mit einer zurückhaltenden Gliederung aus Sandstein.[1] Am 1. April 1903 wurde die Anstalt eingeweiht.[4]
1911 richtete die Anstalt zudem eine Fürsorgestelle für Säuglinge ein, doch schon 1913 war die Grenze der räumlichen Leistungsfähigkeit erreicht.[4]
1932 begannen umfangreiche Modernisierungen und Ausbauten, in deren Folge die Einrichtung 1933 in Landesfrauenklinik umbenannt wurde.[4] Bis 1938 wurde die Anzahl der Betten auf 165 erhöht bei einer Höchstaufnahmezahl von 4390 Patientinnen und 2800 Entbindungen jährlich. Zudem wurden die Arbeitsgebiete der medizinischen Anstalt auf die Bekämpfung von Krebs und Tumoren ausgeweitet.[5]
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb der Landesfrauenklinik mehr und mehr eingeschränkt, bis während der Luftangriffe auf Hannover in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1943 durch Fliegerbomben große Teile des Hauses zerstört wurden. Daraufhin wurde der Betrieb kurzzeitig in die Stadt Celle verlegt.[5]
Noch unter den Britischen Militärbehörden wurde der Klinikbetrieb am Herrenhäuser Kirchweg ab 1946 nach und nach wieder aufgenommen: In der frühen Nachkriegszeit wurde im Gründungsjahr des Landes Niedersachsen 1949 die Anstalt in Niedersächsische Landesfrauenklinik und Hebammen-Lehranstalt Hannover umbenannt;[5] der Wiederaufbau mit einigen auch äußerlichen Veränderungen[1] dauerte jedoch bis 1965 an; im selben Jahr wurde der Neubau eines Schwestern-Wohnheimes angegliedert.[5]
Ab 1983 fungierte der Klinikbetrieb zugleich als „Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover“ (MHH).[5]
Nachdem das Land am 1. Juli 1991 die Klinik zur Weiterführung an die Landeshauptstadt Hannover übergeben hatte, wurde die Einrichtung an das Nordstadtkrankenhaus angegliedert und in Krankenhaus Nordstadt – Frauenklinik und Hebammenschule umbenannt. Dem Betrieb standen 2009 vier Stationen mit 78 Planbetten zur Verfügung, zusätzlich vier Kreiß- und drei Operationssäle, ein „Kreißsaal-Sectio-OP“ und eine 10 Betten umfassende Wachstation.[5]
Nach der Neueingliederung des Krankenhauses in die Kliniken der Region Hannover[5] unter der Trägerschaft der Region Hannover wurde die Geburtshilfe 2015 geschlossen.[2] Die Stadtverwaltung Hannover erarbeitete einen Bebauungsplan, der dann jedoch nicht aufgestellt wurde. Das stieß in Teilen der Politik, insbesondere bei einigen Stadträten, auf Kritik, da die Kommune damit ein wichtiges Steuerungsinstrument aus der Hand gab. So wollten beispielsweise Vertreter der Partei Bündnis 90/Die Grünen „Quoten für Sozialwohnungen“ und auf Teilen der Flächen zu Festpreisen zum Beispiel Baugemeinschaften oder Wohnungsgenossenschaften Chancen einräumen. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen, da es der Region Hannover auch um kurzfristige Gewinnmaximierung ging oberhalb des anfänglichen Schätzpreises für den Gesamtkomplex im Wert von 5,5 Millionen Euro.[3] So wurde die Immobilie 2017 schließlich nach einem Bieterwettbewerb für rund 15,5 Millionen Euro an die in Hamburg ansässige Firma BPD verkauft,[2] die zur niederländischen Rabobank gehört. Diese gab den Umbau der historischen Gebäudesubstanz zu insgesamt 153 Wohnungen bekannt sowie Neubauten auf dem weitläufigen Gelände mit seinem Baumbestand. Auf dem Areal zwischen der Haltenhoffstraße und dem Herrenhäuser Kirchweg waren auch Pläne für Neubauten bekanntgegeben worden: Demnach wollten die Immobilienentwickler einen Teil der Flächen „an eine Gesellschaft verkaufen, die Mietwohnungen mit Preisbindung anbietet“.[3]
Der Investor, vertreten durch den Leiter der BPD-Niederlassung in Hamburg, habe nach dem Kauf „einen sehr intensiven Austausch mit der Stadtverwaltung gehabt“; mit dem Baudezernenten Uwe Bodemann und seiner Fachabteilung sei ein Konzept erarbeitet worden, nach dem der „zwischen den Gebäuden liegende Park [...] eine private Fläche [bliebe, den], Passanten [...] aber durchqueren“ dürften.[3]
Persönlichkeiten
Leitungspersonal
- 1932–circa 1943: Hans Albert Dietrich als Direktor, anschließend bis 1951 in Celle[6]
- bis 2015:
Siehe auch
Literatur
- Irmgard Tessel: Über die Erfahrungen und Erfolge der Beratungsstelle für werdende Mütter an der Landesfrauenklinik Hannover, Dissertation 1944 an der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen, 1945
- W. Ruge, U. Hakomeyer: Zur Geschichte der Niedersächsischen Landesfrauenklinik Hannover, in: Niedersächsische Landesfrauenklinik Hannover, hrsg. vom Niedersächsischen Sozialminister, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Hameln: Grant 1981, S. 61
- Herbert Mundhenke: Hannover und seine Krankenhäuser. 1734–1945, Hannover: Culemann 1959, S. 31–35[4]
- Zum Aufbau der Hebammenschulen in Niedersachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Ausstellung von Dokumenten, Darstellungen und Instrumenten in der Wandelhalle des Niedersächsischen Landtags vom 23. September – 16. Oktober 1981, zusammengestellt aus den Beständen niedersächsischer Archive, Bibliotheken und Frauenkliniken, Hannover: der Niedersächsische Sozialminister, 1982[4]
Archivalien
Archivalien von und über die Landesfrauenklinik und ihrer Vorgängerinnen finden sich beispielsweise
- als Bestand für die Laufzeit von 1945 bis 1988 mit Behandlungsbüchern und Unterlagen über die Ausbildung an der Hebammenlehranstalt; Niedersächsischen Landesarchiv (Abteilung Hannover), Archivsignatur NLA HA Nds. 331 Hannover[9]
Weblinks
Zu den Immobilien:
- Conrad von Meding: Aus der Stadt / 15,5 Millionen für alte Frauenklinik / Entstehen hier bald Luxuswohnungen?, Artikel auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 15. Januar 2017
- Conrad von Meding: Aus der Stadt / Immobilienmarkt / In Landesfrauenklinik entstehen Luxusapartments, Artikel auf der Seite der HAZ vom 19. Mai 2018
- Behandlungsbücher und Ausbildungsunterlagen als Bestand von 1945 bis 1988 im Niedersächsischen Landesarchiv (Abteilung Hannover)
Zur Aktenvernichtung und Zerteilung der historischen Bibliothek:
- Klaus Graf: Landesfrauenklinik Hannover: Historische Klinikakten wurden vernichtet, Artikel auf dem Webblock Archivalia vom 8. August 2017
- Bärbel Hilbig: Landesfrauenklinik / Historische Klinikakten wurden vernichtet, Artikel auf der Seite der HAZ vom 25. Juli 2017
Einzelnachweise
- Gerd Weiß: Stichwort Landesfrauenklinik, in: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Band 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 18, 114, 115; sowie Nordstadt im Addendum zu Teil 2, Band 10.2: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 6f.; Digitalisat über die Heidelberger Universitätsbibliothek
- Conrad von Meding: Aus der Stadt / 15,5 Millionen für alte Frauenklinik / Entstehen hier bald Luxuswohnungen?, Artikel auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 15. Januar 2017, zuletzt abgerufen am 15. Juli 2021
- Conrad von Meding: Aus der Stadt / Immobilienmarkt / In Landesfrauenklinik entstehen Luxusapartments, Artikel auf der Seite der HAZ vom 19. Mai 2018, zuletzt abgerufen am 15. Juli 2021
- Rainer Kasties M. A.: Entbindungs- und Hebammenlehranstalt, in: Stadtlexikon Hannover, S. 161
- Rainer Kasties: Landesfrauenklinik, in: Stadtlexikon Hannover, S. 382
- Hanns Dietel, Jürgen Heinrich: Hans Albert Dietrich, in dies.: Die Norddeutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Eine Dokumentation anläßlich des 95jährigen Bestehens, Norddeutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2004, S. 40; PDF-Dokument auf der Seite nggg-gyn.de
- o. V.: Team Geburtshilfe verabschiedet sich ... auf der Seite krh.de vom 4. Mai 2015, zuletzt abgerufen am 17. Juli 2021
- Foto der Hinweistafel der Frauenklinik Nordstadt vom 24. November 2016 auf der Seite der HAZ
- Angaben und Beschreibung über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen