Kylchap
Eine Kylchap-Saugzuganlage ist eine Weiterentwicklung des einfachen Blasrohres, eines Dampfstrahlgebläses als Saugzug von Dampflokomotiven. Der Name ist eine Kombination aus den Namen der beiden Entwickler, des finnischen Ingenieurs Kyösti Kylälä und des Franzosen André Chapelon.
Es handelt sich dabei um eine kombinierte Parallel- und Reihenschaltung der Strahlgebläsestufen, die die Leistungsfähigkeit des Saugzuges deutlich verbesserte und gleichzeitig einen niedrigeren Gegendruck für den Zylinderabdampf ermöglichte: Aus den Dampfdüsen der ersten Stufe trifft der Treibdampf auf die von Kylälä entwickelte Fangdüse (im Bild gelb), die aus vier parallelgeschalteten, dreieckigen Düsen bestand. Von hier aus gelangte das Dampf-Abgas-Gemisch in eine zweite Fangdüse, die weiteres Abgas ansaugte und letztlich in den Kamin abbläst.
Kyläläs Düse war ursprünglich nur dazu gedacht, den Funkenflug zu reduzieren und eine gleichmäßigere Ansaugung zu erzielen. Es war Chapelon, der erkannte, dass die Düse in der mehrstufigen Anordnung den Saugzug effektiver machen würde.
Strömungsmechanisch und dimensionell richtig ausgelegt konnte eine doppelte Kylchap-Saugzuganlage eine signifikante Leistungssteigerung des Kessels mit erheblicher Einsparung von Wasser und Kohle bringen. Geringe Druckschwankungen und ein gleichmäßiger Saugzug sorgten für einen kontinuierlichen Verbrennungsablauf. Die größere Entspannung im Dampfzylinder aufgrund des geringeren Gegendrucks der Saugzuganlage führte zu einer Erhöhung der Zylinderleistung um bis zu 150 PS pro Zylinder. In Verbindung mit einem Stoker und einem Hulson-Schüttelrost konnte Chapelon Lokomotiven weiter optimieren.[1]
Chapelon arbeitete ab 1925 in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der französischen Bahngesellschaft Compagnie du chemin de fer de Paris à Orléans (P.O.). Dort gelang es ihm, durch Umbauten die Leistung von Dampflokomotiven deutlich zu erhöhen. Dies erreichte er zunächst 1929 mit der Lok 3566 der „Pacific“-Baureihe 3500; die herausragenden Leistungen dieses Prototyps bewogen die Compagnie des chemins de fer du Nord (NORD), 22 derart umgebaute Pacifics zu erwerben und weitere 25 gleichartige Loks neu bauen zu lassen. Die NORD 3.1174 stellte 1935 den Geschwindigkeitsrekord aller französischen Dampflokomotiven auf.[2] Als leistungsfähigste je gebaute Dampflokomotive Europas gilt die zwischen 1943 und 1946 von Chapelon durch Umbau aus der ETAT 241-101 geschaffene 242 A 1 der SNCF – bei der Auslieferung erbrachte sie mehr als 4000 PS Zughakenleistung. Nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass bei der SNCF 623 Loks der Baureihe 141 R mit Kylchap-Saugzuganlagen liefen, war Chapelons Erfindung in Frankreich weit verbreitet.[3]
Der Kylchap kam bei vielen britischen Lokomotiven, darunter so berühmten wie die LNER „Peppercorn“, „Flying Scotsman“ und die Weltrekordlokomotive „Mallard“, zum Einsatz. Auch die tschechoslowakische ČSD benutzte den Kylchap in vielen ihrer Baureihen: u. a. 387.0, 475.1, 477.0, 486.0, 498.0, 498.1 und 556.0.
Bei der Deutschen Bundesbahn (DB) wurden an den Neubaulokomotiven 23 024 und 025 Kylchap-Saugzuganlagen erprobt.[4] Die beiden Maschinen der 1957 entstandenen Baureihe 10 der DB wurden aber nicht damit ausgestattet.[1]
Siehe auch
Einzelnachweise
- J. Michael Mehltretter: Mit Volldampf voraus. Leistung und Technik von Dampflokomotiven. 1. Auflage. Transpress, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-613-71469-4, S. 72 f.
- Thomas Estler: Loks der französischen Staatsbahn SNCF. 1. Auflage. Transpress, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-613-71480-9, S. 21.
- J. Michael Mehltretter; Mit Volldampf voraus. Leistung und Technik von Dampflokomotiven, S. 67 f.
- BR 23 bei dampflokomotivarchiv.de, abgerufen am 9. April 2020