Kodak Instamatic
Instamatic war der Systemname für ein im März 1963 von Kodak eingeführtes 35-mm-Kassettenfilmsystem, ein Kofferwort aus den englischen Wörtern instant (dt.: sofort) und automatic. „Sofort“ bezog sich dabei auf ein blitzschnelles Filmeinlegen. Die Kassette besaß die Kodak-Nummer 126 und war unter dieser Bezeichnung ebenfalls bekannt. Kodak verwendete auch die Bezeichnung Kodapak, andere Anbieter Pak-Film.
Eine Instamatic-Kassette musste man nur in die Kamera einlegen und dann solange transportieren, bis das Zählwerkfenster eine „1“ anzeigte. Am Ende des Films angelangt, brauchte man wiederum nur einige Male zu transportieren, dann erschien ein "////////"-Muster im Fenster, und man konnte die Kassette entnehmen. Alles war dabei so konstruiert, dass man einerseits mit möglichst simpler Kameratechnik auskam und andererseits dem Benutzer bequemstes Fotografieren ermöglicht wurde.
Kodak dehnte sein Konzept mit Super 8 auf Filmkameras aus und dann noch einmal mit Pocketfilm auf 16-mm-Fotokameras. Für Super-8- und Pocketkameras verwendete Kodak den Begriff Instamatic ebenfalls.
Fotografieren um 1960
Wollte man vor Einführung des Instamatic-Systems mit einer handlichen Kamera fotografieren, musste man auf den Kleinbildfilm zurückgreifen. Diesen in die damaligen Kameras korrekt einzulegen, war nicht in jedem Fall einfach. Zwar konnte der Fotohändler beim Kauf eines neuen Films diesen auch einlegen, die Filmhersteller waren aber daran interessiert, dass ihre Kunden einen belichteten Film gleich am Aufnahmeort durch einen neuen ersetzten, um den Umsatz zu steigern. Damals bot jedoch nur der Spezialkamera-Hersteller Minox ein miniaturisiertes Kassettenformat für Kleinstbildfilme an, das in den 8x11-Kameras verwendet wurde. Diese Kameras waren aber recht teuer und die Bildqualität durch das kleine Format eingeschränkt.
Hubert Nerwin, der ehemalige Direktor der Entwicklungsabteilung von Zeiss Ikon, patentierte daraufhin für Kodak eine Filmkassette,[1], die zum Instamatic-System führte.
Technik
Aufbau
Die Instamatic-Kassette bestand aus dünnem schwarzen Kunststoff und verband Vorratskammer, Bildebene und Aufwickelkammer zu einer Einheit. Als Einmalkassette musste sie zum Entwickeln aufgebrochen werden und ließ sich nicht wiederbefüllen. In der Vorratskammer lag der unbelichtete Film ohne Wickeldorn aufgewickelt, in der Aufwickelkammer wurde der Film auf eine Spule aufgewickelt.
Der Film war 35 mm breit, besaß aber eine andere Perforation als ein 35-mm-Kleinbildfilm. Diese Perforation war einseitig ausgeführt und bestand aus einem Langloch pro Bild, das einem Fühler in der Kamera zum Stopp des Filmtransports diente und dadurch einer möglichst einfachen Kamerakonstruktion entgegenkam. Dieses Verfahren war bereits vom Kodak-Filmtyp 828 aus dem Jahr 1935 bekannt, der aber keine große Verbreitung gefunden hatte.
In einer Instamatic-Kamera existierte keine Filmandruckplatte, so dass die Position der Filmebene durch die Kassette bestimmt wurde. Hierzu besaß die Kassette um das Bildfenster herum einen Rahmen, der beim Einlegen auf Anschläge in der Kamera traf. Deswegen musste das Kunststoffgehäuse der Kassette auf ±3/100 Zoll (entsprechend 0,762 mm) genau gefertigt werden.[2]
Bildformat
Die einseitige und zudem schmale Perforation ließ dem Bild mehr Platz als beim Typ 135, so dass die Bildhöhe 11⁄8 Zoll, entsprechend 28,6 mm betrug. Das quadratische Format, also 28,6 mm × 28,6 mm, wurde im Hinblick auf Einfachkameras gewählt: Bei den einlinsigen Objektiven der Einsteigerkameras fiel die Abbildungsleistung zum Rand hin sehr stark ab, der Bildrand lag aber bei dem quadratischen Format weniger weit vom Mittelpunkt entfernt. Gegenüber dem Kleinbild waren Bilddiagonale und Bildfläche um etwa 9 % reduziert, infolgedessen wurden Bildwinkel und Lichtleistung eines Kleinbild-Diaprojektors weitgehend ausgenutzt.
Zählwerk
Wie beim Rollfilm schützte Schwarzpapier, auf dessen Rücken Zahlen aufgedruckt waren, den Film nach hinten vor Lichteinfall. So konnte durch ein Fenster in Kassette und Kamerarückwand die Bildnummer abgelesen werden. Das Rückwandfenster zeigte überdies das Etikett der Filmkassette und somit die eingelegte Filmsorte.
Kapazität
Die Kassette hatte man ursprünglich für 12 Aufnahmen konzipiert, dann aber auch welche mit 20 Aufnahmen, später sogar 24 Aufnahmen angeboten. 36 Aufnahmen ließen sich jedoch nicht realisieren, da bei einem entsprechend dünnen Film die Planlage nicht mehr garantiert gewesen wäre.[2]
Filmempfindlichkeit
Die Instamatic-Kassette war der erste Film, dessen Empfindlichkeit die Kamera abtasten konnte. Die meisten Kameras machten davon aber keinen Gebrauch, so dass die Mehrzahl der Filme einfach ungefähr ISO 80/20° hatten. Für die Abtastung gab es eine Kerbe, deren Länge die Filmempfindlichkeit angab. Dabei waren Werte von ISO 20/14° bis ISO 1600/33° möglich, es gab aber nur Filme von ISO 64/19° bis ISO 400/27°. Die Kerbe befand sich an der Frontseite der Kassette, nämlich an der Oberseite des Rahmens, der den Film zur Belichtung freigab.
Bezeichnung
Kodak bezeichnet alle Filmtypen mit einer Nummer, mit 126 ursprünglich einen von 1906 bis 1949 angebotenen Rollfilm. Da die Nummer wieder freigeworden war, nahm man sie für die Instamatic-Kassette, da sie in Millimeter die ungefähre Kantenlänge des quadratischen Bilds mit Maskierung, beispielsweise durch ein Diarähmchen, angab – die Nummer 127 konnte man nicht nehmen, da sie einen noch gebräuchlichen Rollfilm bezeichnete. Diarähmchen oder auch die Automaten, welche die Abzüge von Negativfilmen erstellten, nahmen stets einen etwas kleineren Ausschnitt, damit trotz unvermeidlicher Toleranzen kein Bildrand auf der Leinwand oder dem Fotopapier erschien.
Der Film ist in ISO 3029 definiert.
Filmmaterial
Farb-Negativfilm
Die meisten Kassetten sind als Farbnegativfilm verkauft worden. Davon wurden typischerweise Abzüge im Format 9 cm × 9 cm erstellt. Da im Laufe der Zeit fast alle Filmhersteller Lizenzen nahmen, gab es von praktisch allen Filmmarken auch Instamatic-Kassetten.
Das „Bonus-Bild“ war eine Marketing-Aktion von Kodak speziell für das Instamatic-System, die einen gewissen Aufwand erforderte: Jedes Fotopapier im Format 9 cm × 13 cm trug ein Bild im Format 8 cm × 8 cm mit weißen Rahmen sowie rechts davon oben ein etwa 3 cm × 3 cm kleines Bonus-Bild, abtrennbar durch Knick an einer Perforation.
Schwarzweißfilm
Den Typ 126 gab es auch als Schwarzweißfilm, was aber nur in der Anfangszeit eine Bedeutung hatte, in der häufig noch aus Kostengründen auf Farbe verzichtet wurde. Im Heimlabor konnte der Film mit einer gewöhnlichen Spule für Kleinbildfilm entwickelt werden.
Farb-Umkehrfilm
Der Typ 126 war auch als Diafilm erhältlich, wobei er mit speziellen Rähmchen in gewöhnlichen Kleinbildprojektoren vorgeführt werden konnte. Hierfür empfahl es sich aber, eine Kamera mit Belichtungsmessung zu verwenden, da dieses Material generell genauer belichtet werden muss. Allerdings wählten Amateure, die mit Diafilmen arbeiteten, zumeist den Kleinbildfilm, so dass diese Sorte nicht an allen Verkaufsstellen vorrätig war.
Kameras
Sucherkameras ohne Belichtungsmesser
Den größten Anteil unter den Instamatic-Kameras hatten die Modelle ohne Belichtungsmesser, die zumeist mit einem Fixfocus ausgerüstet waren. Die einfachen Modelle hatten nur zwei Belichtungseinstellungen, gewöhnlich mit Sonne und Wolken gekennzeichnet, und eine Blitzwürfel-Aufnahme, etwas bessere drei oder vier Belichtungseinstellungen. Sieht man von den Agfa-Rapid-Kameras ab, waren diese Modelle praktisch konkurrenzlos, da man Kameras für keinen anderen Film derart preisgünstig herstellen konnte.
In den 1970er Jahren kam es sogar zu besonders minimalistischen Kameras. Sie bestanden gerade einmal aus einem auf die Kassette geklemmten Objektiv mit einfachem Verschluss und Rahmensucher sowie einem auf den Wickeldorn der Kassette gesteckten Knebel zum Filmtransport. Diese Kameras lagen als Bausatz mehreren Zeitschriften wie Yps bei.
Sucherkameras mit Belichtungsmesser
Die gehobenen Modelle besaßen meist das gleiche Gehäuse wie die Einsteigerklasse, aber einen Belichtungsmesser und waren zumeist auf eine Batterie angewiesen. Einige Hersteller wie Rollei stellten aber auch eigenständige Konstruktionen vor. Diese Modelle wurden zwar in erheblichen Stückzahlen verkauft, sie standen aber in Konkurrenz zu den Kleinbildkameras für den Filmtyp 135.
Spiegelreflexkameras
In den 1960er Jahren erschienen sogar mehrere Spiegelreflexkameras für die Instamatic-Kassette. Gemeinsames Merkmal all dieser Kameras war es aber, dass sie keine Programmautomatik für die Belichtungssteuerung besaßen. Infolgedessen musste der Fotograf grundlegende Kenntnis über Belichtungszeit und Blendenwert besitzen, was der Idee einer maximal bequem zu handhabenden Kamera widersprach und einen nennenswerten Erfolg verhinderte. Problematisch war dabei auch die Planlage des Films aufgrund der fehlenden Andruckplatte[3], weswegen keine Objektive mit höheren Lichtstärken als f/2,8 erschienen.
Contaflex 126
Die Contaflex 126 von Zeiss-Ikon besaß eine Blendenautomatik, wobei die Blende im Sucher angezeigt wurde. Es gab für sie Objektive von 25 mm bis 200 mm Brennweite[4], die ein spezielles Bajonett besaßen. Diese Kamera tastete auch die Filmempfindlichkeit an der Kassette ab.
Rollei SL 26
Die Rollei SL 26 besaß ein Satzobjektiv mit einem speziellen Bajonett, für das Objektivvorderteile für 28 mm bis 80 mm Brennweite erhältlich waren. Die SL 26 war ein Halbautomat mit Zeigern für Blende und Belichtungszeit im Sucher.
Kodak Instamatic Reflex
Die Instamatic Reflex war die technisch aufwendigste und mit 875 DM Verkaufspreis auch teuerste Kamera für die Instamatic-Kassette. Sie erschien 1968, besaß eine Zeitautomatik und bereits einen elektronisch gesteuerten Verschluss. Für ihren Bajonettanschluss gab es Objektive von 28 mm bis 200 mm Brennweite.
Mit dieser Kamera wollte Kodak vor allem das Instamatic-System als ein anspruchsvolles, auch für gehobene Kameras geeignetes System darstellen.
Marktbedeutung
Verkaufszahlen
In der Preisklasse bis etwa 120 DM, also unterhalb der Kameras für die Kleinbild-Patrone, erreichte der Instamatic-Film einen extrem hohen Marktanteil, wodurch dieser Film zu einem gigantischen Erfolg wurde. Kodak verkaufte in den ersten zwei Jahren nach der Vorstellung bereits 7,5 Mio. Kameras.[5] Auch nach Einführung des Pocket-Films hielt die Nachfrage an, so wurden beispielsweise 1978 in Deutschland zwar ca. 1,5 Mio. Pocket-Kameras verkauft, aber auch noch rund 250.000 Kameras für den Filmtyp 126.[6] Von allen Herstellern zusammen wurden weltweit über 150 Mio. Kameras produziert.
Agfa Rapid
Agfa versuchte zunächst mit dem Konkurrenzsystem Agfa Rapid, das auf einer Vorkriegsidee beruhte, der Instamatic-Kassette etwas entgegenzusetzen. Nachdem man damit aber keinen überwältigen Erfolg erzielen konnte, nahm man eine Lizenz von Kodak und verkaufte ebenfalls eine immense Zahl von Kassettenkameras.
Ende
Das Instamatic-System hielt sich bis in die 1980er Jahre. Dann erlaubte die fortgeschrittene Mechanik, Kleinbildkameras mit vollautomatischer Filmeinfädelung und -transport zu bauen, so dass sich diese nun ebenso einfach bedienen ließen. Dadurch verlor Instamatic seine Existenzberechtigung und geriet zunehmend in Vergessenheit. Instamatic-Kameras wurden bis etwa 1988 hergestellt, Kodak selbst stellte die Filmproduktion zum 31. Dezember 1999 ein, Agfa folgte kurz darauf. Der letzte Hersteller, die italienische Firma Ferrania, produzierte bis April 2007.
Galerie
- Kodacolor II Instamatic-Film
- Dynapan, eine englische Filmmarke (1969)
- Kodak Instamatic 33
- Kodak Instamatic 100
- Kodak Instamatic 333
- Kodak Instamatic 500
- Kodak Instamatic 224
- Kodak Instamatic 155 X
- Kodak Instamatic 255 X (1976)
- Kodak Instamatic 277 X mit Magicube
- Kodak Instamatic 355 X
- Kodak Instamatic 355 X in der Bereitschaftstasche
- Kodak Instamatic Reflex
- Agfamatic 108 Sensor
- Agfamatic 300
- Rollei A 26
- Rollei A 26
- Spiegelreflexkamera Rolleiflex SL 26
- Spiegelreflexkamera von Ricoh
Weblinks
- Kodak Hawkeye Instamatic R4 (1966–1971), die mit 126er Film arbeitete.
- Instamatic-Kameras im Blende-und-Zeit-Forum
Fußnoten
- Tom Tobin: Insta...what?' The Kodak Instamatic Camera Turns 50 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . Auf: 13wmaz.com am 29. März 2013
- Hinter den Kulissen, Fotomagazin November 1968
- Michael C. Johnston: Hubert Nerwin's Brilliant Idea. Auf: theonlinephotographer.typepad.com am 1. April 2013
- Liste des Contaflex-Sortiments vom 1. Oktober 1971 (PDF; 5,0 MB), abgerufen am 18. September 2021 (englisch).
- https://eu.usatoday.com/story/tech/2013/03/29/instamatic-camera-50-years/2034585/
- Nachrichten, Notizen, Photo Revue Juli 1979