Kleinsiedlung
Als Kleinsiedlung wird im deutschen Recht ein Wohngebäude mit Nutzgarten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen bezeichnet.
Geschichte
Angesichts der Wohnungsnot kam man schon in der Weimarer Republik auf den Gedanken Kleinsiedlungen einzurichten. Diese Idee war stark mit der Gartenstadtbewegung in Deutschland verknüpft und wurde anfangs von Architekten wie Hermann Muthesius[2] und später von Persönlichkeiten wie Bruno Taut zu einer allgemeingültigen Variante des Sozialen Wohnungsbaus weiterentwickelt. Kleinsiedlungen waren auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.[3] Für die Nationalsozialisten wurde das Eigenheim zu einem Kernziel der Politik. Besonders propagiert wurde die Kleinsiedlung für den Arbeiter, bestehend aus Heimstätten oder Kleinsiedlerstellen.[4] Im Deutschen Reich 1933 bis 1945 entstanden 100.000 Kleinsiedlungen.[5] In Randgebieten von Städten gelegen, überstanden viele den Luftkrieg. Allein in Berlin sind drei in Spandau, Zehlendorf und Reinickendorf erhalten.[6] Ein aufschlussreiches Beispiel – auch für die „Verschönerung“ – ist Surheide (Bremerhaven).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bau von Kleinsiedlungen in Westdeutschland gezielt im Rahmen von Wohnungsbauprogrammen gefördert, um die Schaffung von Wohnraum mit der Bildung von (Wohnungs-)Eigentum und – gerade bis Ende der 1950er Jahre – dies mit dem Ziel der Selbstversorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten zu verbinden. Diese Kleinsiedlungen sind in der Regel im Rahmen einer Organisierten Gruppenselbsthilfe entstanden. In Schleswig-Holstein – zum Beispiel – sind über 35.000 (geförderte, über 75.000 freifinanzierte) Kleinsiedlungen bis in die 1990er Jahre[7] nach den Typenentwürfen (verbunden mit Typengenehmigungen) der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.[8] (aber auch in allen anderen Bundesländern[9] in unterschiedlich großem Maßstab betrieben)[10] realisiert worden. Die Kleinsiedlungen, ab den 1970er Jahren[11] mit kleineren Grundstücken ausgestattet, da der Selbstversorgungsgedanke mit dem wachsenden zeitlichen Abstand zum Krieg keine Rolle mehr spielte.
In der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in sogenannten Kleinsiedlungsgebieten geregelt und städtebaulich gefasst.
Die älteren Kleinsiedlungen sind heutzutage im Sinne des flächensparenden Bauens nicht mehr ganz zeitgemäß – viele der mit teilweise sehr großen Grundstücken ausgestatteten Kleinsiedlungen werden heute baulich nachverdichtet. Kleinsiedlungen sind häufig in Siedlergemeinschaften unter dem Dach des Deutschen Siedlerbundes organisiert und pflegen ein mehr oder minder ausgeprägtes soziales Gemeinschaftsleben. Kleinsiedlungen sind frühe Formen von Sozialen oder Gruppen-Wohnprojekten.[12]
Weblinks
Literatur
- Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung e. V. (IRS) (Hrsg.): Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Berlin 1996, ISBN 3-9804917-0-6.
- Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr Brandenburg (Hrsg.): Organisierte Gruppenselbsthilfe. In: Nachhaltiger Wohnungsbau im Land Brandenburg. Potsdam 2000.
- Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen u. Städtebau (Hrsg.): Dokumentation und Querschnittuntersuchung der Modellvorhaben im Forschungsschwerpunkt "Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau". Bonn 1991.
- Katrin Hater: Organisierte Gruppenselbsthilfe 1945–1956 in Nordrhein-Westfalen. In: Siedlung 1992. S. 157–278.
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Durch Selbsthilfe zum Eigenheim. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Band 11). Kiel 1950.
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Kleinsiedlungsentwürfe SH-KS - zu den Bestimmungen über die Förderung von Kleinsiedlungen vom 5.4.1973. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 38). Kiel 1973.
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Kleinsiedlungsentwürfe SH-KS. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 39). Kiel 1978.
Einzelnachweise
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (Hrsg.): Kleinsiedlungsentwürfe SH-KS. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 39). Kiel 1978.
- Hermann Muthesius: Kleinhaus und Kleinsiedlung. München 1918.
- 3. Bericht des Reichskommissars für die vorstädtische Kleinsiedlung
- Julia Gill: Individualisierung als Standard: Über das Unbehagen an der Fertighausarchitektur. (books.google.de)
- Der Wohnungsbau der Nazi-Zeit Unbekanntes Erbe (Berliner Mieterverein)
- Bernd Stöver: Geschichte Berlins. 2010. (books.google.de)
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Lage der Bauwirtschaft. (1949–1951) Mitteilungsblätter: Hefte Nr. 12, Nr. 14, Nr. 20, Nr. 22, Nr. 24, Nr. 30, Heft Nr. 44; Die Bautätigkeit in Schleswig-Holstein (1953–1958) Mitteilungsblätter: Hefte Nr. 47, Nr. 50, Nr. 57, Nr. 61; Heft Nr. 67; Kiel, 1949–1959; Berichte der ARGE//eV an die Landesregierung Schleswig-Holstein, Kiel, 1947 bis 2020.
- z. B.: Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Wohnungstypen 1951 für das Schwerpunktprogramm und die Selbsthilfe. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 13). Kiel 1951.
- Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen u. Städtebau (Hrsg.): Dokumentation und Querschnittuntersuchung der Modellvorhaben im Forschungsschwerpunkt "Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau". Bonn 1991.
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Durch Selbsthilfe zum Eigenheim. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 11). Kiel 1950.
- Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Kleinsiedlungsentwürfe SH-KS. (= Bauen in Schleswig-Holstein. Heft 39). Kiel 1978.
- Astrid Holz, Dietmar Walberg, Rüdiger Muus: 6.3 Eigenleistung/Selbsthilfe/Gruppenselbsthilfe - Formen der Selbsthilfe. In: Leitfaden für Gruppenwohnprojekte und innovative Wohnkonzepte. Hrsg. v.d. Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. Kiel 2015, ISBN 978-3-939268-22-2, S. 103 ff