Kaspar Kasics
Kaspar Kasics (* 5. August 1952 in Interlaken) ist ein Schweizer Dokumentarfilmer, Autor und Filmproduzent.
Biographie
Kaspar Kasics kam als der jüngere der zwei Söhne von Musiker Tibor Kasics und der Tanzpädagogin Ulla Kasics zur Welt. Er ist ein Enkel der ungarischen Sängerin und Gesangspädagogin Ilona Durigo und des ungarischen Pianisten und Klavierpädagogen Osman Kasics.
Bevor er sich dem Film zuwandte, studierte Kaspar Kasics Germanistik, Philosophie, Geschichte und Englisch an der Universität Zürich und Musik am Konservatorium Zürich und Basel (u. a. bei Rudolf Kelterborn und Konrad Ragossnig). Auf Empfehlung von Prof. Wolfgang Iser (Universität Konstanz) und Prof. Christian W. Thomsen (Universität Siegen) erschien seine Dissertation im Universitätsverlag Carl Winter, Heidelberg (Literatur und Fiktion, Zur Theorie und Geschichte der literarischen Kommunikation, Reihe Siegen 94).
Nach dem Studium arbeitete Kaspar Kasics als Redaktor, Realisator und Moderator beim Schweizer Fernsehen DRS. Er realisierte zahlreiche Features, unter anderem über Reinhild Hoffmann, Robert Wilson, Fischli/Weiss, Anna Huber, Jérome Déchamps, Gregor Seyffert sowie über den letzten Heimsticker und die grösste gewerbliche Waschanstalt der Schweiz.
Seit 1990 ist Kasics selbständiger Filmemacher und Filmproduzent. Neben Auftragsfilmen für verschiedene Tanzcompagnien, die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich und für Happy Tooth International realisierte er verschiedene Dokumentarfilme zu gesellschaftlichen und kulturellen Themen.
2004 gründete er die Distant Lights Filmproduktion GmbH. Von 2010 bis 2017 war Kaspar Kasics Präsident des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz (ARF/FDS), dem er schon 1996 bis 2001 vorstand. Kasics wirkt zudem als dramaturgischer Berater und als Experte an den Hochschulen in Zürich und Luzern. Er ist Mitglied der Eidgenössischen Filmkommission und der Kulturkommission der Suissimage.
Werk
In seinen Filmen setzt sich Kaspar Kasics mit grundlegenden gesellschaftlichen und kulturellen Themen auseinander.
Jemand – oder die Passion zum Widerstand handelt vom Wandel der Widerstandskultur im 20. Jahrhundert. Die auf Ordnung und Disziplin setzenden Mitglieder der einstigen sozialistische Arbeiterjugend sehen sich ein halbes Jahrhundert später mit den spontanen Aktionen der Politbewegung „Züri 1990“ konfrontiert. Zur gleichen Zeit wird im Zürcher Volkshaus mit dem zum ersten Mal seit 1938 wieder aufgeführten Arbeiteroratorium Jemand (Libretto: Hans Sahl, Musik: Tibor Kasics) das Ende der Arbeiterbewegung eingesungen.
Closed Country handelt von der schweizerischen Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs. Die Überlebenden zweier jüdischer Familien, die sich 1942 aus Belgien in die Schweiz retten wollten, erfahren heute, was sich damals an der Grenze im Jura abspielte. Das Schicksal beider Familien lag in den Händen des damaligen Chefs der eidgenössischen Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund, und war eng miteinander verknüpft. Der auf den Recherchen des Historikers Stefan Mächler basierende Dokumentarfilm zeigt die antijüdischen Grundhaltung und die willkürliche bürokratische Mechanik, welche die damalige Flüchtlingspolitik der Schweiz prägten.
Blue End erzählt erstmals die vollständige Geschichte des texanischen Mörders Joseph P. Jernigan, der nach einem zweifelhaften Prozess hingerichtet und dessen Leichnam von der National Library of Medicine in Washington für das Projekt des „visible man“ behändigt wurde. Die Hintergründe zu Jernigans Tat, das Gerichtsverfahren sowie das Verhalten der Wissenschaft waren bis zum Erscheinen des Films nicht bekannt. Dank dem Auftreten von Jernigans Bruder sowie aller Beteiligten enthüllt der Dokumentarfilm eine wahrlich „unerhörte Geschichte“ (Zürcher Tages-Anzeiger). Sie zeigt, wie Justiz und Wissenschaft unter gesellschaftlichen Erfolgsdruck bereit sind, ethischen Grenzen zu überschreiten.
Downtown Switzerland ist eine Spurensuche in der Gegenwart. Fokussiert auf den gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Wandel in der grössten Schweizer Stadt, zeichnet der Film ein Bild der Lage der Nation. Ein Zeitbild, welches den Aufstieg und den Nachwuchs der rechtspopulistischen Volkspartei der Schweiz mit Aspekten der Globalisierung, Zukunftsvisionen eines Grosskonzerns, fussballspielenden Asylsuchenden, rollschuhfahrenden Hedonisten, protestierenden Frauen, überforderten Trämlerinnen und Trämlern und dadaistisch inspirierten (Sub)Kulturexperimenten vereint. Der Film ist ein Gemeinschaftswerk von Kaspar Kasics mit den Regisseuren Christian Davi, Stefan Haupt und Fredi M. Murer.
Bei No More Smoke Signals von Fanny Bräuning wirkte Kaspar Kasics als Produzent, Dramaturg und Chefeditor. Anhand der unabhängigen Radiostation „Kili Radio“ in der geschichtsträchtigen Umgebung von Pine Ridge, South Dakota, zeigt der Dokumentarfilm, wie es um die Lakota heute steht und was von den Aufständen in den 1970er Jahren geblieben ist. In der Radiostation kommt alles zusammen, vom einstigen Anführer des American Indian Movements, John Trudell, über die unermüdlich um die Verbesserung der Verhältnisse kämpfende Roxanne Two Bulls bis hin zu den im Hip-Hop ihr Land zurückfordernden jungen Lakota. Die Spurensuche gipfelt im spektakulären Memorial Ride, mit welchem die Lakota alljährlich ihre Geschichte für die Nachkommen wachhalten.
Closed Country und Blue End wurden in der Offiziellen Selektion der Internationalen Filmfestspiele Berlin uraufgeführt und erhielten wie No More Smoke Signals zahlreiche Auszeichnungen.
Filmografie
- 1991: Jemand oder die Passion zum Widerstand (Dokumentarfilm)
- 1995: It’s my life (Fernsehdokumentarfilm)
- 1996: Bal moderne (Fernsehdokumentarfilm)
- 1997: Le barrage (Experimentalfilm)
- 1999: Closed Country (Dokumentarfilm: Regie, Drehbuch, Schnitt, Produktion)
- 2000: Sauvé (Dokumentarfilm)
- 2001: Blue End (Dokumentarfilm: Regie, Drehbuch, Schnitt, Produktion)
- 2002: Dragan und Madlaina (Fernsehfilm)
- 2004: Downtown Switzerland (Dokumentarfilm: Regie, Drehbuch)
- 2008: No More Smoke Signals (Dokumentarfilm: Produktion, Dramaturgie und Schnitt)
- 2015: Yes No Maybe – Ein Film über die Liebe
- 2018: Das Erste und das Letzte
In Postproduktion
Yes No Maybe, Kinodokumentarfilm, 102’
Was ist mit der Liebe los? Gibt es sie noch oder ist sie eine Utopie? Was hält ein Paar zusammen und wo führt uns die Sehnsucht hin? YES NO MAYBE begibt sich auf Spurensuche und trifft auf zwei höchst unterschiedliche Paare, auf eine erste und eine letzte Liebe. Die eine bahnt sich unverhofft über Internet an, die andere gipfelt nach Jahren in einem gemeinsamen Traum in Portland, Oregon. Scharfsinnig entschlüsseln Eva Illouz und Sven Hillenkamp indes den unmöglichen Charakter der Liebe, ein Befund, den die beiden Paare in den Wind schlagen.
In Entwicklung
Jetzt oder nie, Kinodokumentarfilm, 80’
Nach einer kurzfristigen, tödlichen Diagnose findet sich eine 55-jährige Psychoanalytikerin in einer höchst absurden Lebenssituation wieder: Ohne Arbeit, ohne Perspektive, ohne Sinn. In der ihr noch verbleibenden Zeit beginnt sie, ihr gelebtes Leben neu anzuschauen und zu verstehen. Dabei stößt sie auf eine verdrängte Spirale von Demütigung und Gewalt.
Heimweh nach Zukunft, Kinodokumentarfilm, 90’
Angesichts der weltumspannenden Krisen stellt der Dokumentarfilm die Frage nach der Utopie: Können wir unser Leben anders sehen oder neu denken? Kann es noch gelingen, neue Vorstellungen des gesellschaftlichen Lebens zu entwickeln? Im Zentrum des Films steht das politische Wunderkind Cédric Wermuth, dem in der Schweiz die Rolle des Vordenkens und Provozierens zuzukommen scheint. Aber ist dies nach seiner Wahl in den Schweizer Nationalrat überhaupt noch möglich? Und gibt es nicht andere Wege, Utopien wieder denkbar zu machen?
Weblinks
- Kaspar Kasics in der Internet Movie Database (englisch)
- Kaspar Kasics bei filmportal.de
- Kaspar Kasics bei swissfilms.ch