Kanaan
Kanaan (nordwestsemitisch kn’n, Alalach ki-in-a-nimKI, akkadisch LUki-na-aḫ-numMEŠ, assyrisch KURki-na-aḫ-ḫi und KURki-na-ḫi, babylonisch KURki-na-ḫa-a-a-u, hurritisch KURki-na-a-aḫ-ḫi, hethitisch KUR URUki-na-aḫ-ḫa, arabisch کنعان (Kanʿān), hebräisch כְּנַעַן (Kena‘an), ägyptisch p3-k-3-n-ˁ-n-ˁ, phönizisch Kenaʻ, altgriechisch Χαναάν Chanaán) wurde im Altertum hauptsächlich als Bezeichnung der südwestlich-syrischen Region verwendet und ab Ende des 2. Jahrtausend v. Chr. auf das Gebiet Palästina (Pleschet) ausgeweitet.
Der Gebrauch des Namens Kanaan ist noch unter Seleukos I. belegt, der sich selbst als „der L’dk’ in Kanaan“ nannte. Die römische Besatzung ersetzte „Kanaan“ durch die Bezeichnung Syria, dessen Grenzen weder mit der Ausdehnung des früheren Kanaan übereinstimmten noch mit den Grenzen des heutigen Syrien.
Etymologie
Die genaue Namensdeutung von Kanaan bleibt unklar. In ägyptischen Texten ist die Bezeichnung Kanaan meist mit negativen Titulierungen belegt: „Räuber und Kanaanäer, rebellische Bewohner in Kanaan“.
Die Ableitung aus der späteren aramäischen, hebräischen und arabischen Sprache unter Verwendung der Wurzel KN‘ ermöglicht die Deutungen: „Die sich krümmenden, die Gekrümmten, die Gebeugten, die Gedemütigten, die Verstoßenen, die Unterworfenen“ und „die Zurückgezogenen“.[1]
Geschichte
Die urbane Entwicklung der Region erfolgte deutlich nach jener in Ägypten und Mesopotamien. Ausnahmen waren Jericho und En Esur. Die ersten anderen Städte in der südlichen Levante dürften um 2100 v. Chr. gegründet und wieder aufgegeben worden sein, Handelsrouten zwischen den Hochkulturen blieben aber bestehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt werden die Amurriter in sumerischen Quellen als Bewohner der Levante genannt.
Der älteste archäologische Fund, der Kanaan wortwörtlich erwähnt, ist die Statue von Idrimi, dem König von Alalach im heutigen Hatay. Auf dieser wird die Lebensgeschichte Idrimis erzählt, der als politischer Flüchtling nach Kanaan zog. „In Kanaan liegt Ammija. In Ammija weilten auch Leute aus“ der Heimat Idrimis, die ihn zu ihrem Anführer ausriefen und schließlich nach Alalach segelten und die Stadt eroberten. Der König und die Inschrift werden allgemein auf rund 1450 v. Chr. datiert. Erwähnt als Bewohner Kanaans werden die Apiru.[2]
Eine wichtige Quelle für die Region sind die Amarna-Briefe, die etwa 1350 v. Chr. unter König (Pharao) Echnaton (Amenophis IV.) von verschiedenen Gouverneuren verfasst wurden. Aus dem Raum Kanaan ist ein Brief von Labaju von Sichem, einem Vasallen des Pharaos, erhalten. Dieser schreibt: „Der König hat betreffs (der Auslieferung) meines Sohnes Botschaft gesandt. Ich wusste nicht, dass mein Sohn mit den ḫapiru-Männern herumzieht.“[3] (Brief EA 254) Die in den Briefen als „Gesetzlose“ bezeichneten Halbnomaden waren zu diesem Zeitpunkt eine schlagkräftige Truppe, die die Vasallenstadtstaaten des Pharaos bedrohten. Der Brief zeigt auch, dass die Vasallen mit den Apiru kooperierten, wenn es ihnen gerade gelegen erschien.
In Brief EA 8 fordert Burna-buriaš II. von Babylonien bei König Echnaton Schadenersatz für einen Überfall auf eine Handelsgesandtschaft, die in Kanaan überfallen worden sei, da dieses „zu Ägypten gehört“.[4]
Auch aus Ugarit, Aššur und Ḫattuša sind Textzeugnisse über Kanaan bekannt, die erkennbar machen, dass die lokalen Herrscher Vasallen der ägyptischen Pharaonen waren.
Die wichtigsten kanaanäischen Städte dürften Hazor, Megiddo und Lachisch gewesen sein. Hazor könnte von den Amurritern bewohnt gewesen sein.[5] Nördlich der kanaanäischen Stadtstaaten lag das lose kontrollierte Amurru. Die Kanaanäischen Sprachen bildeten ein Dialektkontinuum der nordwestsemitischen Sprachen.
Im 2. Jahrtausend v. Chr. befand sich Kanaan zum größten Teil unter ägyptischer Herrschaft, bis die Ägypter mit Auftauchen der „Seevölker“ ab dem 12. Jahrhundert v. Chr. nach und nach die Kontrolle über die Levante verloren. Den veränderten politischen Verhältnissen trug die damalige neue geografische Zuordnung durch Ägypten Rechnung. Während unter dem Pharao Merenptah Kanaan noch als eigenständiges Gebiet genannt wurde, erfolgte unter Ramses III. die politische Zuordnung in die Oberhoheit der Philister: „Bote nach Kanaan im Lande Palastu“.
Etwas zeitversetzt drangen die Aramäer aus Syrien nach Süden vor. Gleichzeitig traten in den ägyptischen Quellen „neue“ Gruppen in Kanaan selbst auf: die Israeliten (Landnahme) in Zentralisrael und andere Völker an der Peripherie des Kulturlandes wie die Moabiter. In einer Zeit nachlassenden äußeren Drucks konnten sich mehrere einheimische Staaten ausbilden, was in der Folge mit einer ausgeprägten Ethnogenese verbunden war. Dem israelitischen Staat der frühen Könige steht bei den Phöniziern und Philistern kein vergleichbarer Trend zum „Flächenstaat“ entgegen, hier bildeten weiterhin Stadtstaaten die größten politischen Einheiten.
Das Land Kanaan im biblischen Kontext
Zum ersten Mal taucht der Personenname Kanaan in 1. Mose 9,18 auf. Dort wird er als Sohn des Ham erwähnt, der wiederum einer der drei Söhne Noahs war. Ausdrücklich als Sohn Hams erscheint Kanaan wieder in Genesis 10,6 . In Gen 10,15–19 werden als seine „Nachkommen“ die phönizische Stadt Sidon, weiterhin Heth und neun weitere Völkernamen aufgezählt, wodurch eine Verbindung zwischen „Kanaan“ und Phönizien nahegelegt wird.
Nach dem Bericht des 1. Buchs Mose (Kapitel 12 ff.) in der Tora bezeichnet das Land Kanaan (eigentlich hebräisch אֶרֶץ כְּנַעַן ärätz kena‘an, deutsch ‚Land Kanaans‘) das Abraham und seinen Nachkommen versprochene Land (Gelobtes Land). Neben der summarischen Bezeichnung Kanaan für die nichtisraelitische Vorbevölkerung des Landes werden diese auch summarisch als Kinder Heths bzw. Hethiter (z. B. Gen 27,46 ) oder als Amoriter (z. B. Gen 15,16 ) bezeichnet. An noch anderen Stellen gibt es Aufzählungen von Volksnamen, die in wiederkehrenden Listen diese summarischen Bezeichnungen mit weiteren historisch noch weniger konkreten Namen zu einer Liste von Völkern zusammenstellen, die so nie nebeneinander im Land gelebt haben. So werden in Deut 7,1 offenbar bewusst sieben Völkernamen zusammengestellt, die Hethiter, Girgaschiter, Amoriter, Kanaaniter (im engeren Sinne), Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, vgl. auch bereits Gen 15,19–20 .
Auf die an Abraham nach dem Bericht der Genesis in Mesopotamien ergangene Verheißung folgte nach dem biblischen Bericht die friedliche Einwanderung der Vorfahren der Israeliten, die damit neben den Kanaanitern im Land gelebt hätten (Gen 12,6 ). Erst nach dem Auszug aus Ägypten, also Jahrhunderte später, hätte das Volk Israel schließlich das Land eingenommen und die Kanaaniter, wenn auch nicht vollständig (Ri 1,27–33 ), vertrieben. Die biblische Darstellung ist legendarisch überhöht und hat keinen Anhalt an historischen Ereignissen, wie besonders am Bericht von den einstürzenden Mauern von Jericho (Jos 6 ) oder dem der Schlacht von Gibeon deutlich wird, wo Mond und Sonne stillgestanden haben sollen, bis die Israeliten gesiegt hatten (Jos 10,12–14 ). Die biblischen Erzählungen berichten also von kriegerischer Eroberung wie von friedlicher Besiedelung. Die moderne Forschung bezweifelt allerdings, dass Israel überhaupt von außen in das Land eingewandert ist, weil es dafür keine archäologischen Belege gibt. Man geht heute mehr und mehr davon aus, dass Israel im Land selbst (autochthon) entstanden ist und der religiöse Gegensatz zu Kanaan erst nachträglich in die Vorzeit zurückprojiziert worden ist. Zudem enthält der biblische Bericht, der erst Jahrhunderte nach den angeblichen Ereignissen entstand, eine Reihe von Aussagen, die gemäß dem aktuellen Stand der Forschungen widersprüchlich erscheinen (vgl. hierzu: → Landnahme der Israeliten).[6]
Die Warnung vor den Fruchtbarkeitsgöttern Kanaans, vor allem Ba’al (Bel) in allen seinen Varianten, ihren Riten und Bildern, den in der Bibel erwähnten Kulthöhen, Stier- und Kalbsgötzen (Goldenes Kalb), durchzieht verschiedene Bücher des Tanach. Für die Zeit Salomons ist die Verehrung der Liebesgöttin (Ascherat) belegt (siehe hierzu auch Kanaanitische bzw. Ugaritische Religion).
In der Bibel wird im 2. Buch Mose von Kanaan als dem Land gesprochen, in dem „Milch und Honig fließen“.
Literatur
- Wayne Horowitz, Takayoshi Oshima: Cuneiform in Canaan. Cuneiform Sources from the Land of Israel in Ancient Times. Israel Exploration Society, Jerusalem 2006, ISBN 965-221-062-5.
- Benjamin Mazar: Canaan and the Canaanites. Bulletin of the American Schools of Oriental Research 102, 1946, S. 7–12.
- Jonathan N. Tubb: Völker im Lande Kanaan (Reihe Völker der Antike). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005.
Weblinks
- Joachim J. Krause: Kanaan / Kanaanäer. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart Juli 2020.
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Ablehnend dazu („Etymologie und Wortbedeutung von ‚K.‘ … ungeklärt“) M. Weippert: Kanaan, In: Dietz-Otto Edzard u. a. (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd. 5. De Gruyter, Berlin 1980, ISBN 3-11-007192-4, S. 352.
- Amélie Kuhrt: The Ancient Near East (Routledge History of the Ancient World). 1. Auflage. Routledge, New York und London 1995, ISBN 0-415-01353-4.
- Anson F. Rainey: Briefe aus Palästina. In: TUAT NF 3, S. 197.
- Nadav Na'aman: Canaan in the 2nd millennium B.C.E. Eisenbrauns, 2005, ISBN 978-1-57506-113-9.
- Siehe dazu die amurritischen Personennamen in altbabylonischen Texten aus Hazor, W. Horowitz, A. Shaffer: An Administrative Tablet from Hazor: A Preliminary Edition. In: Israel Exploration Journal. Bd. 42, 1992, S. 21–33.
- Christian Frevel: Geschichte Israels, 2., erweiterte und überarbeitete Auflage, Stuttgart 2018, S. 67–96.