Kölner Schule (Architektur)
Als „Kölner Schule“ wird im Rückblick die tonangebende Architekten-Szene um Rudolf Schwarz im kriegszerstörten Köln bezeichnet.[1] Sie geht aus der Wiederaufbaugesellschaft Köln hervor, die Rudolf Schwarz von 1946 bis 1952[2] im Auftrag von Oberbürgermeister Hermann Pünder als Generalplaner[3] leitet, und hat den Wiederaufbau wie die städtebauliche Entwicklung Kölns mit dem Leitbild der Doppelstadt als rhizomartige, elastische Stadtlandschaft[4] bis heute wegweisend geprägt.
Merkmale
Abgesehen von den Erfahrungen von Schwarz[5] als Landesplaner[6][7] und Emil Steffann[8] in Lothringen während des Krieges ist die Kölner Schule grundlegend beeinflusst von der ortgerechten Städtebau- und dinggerechten Werklehre der Aachener Schule wie sie sich aus der Kunstgewerbeschule Aachen, die Schwarz von 1927 bis 1934 leitet, und der Erneuerung der Architekturlehre der RWTH Aachen mit Berufung von René von Schöfer 1925 entwickelt.
Die Trümmer und Ruinen der Nachkriegszeit sind für die Kölner wie der Aachener Schule Reste einer Baugeschichte, die als Quellen und Anregungen für ein fortschreitendes Baugeschehen anzunehmen und maßvoll weiterzuentwickeln sind: Aus ihrem fachlichen Austausch und ihrer Freundschaft entstehen neue Bau- und Kunstauffassungen, die u. a. auch auf dem liberalen rheinischen Katholizismus gründen, zum einen das Alte bewahren und zum anderen sich der Gegenwart nicht verschließen will.[9] Mit zurückhaltend wirkenden Bauten oft aus wiederverwendeten Trümmermaterial werden wichtige Gebäude im Rahmen der Schwarz'schen Bauleitpläne wieder aufgebaut oder neu errichtet und die großspurigen zum Teil bereits verwirklichten Planungen aus der Zeit des Nationalsozialismus geschickt mit der durch Wilhelm Riphahn zurückgebauten Hahnenstraße und der Nord-Süd-Fahrt, dem Konzept der autogerechten Stadt, in der frühen Nachkriegszeit neu konzipiert. Die romanischen Kirchen, das historische Rathaus und der Gürzenich-Festsaal mit der anschließenden, 1959 eingeweihten Gedenkstätte Alt. St. Alban werden einfühlsam mit Rücksicht auf die historische Form wiederaufgebaut.
Dombaumeister Willy Weyres baut den kriegszerstörten Kölner Dom wieder auf und begründet mit der Kölner Schule den weltweit beachteten Kirchenbau der Nachkriegsmoderne im Rheinland.[10][11]
Mitglieder
Der Architekten-Szene der Kölner Schule um Rudolf Schwarz und Emil Steffann gehören neben Josef Bernhard, Karl Band, Wilhelm Riphahn, Hans Schilling, Fritz Schaller, Gottfried Böhm auch Helmut Goldschmidt und Oswald Matthias Ungers[12][13], deren Mitarbeiter und Projektpartner Karl Wimmenauer, Heinz Bienefeld, Günter Kleinjohann, Nikolaus Rosiny, Gisberth Hülsmann, Paul Georg Hopmann, Eugen Weiler, die Bildhauer Kurt Schwippert, Elmar Hillebrand, Theo Heiermann, Paul Nagel, Jochem Pechau, Hans Karl Burgeff, Karl Matthäus Winter, aus dem Umkreis der Aachener Schule Maria Schwarz, Rudolf Steinbach, Hans Schwippert und aus Düsseldorf Josef Lehmbrock wie die Bildhauer Erwald Mataré mit Erwin Heerich und Joseph Beuys an.
Die 1947 von Alfons Leitl gegründete Zeitschrift Baukunst und Werkform bot ihnen ein öffentliches Forum für inhaltliche Auseinandersetzungen. Hier wurden u. a. die von Schwarz eingeleitete Bauhaus-Debatte 1953 und der Düsseldorfer Architektenstreit ausgetragen.
Einzelnachweise
- Anne-Julchen Bernhard, Jörg Leeser: Köln – Modell einer besseren Zukunft mit einem Auszug aus Jetzt! Ein subrealistisches Manifest. Hrsg.: arch+. OFF-Architektue 1, Nr. 166. Berlin, Aachen 2003, S. 48–53.
- Rudolf Schwarz: Was eigentlich ist der Gegenstand des Städtebaus? In: Wolfgang Pehnt, Hilde Strohl (Hrsg.): Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne. Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0642-9, S. 216–219.
- Wolfgang Pehnt, Hilde Strohl: "Lebendig durchbaute Landschaft": Generalplaner in Köln. In: Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne. Gerhard Hatje, Ostfildern-Ruit 1999, ISBN 3-7757-0642-9, S. 114–125.
- Panos Mantziaras: RUDOLF SCHWARZ AND THE CONCEPT OF “CITY-LANDSCAPE”. (PDF) In: Arquitectura, ciudad e ideología antiurbana. 2002, abgerufen am 9. Mai 2018 (englisch).
- Rudolf Schwarz: Brief an Mies van der Rohe. In: Wolfgang Pehnt, Hilde Strohl (Hrsg.): Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne. Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0642-9, S. 210–212.
- Rudolf Schwarz: Landschaft - Arbeit - Bildung - Hoheit - Anbetung. In: Manfred Sundermann... (Hrsg.): Rudolf Schwarz. Akademie der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Deutsche UNESCO-Kommission, Bonn 1981, ISBN 3-922343-11-2, S. 70–79.
- Wolfgang Pehnt, Hilde Strohl: "Eine alte und große Überlieferung": Landesplanung in Lothringen und "Von der Bebauung der Erde": Anfänge nach 1945. In: Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne. Gerhard Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0642-9, S. 100–114.
- Emil Steffann: Wiederaufbau aus Trümmern. Dargelegt an einem alten Dorf in Lothringen (1943/44). In: Dr. Rudolf Pfister unter Mitwirkung des Bundes Deutscher Architekten (Hrsg.): Baumeister. Nr. 8. Rinn und Callwey, München August 1950, S. 489–497.
- Rudolf Schwarz: Der Aufbau zerstörter Städte. In: Wolfgang Pehnt, Hilde Strohl (Hrsg.): Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne. Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0642-9, S. 219–221.
- Willy Weyres: Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945–1956. Vorwort von Joseph Kardinal Frings. Schwann, Düsseldorf 1957.
- Karl Josef Bollenbeck: Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1955 - 1995. Hrsg.: Erzbistum Köln, Abteilung Bau-, Kunst- und Denkmalpflege. 1 und 2. Becher, Brühl 1995, ISBN 3-922634-14-1.
- Wolfgang Pehnt: Die Plangestalt des Ganzen. Der Architekt und Stadtplaner Rudolf Schwarz (1897–1961) und seine Zeitgenossen. Walther König, Köln 2011, ISBN 978-3-86560-969-4.
- O.M.Ungers: Über das Denken und Entwerfen in Bildern und Vorstellungen. In: Manfred Sundermann... (Hrsg.): Rudolf Schwarz. Akademie der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Deutsche UNESCO-Kommission, Bonn 1981, ISBN 3-922343-11-2, S. 23–25.