Juristische Übersetzung
Juristische Übersetzung ist die Übersetzung von Texten auf dem Gebiet des Rechts. Bei juristischen Übersetzungen sind nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch Kenntnisse der Rechtssysteme erforderlich. Für eine adäquate Übertragung juristischer Informationen muss die juristische Sprache besonders präzise sein (Siehe auch: Juristische Fachsprache). Juristische Übersetzungen sind bei allen Arten juristischer Texte möglich, insbesondere bei Verträgen oder Gesetzen sowie für die Kommunikation zwischen Behörden und Gerichten etc. und werden auch im Rahmen der Ausbildung von Juristen an Universitäten angewendet.
Im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen besteht regelmäßig eine völkerrechtliche Verpflichtung, Rechtshilfeersuchen Übersetzungen beizufügen.[1] Art. 6 Abs. 3 a) der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf ein faires Verfahren) gewährt dem Beschuldigten im Strafverfahren einen Anspruch auf Übersetzung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe in eine ihm verständliche Sprache.
Besonderheiten der juristischen Übersetzung
Die Besonderheit der Fachkommunikation im Recht und damit bei der Übersetzung von Rechtstexten lässt sich auf folgende Punkte zurückführen:
- präskriptiver Charakter,
- Transdisziplinarität,
- Adressatenpluralität,
- Pluralität von unabhängigen Kommunikationszusammenhängen.[2]
Im Hinblick auf anderen Formen von Fachübersetzungen, z. B. technische Übersetzungen oder literarische Übersetzungen, besteht im Rahmen der juristischen Übersetzung der geringste Freiraum bei der sinntreuen Wiedergabe des Textes. Der Übersetzer muss beachten, dass sich Struktur, Formulierungen und die Terminologie von juristischen Texten in unterschiedlichen Rechtssystemen unterscheiden, und für den übersetzten Text Sprachkonstruktionen finden, die ähnliche Funktionen tragen wie im Ausgangstext. Hilfsmittel sind spezielle juristische Wörterbücher.
Anforderungen
Da Übersetzungsfehler in juristischen Texten zu Schäden oder Klageerhebungen führen können, sollten ihre Übersetzer entsprechend geschult sein und über Erfahrung auf dem Gebiet verfügen. In einigen Unionsmitgliedstaaten sind dazu eigene staatliche Zulassungen erforderlich.[3]
Abgrenzung
„Ein Übersetzer produziert ein schriftliches Dokument, indem er einen Text aus einer Sprache in eine andere Sprache übersetzt. Ein Gerichtsübersetzer muss die grundlegenden Konzepte und die Terminologie nicht nur des Rechts, sondern auch des Gebiets beherrschen, in dem dieses angewendet wird. Juristische Übersetzungen stehen im Mittelpunkt der multilingualen Kommunikation, da sie Einzelpersonen, Unternehmen, Gerichts- und Regierungsbehörden ermöglichen, über verschiedene Sprachen und Kulturen hinweg, innerhalb von Staatsgrenzen und über diese hinaus, miteinander zu kommunizieren. Eine juristische Übersetzung erfordert die Kenntnis der Fachterminologie und die Kenntnis der sprachlichen Konventionen, die in den betreffenden Dokumenten verwendet werden.'“[4]
Historische Quellen und Übersetzungen
Rechtshistorisch besonders wichtige Quellen, wie z. B. der Codex Hammurapi und andere, z. B. assyrische und babylonische Texte (Keilschrift-Texte), werden immer wieder übersetzt und die bisherigen Übersetzungen kritisch hinterfragt. Das als Grundlage des kontinentaleuropäischen Rechts wichtige Römische Recht, wurde bereits seit dem Mittelalter mehrfach juristisch interpretiert und ist an manchen Universitäten bis heute eine Disziplin im Rahmen der Ausbildung von Juristen. Insbesondere auf die fachlich korrekte Übersetzung und das Verständnis z. B. des Corpus iuris civilis im Rahmen von Falllösungen bei der Juristenausbildung wird dabei teilweise noch viel Wert gelegt. Übersetzungen und Interpretationen zur römischen Rechtsgeschichte von Theodor Mommsen gelten unter Historikern und Juristen noch heute als herausragend.
Historisch und politisch wichtige Gerichtsverfahren, wie z. B. die Nürnberger Prozesse, führen auch heute noch auch bezüglich der damals vorgenommenen juristischen Übersetzungen in Verbindung mit dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren (fair trial) zu wissenschaftlichen Diskussionen und Publikationen.[5]
Literatur
- Babette Knauer, „Gesellschaftsvertrag deutsch - englisch : die Besonderheiten der englischen und deutschen Rechtssprache und Probleme der juristischen Übersetzung am Beispiel einer Übersetzung eines Gesellschaftsvertrages“, Berlin 2006, Hrsg.: Bundesverb. der Dolmetscher und Übersetzer in der Serie: Schriften des BDÜ 23, ISBN 9783938430170
- Giovanna Borradori, „Übersetzung im Recht“ / „Translation in law“, Münster 2000, Lit-Verlag, ISBN 3-8258-4862-0
- Gerard-René de Groot, Reiner Schulze (Hrsg.) „Recht und Übersetzen“, Baden-Baden 1999, Nomos Verlag, ISBN 3-7890-5831-9
- Renata Kileva-Stamenova, „Die Übersetzung öffentlicher Urkunden im Sprachenpaar Bulgarisch und Deutsch“, Sofija 2011, ISBN 978-954-07-3201-5
- Roland Mittermair, „Übersetzung: Quadratur des Kreises? : die Problematik französisch - deutscher Translation fachsprachlicher Texte der Jurisdiktion exemplifiziert am Vertrag von Maastricht“, Wien 1996, Dipl.-Arb., 1996
- Judith Muráth (Hrsg.), „Interdisziplinäre Aspekte des Übersetzens und Dolmetschens : Interdisciplinary aspects of translation and interpreting“, Fünfkirchen 2005, ISBN 978-3-7069-0387-5
- Mehmet Tahir Öncü, „Die Rechtsübersetzung im Spannungsfeld von Rechtsvergleich und Rechtssprachvergleich“, „zur deutschen und türkischen Strafgesetzgebung“, Berlin 2012, Verlag Frank & Timme, ISBN 978-3-86596-424-3
- Kerstin Nanterre Peglow, „Traduction et explications de textes et de notions juridiques : droit des sociétés et droit civil allemands, droit communautaire = Übersetzung und Erläuterung von juristischen Texten und Begriffen“, Paris 2009, Universität Paris, Serie: Allemand juridique : langues et cultures juridiques et politiques 16
- Paul Ricoeur u. a., „Übersetzung im Recht“, Münster 2000, ISBN 3-8258-4862-0
- Ingrid Simonnæs, „Rechtskommunikation national und international im Spannungsfeld von Hermeneutik, Kognition und Pragmatik“, Berlin 2012, Verlag Frank & Timme, ISBN 978-3-86596-427-4
- Christine Schmidt-König, „Die Problematik der Übersetzung juristischer Terminologie : eine systematische Darstellung am Beispiel der deutschen und französischen Rechtssprache“, Münster 2006, ISBN 3-8258-8784-7
- Peter Sandrini (Hrsg.), „Übersetzen von Rechtstexten - Fachkommunikation im Spannungsfeld zwischen Rechtsordnung und Sprache“, Tübingen 1999, G. Narr Verlag, ISBN 3-8233-5359-4
- Sieglinde Pommer, „Rechtsübersetzung und Rechtsvergleichung : translatologische Fragen zur Interdisziplinarität“, Frankfurt am Main/Wien 2006, Lang Verlag, ISBN 3-631-54849-4
- Radegundis Stolze, „Fachübersetzen - ein Lehrbuch für Theorie und Praxis“, Berlin 2009, Frank & Timme Verlag, ISBN 978-3-86596-257-7
- Walter E. Weisflog, „Rechtsvergleichung und juristische Übersetzung : eine interdisziplinäre Studie“, Zürich 1996, Schulthess Verlag, ISBN 3725535302
- Eva Wiesmann, „Rechtsübersetzung und Hilfsmittel zur Translation“, „wissenschaftliche Grundlagen und computergestützte Umsetzung eines lexikographischen Konzepts“, Mainz 2003, Dissertation, ISBN 3-8233-6107-4
- Giuseppe Zaccharia (Hrsg.), „Übersetzung im Recht“, Münster 2000, Lit Verlag, ISBN 3-8258-4862-0
Weblinks
- VADEMECUM für die Übersetzung juristischer Texte (deutsch) des Europäischen Verbands der Gerichtsdolmetscher (EULITA).
Einzelnachweise
- Vgl. Nr. 14 der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) (Memento des Originals vom 25. März 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Peter Sandrini in "Die Translation zwischen Kultur und Kommunikation: Der Sonderfall Recht", in "Übersetzen von Rechtstexten" S. 14, online.
- VADEMECUM für die Übersetzung juristischer Texte (Memento des Originals vom 21. Juni 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (deutsch) des Europäischen Verbands der Gerichtsdolmetscher (EULITA).
- Zitat aus dem Europäischen Justizportal.
- Siehe z. B.: Patrick Herz, Ein Prozess - vier Sprachen, Übersetzen und Dolmetschen im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 20. November 1945 - 1. Oktober 1946, Frankfurt am Main [u. a.] 2011, Lang Verlag, ISBN 978-3-631-61720-5.