Juraj Pospíšil

Juraj Pospíšil (* 14. Januar 1931 i​n Olmütz; † 20. September 2007 i​n Bratislava) w​ar ein a​us Tschechien gebürtiger slowakischer Komponist, Musikwissenschaftler u​nd Musikpädagoge.

Leben

Im mährischen Olmütz geboren, wuchs Juraj (tschechisch Jiří) Pospíšil in dem kleinen Ort Haňovice[1] auf, besuchte zunächst die Musikschule im nahegelegenen Litovel und 1949/1950 das Städtische Musikinstitut „Žerotín“ in Olmütz (ZUS)[2], ehe er 1950–1952 einen Vorbereitungslehrgang und ein Semester Komposition bei Vilém Petrželka an der Janáček-Akademie für Musik und Darstellende Kunst (JAMU) in Brünn absolvierte. Nach seiner Heirat wechselte er 1952 an die Akademie der Darstellenden Künste, die nunmehrige Hochschule für Musische Künste Bratislava (Vysoká škola múzických umení v Bratislave – VŠMU), wo er Komposition bei Alexander Moyzes und Ján Cikker studierte. Seinen Abschluss machte er mit der sinfonischen Dichtung Hory a ľudia (Berge und Menschen) op. 4. Ab 1955 war er als Lehrer für Musiktheorie und in der Folge Professor für Komposition am Konservatorium Bratislava tätig. Dort unterrichtete er zahlreiche später prominente Künstler und Künstlerinnen in Theoriefächern, darunter die Mezzosopranistin Iveta Žižlavská sowie die Sopranistinnen Gabriela Beňačková und Edita Gruberová. Zu seinen Kompositionsschülerinnen und -schülern gehörten namhafte Persönlichkeiten der nachfolgenden Generation wie etwa Sylvie Bodorová, Vladimír Bokes, Peter Cón[3], Vladimír Godár, Stanislav Hochel[4], Mirko Krajčí[5], Miroslav Kroupa, Peter Martinček[6], Kristián Seidmann und Juraj Tandler.[7] 1966 wurde Pospíšil Assistenzprofessor an der VŠMU, doch wurde ihm dieser Posten nach einigen Jahren aus politischen Gründen wieder entzogen.[8] Anlass war seine kritische Haltung gegenüber führenden Funktionären in der Zeit der sogenannten Normalisierung, die der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968 gefolgt war und durch eine besonders restriktive Vorgangsweise gegenüber all jenen gekennzeichnet war, die sich nicht den Maßnahmen des kommunistischen Systems in der ČSSR fügten. Desgleichen wurde er aus dem Slowakischen Komponistenverband ausgeschlossen. Nach fünf Jahren wurde er wieder aufgenommen. Er nahm zudem seine eigenen Studien wieder auf und absolvierte 1979 an der Comenius-Universität Bratislava sein Doktorat. In späteren Jahren widmete er sich vor allem dem Komponieren, aber auch verschiedenen Aufgaben im Musikbetrieb. So war er etwa stellvertretender Vorsitzender des Komitees der slowakischen Urheberrechtsgesellschaft SOZA.[9]

Obwohl e​r knapp m​ehr als z​wei Jahrzehnte seines Lebens i​n Mähren verbrachte, fällt Jiří Pospíšils gesamtes gültiges Schaffen i​n jene Lebensphase, d​ie er i​n der Slowakei verbrachte, weshalb e​r seit d​er Trennung d​er beiden Länder sowohl v​on den tschechischen a​ls auch d​en slowakischen Musikinstitutionen a​ls slowakischer Künstler geführt wird. Pospíšils Schaffen z​eigt mehrere voneinander abgegrenzte Phasen, i​n denen e​r das Spektrum seiner kompositorischen Ausdrucksmittel jeweils u​m neue Aspekte erweitert. Seine Musik enthält a​us der tschechischen u​nd slowakischen Volksmusik herrührende modale Tonalität s​owie Einflüsse v​on tschechischen Vorbildern w​ie Leoš Janáček, Vítězslav Novák u​nd Bohuslav Martinů, d​ie in d​en Werken b​is etwa 1958 hervorstechen. Es folgte e​ine intensive Auseinandersetzung m​it der Wiener Schule u​nd dem Serialismus Anton Weberns. Prägend w​ar für i​hn auch d​ie Teilnahme a​m Festival Warschauer Herbst 1962, b​ei dem e​r wesentliche Anregungen erhielt, w​obei er generell m​it seinen d​er internationalen Moderne nahestehenden Tendenzen e​ine bewusste Gratwanderung gegenüber d​en vom kommunistischen System i​m Sinn d​es Sozialistischen Realismus gestellten Ansprüchen a​n das aktuelle Kulturschaffen i​n der Slowakei vollzog. Eine Sonderstellung n​immt diesbezüglich s​eine Auseinandersetzung m​it der Elektroakustik ein, d​ie seit d​er Mitte d​er 1960er-Jahre erfolgten Gründung d​es Studios für elektronische Musik i​n Bratislava[10][11] e​ine vergleichsweise f​reie Entwicklung nehmen konnte. Ab d​en 1970er-Jahren w​eist Pospíšils Musik d​ann eine gewisse Hinwendung z​u einer neoromantischen Ausdrucksweise auf, w​ie sie parallel ähnlich e​twa bei Krzysztof Penderecki z​u finden ist. Teilweise anerkannt, fallweise a​us politischen Gründen n​icht zur Publikation zugelassen wurden s​eine musiktheoretischen u​nd pädagogischen Lehrwerke. Neben d​en Unterrichtstexten schrieb e​r auch Artikel u​nd Kritiken für Fachzeitschriften.

Preise und Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1981: Preis der Stadt Piešťany für das Streichquartett Nr. 2 op. 47
  • 1988: Preis des Verbandes slowakischer Komponisten und Konzertkünstler für das Streichquartett Nr. 3 op. 61
  • 2008: Eintrag in das Goldene Buch der slowakischen Urheberrechtsgesellschaft SOZA für das Jahr 2007 (posthum)

Werke (Auswahl)

Oper

  • Inter arma. Drei einaktige Opern op. 27, Text: Juraj Pospíšil (1969/1970)
    • Vzbura (Revolte)
    • Starosti dezertéra (Sorgen des Deserteurs)
    • Stratený nadporučik (Der verschwundene Oberleutnant)
  • Manon Lescaut. Text nach dem gleichnamigen Drama von Vítězslav Nezval (1993)

Gesangsstimme(n), Chor und Orchester

  • Margita a Besná nach der gleichnamigen Ballade von Ján Botto für Sopran, Alt, Bariton, gemischten Chor und Orchester op. 5 (1955)
  • Bratislave nach Texten von Ján Kostra, Štefan Žáry[12] und Ján Poničan[13] für Bariton und Orchester op. 33 (1973)
  • Sinfonie Nr. 4 nach Texten von Stefan Starzyński und Władysław Broniewski für Sprecher, Sopran, gemischten Chor und Orchester „Warschau“ op. 40 (1978)
  • Dna hladin. Zehn Miniaturlieder nach Texten von Alois Volkman[14] für Mezzosopran und Kammerorchester op. 44 (1980)
  • Konzert für Sopran und Orchester op. 56 (1984)
  • Husitský Otčenáš (Hussitisches Vaterunser). Geistliche Kantate nach alttschechischen Texten aus dem 15. Jahrhundert für Mezzosopran, Bass, gemischten Chor, Orgel und Orchester op. 74 (1990)

Orchester

  • Hory a ľudia (Berge und Menschen). Sinfonische Dichtung op. 4 (1954)
  • Sinfonie Nr. 1 op. 7 (1958)
  • Reflexie op. 8 (1958)
  • Pieseň o človeku (Lied vom Menschen) op. 13 (1961)
  • Fünf Miniaturen op. 17 (1963)
  • Sinfonie Nr. 2 op. 19 „Hmlovina v Androméde“ (Andromeda-Nebel) nach dem gleichnamigen Roman von Iwan Jefremow (1963)
  • Sinfonie Nr. 3 op. 25 (1967)
  • Sinfonisches Fresko Nr. 1 op. 32/1 (1975)
  • Sinfonisches Fresko Nr. 2 op. 32/2 (1975)
  • Sinfonisches Fresko Nr. 3 op. 49 (1981)
  • Lyrische Suite op. 52 „Krajinou detstva“ (Durch das Land der Kindheit) (1983)
  • Dramatische Ouvertüre op. 59 (1984)
  • Sinfonie Nr. 5 op. 62 (1986)
  • Sinfonie Nr. 6 op. 82 (1996)
  • Sinfonie Nr. 7 op. 83 „Fin de Siècle“ (1999)

Soloinstrument(e) und Orchester

  • Posaunenkonzert op. 15/3 (1962)
  • Violinkonzert op. 26/2 (1968)
  • Klarinettenkonzert op. 31/1 (1972)
  • Concerto eroico für Horn und Orchester op. 31/2 (1973)
  • Kammersinfonietta für Trompete, Horn, Posaune und Streichorchester op. 35 (1974)
  • Cimbalomkonzert op. 70 (1989)
  • Sonate für Altposaune und Streichorchester op. 75 (1991)
  • Tubakonzert op. 79 (1994, rev. 1995)

Streichorchester

  • V zasnení (Träumend) op. 3 (1953)
  • Sonate op. 14 (1961)
  • Uspávanka (Wiegenlied) (vor 1977)

Ensemble

  • Nonett Nr. 1 op. 11 „Spomienka a výstraha“ (Erinnerung und Warnung) (1960)
  • Nonett Nr. 2 für Bläser, Streicher und Pauken op. 16 (1962)
  • Hudba (Musik) für zwölf Streichinstrumente op. 21 (1965)
  • Trojveršia (Dreiergruppen) für neun Instrumente op. 22/3 (1966)

Kammermusik

  • Hudba (Musik) für Blechbläserquintett op. 15/2 (1962)
  • Glosy (Glossen) für Bläserquintett op. 20/2 (1964)
  • Protirečenia (Widersprüche) für Klarinette und Streichquartett op. 20/4 (1964)
  • Quartett für vier Flöten op. 30/1 (1971)
  • Sonate für Kontrabass und Streichquartett op. 30/2 (1971)
  • Fünf Fragmente für Flöte, Gitarre und Akkordeon op. 36 (1975)
  • Klaviertrio Nr. 1 op. 38 (1977)
  • Concertino für Cembalo und Bläserquintett op. 42 (1979)
  • Sonate für Englischhorn und Streichquartett op. 53 (1983)
  • Trio für Violine, Violoncello und Akkordeon op. 60 (1985)
  • Streichquartett Nr. 3 op. 61 (1985)
  • Melancholische Suite für Oboe, Englischhorn und Fagott op. 63 (1986)
  • Bläsersextett op. 69 (1988)
  • Trio für drei Posaunen op. 73 (1990)
  • Sursum corda! Motto für Streichquartett (1990)
  • Streichquartett Nr. 4 op. 72 (1990)
  • Zimná suita (Winter-Suite) für Blechbläserquintett op. 81 (1996)

Zwei Instrumente

  • Zwei Stücke für Oboe und Klavier o. op. (1952)
  • Sonate für Kontrabass und Klavier op. 20/3 (1964)
  • Villonská balada (Villon-Ballade) für Klarinette und Klavier op. 24 (1966)
  • Rhapsodische Suite für Violoncello und Klavier op. 43 (1979)
  • Fantastische Tänze für zwei Klaviere op. 51 (1981)
  • Drei Duette für zwei Akkordeons op. 65 (1987)
  • Gran duo (quasi una sonata) für Bassklarinette und Klavier op. 71 (1989)

Diverse Instrumente solo

  • Sonatine für Klavier op. 2 (1953)
  • Monologe für Klavier op. 10 (1958)
  • Malé fantázie na husitské motívy (Kleine Fantasien über hussitische Motive) für Orgel op. 12 (1960)
  • Passacaglia und Fuge für Orgel op. 18 (1963)
  • Recitativo ed aria für Akkordeon op. 20/5 (1964)
  • Sonate für Orgel op. 22/1 (1965)
  • Sonate für Violine Nr. 1 op. 22/2 (1965)
  • Suite für Kontrabass op. 26/1 (1967)
  • Sonate für Violine Nr. 2 op. 37 (1976)
  • Fünf Studien für Cembalo op. 41 (1978)
  • Aquarelle für Akkordeon op. 46 (1980)
  • Vier Präludien für Harfe 48 (1981)
  • Suite für Cimbalom op. 66 (1987)

Vokalstimme und Instrument(e)

  • Vier Lieder nach mährischer Volkspoesie für Sopran und Klavier op. 1 (1951)
  • Mikropoviedky (Mikrogeschichten) nach Worten von Laco Zrubec[15] für tiefen Sopran, Flöte, Violine und Violoncello op. 20/1 (1963)
  • Oslnenie (Blendung). Drei Melodramen nach Gedichten von Miroslav Válek[16] für Sprecher und kleines Instrumentalensemble op. 34 (1973)
  • Večer na Ďumbieri. Konzert-Melodram nach einem Gedicht von Milan Rúfus für Sprecher und Klavier op. 34/2 (1975)
  • Dagen svalnar (Der Tag kühlt ab). Canzona in quattro movimenti sulla poesia di Edith Södergran für Mezzosopran, Flöte, Gitarre und Violoncello op. 68 (1988)
  • Stáčení podzimu (Herbstabfüllung) nach Worten von Alois Volkman für Bass und Streichquartett op. 80 (1994)

Chor a cappella

  • Trávnaté steblá (Grashalme) für gemischten Chor (1958)
  • Detská jeseň (Kinderherbst). Vier Chorsätze für vier Kinderchöre op. 23/2 (1967)
  • Vier Etüden für gemischten Chor op. 45 (1980)

Elektroakustik

  • Méditation électronique op. 28 (1970)
  • Suita ad modum tympanorum op. 55 (1983)

Musik zu Dokumentarfilmen

  • V záhrade je nepriateľ (Im Garten ist ein Feind), Regie: Pavel Čalovka[17] (1957)
  • Čo je najrýchlejšie (Was am schnellsten ist), Regie: Pavel Čalovka (1958)
  • Mucha domáca (Stubenfliege), Regie: Pavel Čalovka (1959)

Theoretische Werke

  • Hudobná teória pre konzervatóriá, I. časť (Musiktheorie für Konservatorien, I. Teil). Bratislava 1980 (slowakisch)

Diskographie (Auswahl)

  • Glosy op. 20/2 – Slowakisches Bläserquintett – auf: I. Zeljenka, I. Parík, J. Pospíšil, M. Bázlik, L. Kupkovič, P. Kolman (Supraphon, LP 1966)
  • Recitativo ed aria op. 20/5 – Vladimír Čuchran (Akkordeon) – auf: Stücke slowakischer Komponisten für Akkordeon (Opus, LP 1971)
  • Uspávanka – Sinfonieorchester des Tschechoslowakischen Rundfunks, Dirigent: Ondrej Lenárd – auf: Od kolísky (Opus, LP 1977)
  • Villonská balada op. 24 – Peter Drlička (Klarinette), Alena Ulická (Klavier) – auf: Chamber Music 1(Slowakischer Musikfonds, CD 1993)
  • Sonate op. 22/2 – Milan Paľa (Violine) – auf: Violin Solo 5. Milan Paľa (Pavlik Records, CD 2013)
  • Suite ad modum tympanorum op. 55 – Experimentalstudio Bratislava, Peter Janík, Ján Backstuber – auf: Experimental Studio Bratislava Series 2 (VŠMU, CD 2016)
  • Concertino op. 42 – Ensemble Ricercata – auf: Ensemble Ricercta (Slowakischer Musikfonds, CD 2016)
  • Trojveršia op. 22/3 – EnsembleSpectrum, Dirigent: Matej Sloboda – auf: EnsembleSpectrum. Avant-gare of the ‘60s (Slowakischer Musikfonds, CD 2021)[18]

Einzelnachweise

  1. Josef Pospíšil: Slovenský hudební skladatel a pedagog z Haňovic (Ein slowakischer Komponist und Pädagoge aus Haňovic), in: Litovelské noviny 3/2012, S. 9 (tschechisch)
  2. Website der nunmehrigen Kunstgrundschule „Žerotín“ in Olomouc (tschechisch)
  3. Peter Cón in der Datenbank des Slowakischen Musikzentrums (englisch/slowakisch)
  4. Stanislav Hochel in der Datenbank des Slowakischen Musikzentrums (englisch/slowakisch)
  5. Website Mirko Krajčí
  6. Peter Martinček van Grob in der Datenbank des Slowakischen Musikzentrums (englisch/slowakisch)
  7. Juraj Tandler in der Datenbank des Slowakischen Musikzentrums (englisch/slowakisch)
  8. vgl. Hana Kaštanová: Sondy do hudebního života na Litovelsku (Sonden in das Musikleben von Litovel), phil. Diss., Universität Olmütz 2012, S. 92f. (tschechisch)
  9. Website der SOZA (englisch/slowakisch)
  10. Elektroakustik in der Slowakei auf https://monoskop.org
  11. vgl. Alena Čierna: Electroacoustic Music and the Slovak Musical Avant-garde in the 1960s. Journal of Interdisciplinary Research, Universität Nitra (2021)
  12. Štefan Žáry auf www.litcentrum.sk (englisch/slowakisch)
  13. Ján Poničan auf www.litcentrum.sk (slowakisch)
  14. Alois Volkman auf www.databazeknih.cz (tschechisch)
  15. Laco Zrubec auf www.litcentrum.sk (slowakisch)
  16. Miroslav Válek auf www.litcentrum.sk (englisch/slowakisch)
  17. Pavel Čalovka – Filmographie auf www.fdb.cz (tschechisch)
  18. Juraj Pospíšil in der CD-Reihe des Slowakischen Musikfonds
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