Julius Döpfner und das Zweite Vatikanische Konzil
Der Artikel Julius Döpfner und das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt die Rolle des Kardinals Julius Döpfner beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965).
„Consilia et Vota“
Am 25. Januar 1959 kündigte Papst Johannes XXIII. die Durchführung eines Konzils an. Kirchenhistoriker Klaus Wittstadt stimmt mit Karl Forster darin überein, dass Döpfner einen großen Anteil an Verlauf und Inhalt des Konzils hatte.[1] Papst Johannes XXIII. berief am 17. Mai 1959 eine Vor-Vorbereitungskommission ein, um Vorschläge von diversen katholischen Instanzen einzuholen. Döpfners Antwort Consilia et Vota (lat.: Ratschläge und Empfehlungen) vom 6. November 1959 gehört laut Wittstadt „zu den umfangreichsten, am besten vorbereiteten und theologisch reifsten“ Vorschlägen.[2]
Für Consilia et Vota gaben die Theologen Hans Urs von Balthasar, Otto Karrer, Pater Paul Mianecki SJ und Herbert Roth SJ unterstützende Gutachten ab.[3] Hans Urs von Balthasar sah u. a. in der Ökumene das zentrale Anliegen des Konzils, sprach u. a. sich dafür aus, das Erste Vatikanische Konzil mit einer Klärung des Verständnisses von Kirche beispielsweise in Bezug auf eine Dezentralisierung der Kurie abzuschließen.[4] Otto Karrer sprach Themen an wie das Vermeiden einer Autokratisierung durch Ex cathedra-Dogmatisierungen zu oder das Verhältnis der Katholiken zum Protestantismus.[5] Paul Mianecki SJ machte organisatorische Vorschläge wie zum Beispiel die Installation von Nationensprechern[6]. Herbert Roth SJ legte den Schwerpunkt auf die Stellung der Bischöfe, der Laien, der nichtkatholischen Christen, der ungetauften Kinder sowie die Frage nach einer Unionsmöglichkeit der Christenheit und weist damit Überschneidungen mit Döpfners Notizen[7] auf.[8]
Grundlegende Anliegen von Döpfners Consilia et Vota waren eine Konzentration auf das Wesentliche und die Klärung von Grundfragen, eine zeitgemäße Dogmenentwicklung und Gestaltung des Kirchenrechts, die Frage nach dem Menschen, die Situation der Laien und die Ökumene.[9][10] Das Konzil sollte u. a. das christliche Volk sittlich erneuern und die kirchliche Disziplin den Anforderungen der Zeit anpassen. Die Vorlage enthält bereits die bestimmenden Inhalte des Konzils.
„Consilia et vota“ sollte die erforderlichen Mittel für die aktuellen Anpassung der kirchlichen Lehraussagen darlegen.[11] Es sollte verstärkt darauf eingegangen werden, warum Welt und Menschen sich von der Religion abwenden. Als Ziel beschrieb Döpfner eine Verkündigung der Menschenwürde durch die Kirche und eine Magna Charta der Menschenrechte. Die deutschen Bischöfe übernahmen einige von Döpfners Ideen in ihre allgemeine Stellungnahme vom 27. April 1960.[12]
Basierend auf den Consilia et Vota fand im Frühjahr 1960 ein Votum der Bischöfe in Berlin statt.[13] Das Netzwerk an Kontakten, das Döpfner in dieser Zeit aufbaute, sollte sich für das Konzil als entscheidend erweisen. Der Mainzer Bischof Albert Stohr wurde für dogmatische Fragen und der Trierer Bischof Matthias Wehr für disziplinarische Fragen bestimmt.
In der Vorlage von Bischof Stohr[14] (unter wesentlicher Mitwirkung des Münsteraner Dogmatikprofessors Herman Volk[15]) ging es um das Wesen der Kirche allgemein, wichtige Einzelaspekte wie zum Beispiel die Rolle der Bischöfe sowie – zwecks Miteinbeziehung der Gemeinde – den Vorzug der jeweiligen Muttersprache vor dem Lateinischen im Gottesdienst vor. Stohrs Votum fand Döpfners volle Zustimmung.[16]
In den bischöflichen Anmerkungen der unter Bischof Wehr erstellten Vorlage De disciplina[17], findet sich auch ein Schreiben Döpfners, in dem dieser auf die Punkte wie Kalenderreform bezüglich des Osterfestes und Hinwendung des Pfarrers zur Gemeinde während des Gottesdienstes eingeht.
Am Ende des Bischofsvotums beschäftigte Döpfner sich im Hinblick auf das bevorstehende Gesamtdeutsche Votum mit der Bedeutung eines christlichen Menschenbildes in einer von Materialismus und Glaubensverlust geprägten Zeit.[18]
Die zentrale Vorbereitungskommission
Im Motu proprio „Superno Dei“[19][20] von Pfingsten 1960 setzte Papst Johannes XXIII. die eigentlichen Vorbereitungsgremien fest, die Vorschläge von klerikalen Stellen aus aller Welt sammeln sollten. Döpfner wurde hierbei am 24. Dezember 1960 nach Fürsprache durch Nuntius Corrado Bafile an Pericle Felici, den Generalsekretär der Konzilsarbeiten[21], in die zentrale Vorbereitungskommission berufen.[22] Nuntius Bafile betonte, Döpfner könne seine Erfahrungen mit der Situation der Kirche unter kommunistischer Herrschaft einbringen und könne zudem von seinem Wohnsitz in Westberlin aus problemlos nach Rom reisen.
In seiner letzten Sitzung als BOK-Präsident am 12. und 13. Juli 1961 informierte Döpfner über die Konzilsvorbereitungen. So sollte das Konzil offene antikommunistische Angriffe vermeiden (sich aber gleichwohl mit dem Kommunismus beschäftigen), ein positives katholisches Menschenbild vermitteln und ein Signal auch an nicht-christliche Menschen aussenden.[23] Bei einer Audienz bei Papst Johannes XXIII. am 24. Januar 1961 erreichte Döpfner die Teilnahme des umstrittenen Theologen Karl Rahner SJ.[24]
Die deutschen Vertreter in der Zentralen Vorbereitungskommission waren neben Döpfner die Kardinäle Joseph Frings, Alfred Bengsch sowie Augustin Bea. Für die erste Sitzungsperiode wählte Döpfner Joseph Pascher als seinen theologischen Berater.
Döpfners Konzilssekretär wurde Gerhard Gruber.[25] Wie Gruber später sagte, hat er von Döpfner nie erfahren, warum dieser ihn als Konzilssekretär auswählte. Seiner Meinung nach muss Döpfner seine Entscheidung nach einer Fortbildungsveranstaltung im September 1961 getroffen haben, als Gruber als Präses der Marienanstalt – zu seiner Überraschung erfolgreich – um einen Besprechungstermin bat, um auf ein Problem hinzuweisen. Für Gruber als Konzilssekretär sprachen mehrere Faktoren; so hatte er u. a. ebenfalls am Germanicum studiert, kannte daher Rom und sprach Italienisch.
Bis zum Frühsommer 1961 erarbeiteten Vorbereitungskommissionen Schemata aus den aus aller Welt gesammelten Vorschlägen von Bischöfen, Ordensoberen und Katholischen Universitäten. Diese Schemata wurden in der zentralen Vorbereitungskommission erörtert, die im Nachhinein als „Konzil im Kleinen“[26][27] beziehungsweise „Konzil vor dem Konzil“[28] gilt. Laut den Gutachten in den Acta et Documenta ergriff Döpfner während dieser zentralen Vorbereitungskommission über 30 mal das Wort (im Folgenden sollen einige dieser Wortmeldungen dargestellt werden).[29]
Erste Sitzungsperiode (12. bis 20. Juni 1961)
Döpfners erste Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Konzil war – auf Grundlage eines Antwortkatalogs des Paderborner Erzbischofs Lorenz Jaeger[30] – die Beantwortung von sieben durch Generalsekretär Pericle Felici im Namen des Papstes vorgelegte Fragen zum Inhalt der Geschäftsordnung des Konzils.[31] Döpfner betonte, teilweise über Jaegers Vorlage hinausgehend, die Bedeutung der Exegese und der Laien.
Zweite Sitzungsperiode (7. bis 17. November 1961)
In der zweiten Sitzungsperiode sprach sich Döpfner für die Zulassung von nichtkatholischen Konzilsbeobachtern aus.[32] Ferner übte er auf Grundlage eines Gutachtens des Dogmatikers Michael Schmaus Kritik an der auf dem Trienter Glaubensbekenntnis von 1564 basierenden Professio fidei und erarbeitete Verbesserungsvorschläge.
Bei der Diskussion am 10. November 1961 über eine Textvorlage von Kardinal Alfredo Ottaviani über die Quellen der Offenbarung (De fontibus relevagtionis) sprach sich Döpfner – erneut basierend auf einem Gutachten von Schmaus –, dafür aus, die Heilige Schrift und insbesondere die Exegese als Quelle der Offenbarung nicht zu vernachlässigen.[33] Die sich schon bei den vorherigen Themen abzeichnende Opposition Ottavianis zeigte sich bei der Abstimmung zwischen Ottavianis und Beas Standpunkt zu den Quellen der Offenbarung erneut.
Gegen Ende der zweiten Sitzungsperiode sorgte Döpfner sich »über den Geist und die Arbeitsweise der theologischen Kommissionen«[34] und befürchtete, »dass die Linie des Positiven, Weckenden, die Rücksicht auf die Außenstehenden, zumal die Christen, in dieser Kommission zu wenig beachtet wird«[35].
Dritte Sitzungsperiode
In der dritten Sitzungsperiode äußerte sich Döpfner kritisch und ausführlich über das Schema De ordine morali über die Moral[36]. In Bezug auf das Schema De sacramento ordinis trat er auf Grundlage eines Gutachtens von Klaus Mörsdorf für den ständigen und verheirateten Diakonat ein.[37]
Besonders entschieden sprach Döpfner sich gegen das Schema De deposito fidei über die Bewahrung des Glaubensgutes aus.[38] Döpfner konnte sich dabei auf insgesamt drei Gutachten von Schmaus und Gruber stützen. Mit einer Auffrischung des Antimodernismus wandte sich das Schema gegen die Reformabsichten von Papst Johannes XXIII. sowie der ihm folgenden Konzilsväter. Sie war im Gegensatz zu den Einzelthemen anderer Schemata als Synthese von Themen und Problemen rund um die Gottesfrage, die Offenbarung, die moderne Philosophie sowie Naturwissenschaft gedacht und sollte ferner gemeinsam mit der überarbeiteten Professio gegen alle Angriffe von innen und außen schützen. Döpfner verlangte eine letzte Überarbeitung des Schemas.
Zwischen Januar und März 1962 suchte Döpfner für das Konzil nach einem Konzilstheologen.[39] Sein Favorit hierfür war Karl Rahner. Dieser wiederum wurde Berater von Kardinal Franz König und empfahl Alternativkandidaten Heinrich Fries; Joseph Pascher wiederum Fries und Schmaus. Diverse Gründe, zum Beispiel unterschiedliche Schwerpunkte der einzelnen Theologen, veranlassten Döpfner, einem Ratschlag von Pascher gemäß ein Netzwerk an Konzilstheologen aufzubauen.
Im Gegensatz zu De deposito fidei unterstützte Döpfner das Liturgieschema De liturgia, nachdem Papst Pius XII. unter anderem bereits im Jahr 1947 mit seiner Enzyklika Mediator Dei die Liturgische Bewegung befürwortet hatte.[40] Döpfner zufolge war De liturgia von den bisherigen Schemata das beste.[41] Döpfner plädierte dafür, im Theologiestudium die lateinische, in der Liturgie dagegen die jeweilige Muttersprache zu fördern.
Kritisch ging Döpfner auf das Kirchenschema De ecclesia ein, in dem es in Bezug auf die Enzyklika Mystici Corporis von Papst Pius XII. um das Wesen der Kirche ging.[42] Entgegen seiner Bedeutung für das gesamte Konzil wurden die ersten Teile des Schemas erst in der vorletzten Sitzungsperiode der Zentralkommission im Mai 1962 diskutiert, was entsprechenden Unmut hervorrief.
Das Konzil
Erste Sitzungsperiode
Am 11. Oktober 1962 wurde das zweite Vatikanische Konzil eröffnet. Wie Klaus Wittstadt beschreibt, bildeten sich zwei bis ins bestehende Konzil Gruppen, von denen sich die eine der Kurie verpflichtet sah und die andere pastoral geprägt war.[43] Papst Johannes XXIII. selbst vertrat in einer Radioansprache vom 11. September 1962[44] sowie in seiner Konzileröffnungsrede Gaudet Mater Ecclesia vom 11. Oktober 1962 Döpfners Position.
Zu Beginn der ersten Sitzungsperiode wurde in der Generalkongregation vom 22. Oktober 1962 das Liturgieschema besprochen.[45] Als Döpfner am 21. Oktober 1962 feststellte, dass der Text des an die Konzilsväter verteilten Liturgieschemas manipuliert war[46], bestand er auf seiner Forderung nach dem authentischen Text, was ihm den Spitznamen „Der Panzerkardinal“ einbrachte.[47][48] Am 15. Oktober hatten sich im Präsidialrat vier von neun Stimmen gegen das Schema ausgesprochen. Eine Gruppe von deutschen, Holländischen und französischen Bischöfen unter Joseph Pascher wollte Änderungen am Liturgieschema vornehmen und beschloss, Döpfner als Debattenredner für eine Intervention zu gewinnen; Pascher fügte sogleich einen lateinischen Formulierungsvorschlag für das Liturgieschema bei. In Zusammenarbeit mit Gruber entwarf Döpfner zwei Rede-Entwürfe[49] und ein definitives Skript als Handexemplar.[50] Döpfner brachte mit der Bedeutung der Laien eines der ihm wichtigen Anliegen in seine Intervention zum Liturgieschema ein. Döpfners Bearbeitungen, die er argumentativ und inhaltlich auf Pascher aufbaute, beinhalteten u. a. die Punkte Kompetenz der Bischöfe und Bischofskonferenzen bei der Umsetzung liturgischer Reformmaßnahmen wie der Verwendung der Volkssprache, die einfachere Möglichkeit der Konzelebration sowie eine ausführliche Reform des Stundengebets. Döpfner trug am 22. Oktober sowie am 9. November 1962 jeweils eine Intervention zum Liturgieschema vor.
Bereits in dieser Anfangsphase bemühte sich Döpfner in Zusammenarbeit mit dem Kirchenhistoriker Hubert Jedin um Änderungen in der Geschäftsordnung für einen strafferen Konzilsverlauf.[51] So sollte es beispielsweise möglich sein, bei Bedarf auch eine gänzlich neue Textvorlage einzubringen oder, bevor eine Diskussion allzu sehr ausuferte, diese rechtzeitig zu beenden.
Kontroverser als das Liturgieschema wurde das bereits in der zentralen Vorbereitungskommission umstrittene Offenbarungsschema De fontibus relevationis diskutiert.[52] Joseph Ratzinger und Karl Rahner hatten empfohlen, es zu verwerfen, und wurden mit einem neuen Entwurf beauftragt. Döpfner selbst verlegte zu diesem Zeitpunkt seinen Fokus darauf, die Theologische Kommission (und damit auch Ottaviani) für ihre Ignoranz gegenüber den Änderungswünschen im Zusammenhang mit dem Schema zu kritisieren. Erfolgreich wies er daraufhin, dass es im Falle eines unausgegorenen Schemas besser sei, dieses abzulehnen und mit einem neuen Ausgangspunkt ein konsensfähiges Ergebnis zu erzielen. Nach einigen Verwirrungen brachte die Abstimmung am 20. November 1962 keine Zweidrittelmehrheit für einen Abbruch des Schemas, so dass Papst Johannes XXIII. eine gemischte Kommission unter der Leitung der Kardinäle Bea und Ottaviani mit einer Neufassung des Schemas beauftragte.
Döpfner nutzte die Entspannungsphase der folgenden, vergleichsweise einfachen Schema-Debatten, um die Konzilsarbeiten zu verbessern sowie die Geschäftsordnung zu modifizieren; so sollte nun auch ein Abbruch der Generaldebatte möglich sein, der Stoff reduziert sowie eine Koordinierungsgremium für die Intersessio eingerichtet werden.[53]
Das unter hastigen Umständen zustande gekommene Kirchenschema De ecclesia wurde von Döpfner scharf kritisiert.[54] Bereits in der Zusammenfassung vom 28. November 1962 für die Anmeldung einer Rede zum Kirchenschema kritisierte er dessen wenig organisierte Struktur. Auch Michael Schmaus hielt in seinen Gutachten zum Kirchenschema dieses für »schwer heilbar«[55]; es sei unter anderem zu juridisch, nicht ökumenisch ausgerichtet sowie auch nicht entsprechend mit dem aktuellen Stand von Dogmatik und Exegese. Die Stellungnahme von Michael Schmaus zeigt große inhaltliche Übereinstimmungen mit der Stellungnahme Rahners. Dementsprechend betonte Döpfner bei seiner Intervention in der 32. Generalkongregation am 3. Dezember 1962 die grundsätzliche Bedeutung des Schemas, wies aber gleichzeitig auf die Schwächen des Textes hin. Der Intervention Döpfners folgten in der Debatte um De ecclesia die Interventionen weiterer Kardinäle wie Montini, Lercaro und Suenens, die sich inhaltlich gegenseitig ergänzten. Der Zeitplan ergab es, dass nach Lercaros Rede die Einrichtung einer Koordinierungskommission verkündet wurde.
Die Koordinierungskommission in der Intersessio
Mit der Anpassung der Geschäftsordnung und der Einrichtung der Koordinierungskommission entsprach Papst Johannes XXIII. den Anliegen vieler Konzilsväter. Stephan Mokry spricht in diesen beiden Punkten Döpfner einen großen Einfluss zu.[56] Ebenso stimmt Mokry mit Kirchenhistoriker Giuseppe Alberigo darin überein, dass die Koordinierungskommission dem Zweck diente, den Einfluss der Kurie – und insbesondere Ottavianis – zu zähmen.[57][58] Als Mitglied der Koordinierungskommission war Döpfner für die beiden das Bischofsamt betreffenden Dokumente De episcopis et dioeceseon regimine und De cura animarum sowie für das Ordensschema De religiosis zuständig. In seinem Dankesschreiben an Papst Johannes XXIII. für die Einrichtung der Kommission machte er auch einige Bemerkungen über die Zukunft des Konzils. So riet er beispielsweise von einer zu langen Dauer des Konzils und damit einer zu langen Trennung der Ortsbischöfe von ihren Kirchen ab; weniger wichtige Themen könne man nachkonziliaren Kommissionen überlassen.
Kardinalstaatssekretär Amleto Giovanni Cicognani gab der Koordinierungskommission bewusst den Arbeitsauftrag, keine neuen Texte zu entwerfen, sondern bestehende zu verbessern oder bei Bedarf zu verwerfen. Im Hinblick auf die nachkonziliare Arbeit war es Döpfners Bestreben, seine Überzeugungen und Grundaussagen in den Konzilstexten zu fixieren, um – da eine weitere Beinahekatastrophe wie beim Offenbarungsschema nicht völlig auszuschließen war – das bisher Erreichte nach Möglichkeit zu bewahren. Gleichzeitig wäre der Einfluss der Kurie bei Ausarbeitung der Texte durch vom Konzil autorisierte Kommissionen gedämmt.
Die Koordinierungskommission widmete sich schließlich der Arbeit am Ordensschema, dem Offenbarungsschema (das von „De fontibus relevationis“ in „De relevatione divina“ umbenannt wurde), dem Schema „De deposito fidei“ (das überarbeitet und als Steinbruch für andere Texte verwendet werden sollte) und dem Schema über Keuschheit, Jungfräulichkeit, Ehe und Familie (für das Verbesserungsvorschläge von Francis Spellman eingearbeitet wurden) und dem Kirchenschema (bei dem Döpfner sich erst spät in die erwartungsgemäß lebhafte Diskussion einschaltete). Beim Kirchenschema zeigte sich, dass Döpfner und Suenens einer Meinung waren.
Am vierten Sitzungstag am 24. Januar 1963[59] empfing Papst Johannes XXIII. Döpfner und Suenens zu Kardinalsaudienzen und bezeichnete beide als wichtige und starke Säulen der Kirche[60] Döpfner trat für ein Konzilsende im Januar 1963, einen Beginn mit dem Kirchenschema und die Entfaltung der Lehre vom Bischofsamt sowie die Möglichkeit, ein Schema komplett abzulehnen, ein. Ferner sprach Döpfner die Themen des ständig verheirateten Diakonats, der Mischehen und das Zölibat. Er warnte vor einer „rigorosen Behandlung“[61] durch das Konzil.
Auf der Koordinierungskommission selbst schlug Döpfner an diesem Tag unter anderem die Ergänzung des Schemas „De ecclesia“ um ein Marienkapitel vor. Auch bei der Diskussion um das Klerikerschema wandte Döpfner sich gegen eine allzu ausschweifende und zeitintensive Ausarbeitung.
In seinem ersten Auftritt als Relator am fünften Sitzungstag (25. Januar 1963)[62] trat Döpfner erneut für eine nachkonziliare Erarbeitung von Exhortationen, Instruktionen oder Direktarien ein. Dabei setzte er sich jedoch gleichzeitig für die Konzilsautorität ein, um der Kurie nicht zu viel Deutungshoheit zu überlassen. Diskutiert wurde über das Schema De statibus perfectionis adquirendae.
Am sechsten Sitzungstag am 26. Januar 1963[63] traf Döpfner sich mit seinem Gegner Ottaviani und konnte einen wichtigen Teilerfolg bei der Frage der Einführung des ständig verheirateten Diakonats erreichen. In seiner Funktion als Relator betreute Döpfner das Ordensschema sowie die Schemen „De episcopis“ und „De cura animarum“.
Am 27. Januar 1963, dem siebten und letzten Tag der Kommission[64], stellte Döpfner die Fassung „De episcopis“ mit Abschnitten über die Beziehung der Bischöfe zur Kurie, über die Weihbischöfe und Koadjutoren, über den Rücktritt eines Bischofs und über die Bischofskonferenzen sowie das Schema „De cura animarum“ vor.
Nach der ersten Sitzungsperiode der Koordinierungskommission wurden Döpfners Bischofsschemata von einer Rumpfkommission der Mitglieder aus Rom und Umgebung unter Präsident Paolo Marella bearbeitet, wo sie auf Marellas Widerstand stießen. Döpfner gab daraufhin am 22. Februar 1963 weitere Verbesserungsvorschläge. In der zweiten Sitzungsperiode lobte Döpfner zahlreiche Verbesserungen an den Schemata durch die Rumpfkommission und leitete letzte Überarbeitungen.
Der „Döpfnerplan“
Am 3. Juni 1963 starb Papst Johannes XXIII. Döpfner teilte die Befürchtungen des melkitischen Patriarchen Maximos IV. Sayegh, die Kurie könnte die Papstwahl zu ihren Gunsten beeinflussen wollen. Dem Patriarchen zufolge wären Lercaro oder Montini die geeigneten Kandidaten, um das Konzil im Sinne des verstorbenen Papstes weiterzuführen.[65] Kardinal Giovanni Battista Montini wurde im Konklave 1963, zu dessen Teilnehmern Kardinal Döpfner gehörte, als Papst Paul VI. zum neuen Papst gewählt. Noch am Tag seiner Krönung am 30. Juni 1963 beauftragte Paul VI. Döpfner in einer Privataudienz mit einem Gutachten über die Weiterarbeit des Konzils.
In diesem später als Döpfnerplan[66][67] bekannt gewordenen Gutachten begrüßte Döpfner die Fortführung der Linie des verstorbenen Johannes XXIII durch den neuen Papst. Weiterhin betonte Döpfner die Bedeutung einer festen und klaren Kirchenführung unter anderem auch im Hinblick auf den Kommunismus.[68] Zudem ging Döpfner beispielsweise auf die Kontinuität des Konzils, die Erneuerung der Kirche und die Ökumene ein. Da die Welt immer mehr zusammenwächst, sollten Fragen behandelt werden, die alle Völker betreffen. Döpfner drückte den Wunsch aus, Paul VI. möge die zurückhaltende Linie seines Vorgängers fortsetzen. Sollte der Papst eingreifen müssen, möge er dies in enger Verbindung mit dem Bischofskollegium tun. Es folgten organisatorische Vorschläge für einen besseren und strafferen Konzilsablauf.[68][68] Ferner wünschte er auch die Berufung sachkundige Laien als Periti zum Konzil.
Auch wenn nicht alle Details des Döpfnerplans umgesetzt werden konnten, waren Döpfners Vorschläge von enormer Bedeutung. Seinem Konzilsplan legte Döpfner am 19. Juli 1963 seine Überlegungen zur Papstkrönung dar.[69] Für die Krönungsfeier empfahl er Änderungen bei Formulierungen wie „Vater der Könige und Fürsten“ oder „Lenker der Welt“, die seiner Meinung nach ins hohe Mittelalter hineinversetzten. Auch empfahl er einen Verzicht auf die Tiara. Möglicherweise war es Döpfners Einfluss, als Paul VI. die Tiara verkaufte und den Erlös unter den Armen verteilen ließ.[70]
Döpfner als Moderator des Konzils
Im Jahr 1963 wurde Döpfner von Papst Paul VI. neben den Kardinälen Krikor Bedros XV. Agagianian, Giacomo Lercaro und Léon-Joseph Suenens zum Moderator des Konzils bestellt.[68] Neben der rein organisatorischen Leitung des Konzils hatten die vier Kardinäle eine führende Funktion beim theologischen und geistigen Inhalt des Konzils inne. In den 36 von Döpfner moderierten Generalkongregationen setzte Döpfner konsequent seine Forderung nach einer straffen Ausführung des Konzils durch.[71] In seinen eigenen Aufzeichnungen zum Konzil sah Döpfner am 30. September 1963 seinen Kurs in der inhaltlichen Position von Paul VI. bestätigt.[72] Dieser hatte am Tag zuvor in seiner Eröffnungsansprache die Hauptaufgaben des Konzils erläutert. Dementsprechend sollte die zweite Sitzungsrunde Aspekte wie die Erneuerung der Kirche und das Verhältnis zu Nichtkatholiken behandeln.[73] Diese Entwicklung setzte sich auch im weiteren Verlauf fort.
Zweite Sitzungsperiode
Nach der Wahl von Paul VI. wurde das Konzil mit der Diskussion über das nach dem Gutachten von Jedin und Hirschmann überarbeiteten Kirchenschema De ecclesia fortgesetzt.[74] Die meisten von Döpfners Änderungswünschen an dem Schema waren inzwischen umgesetzt. Döpfner wandte sich an dieser Stelle nun dem Thema Bischöfe und Weiheamt sowie dem Thema Diakonat zu.
In der 52. Generalkongregation vom 7. Oktober 1963 griff er das schon in der zentralen Vorbereitungskommission von ihm angesprochene Thema des ständigen verheirateten Diakonats auf, das er aus Gründen des Priestermangels für erforderlich hielt.[75] Die Grundlage bildete ein Gutachten von Karl Rahner, der bereits im Jahr 1962 eine vielfach beachtete Publikation zum Thema veröffentlicht hatte. Für Rahner hatte das Diakonat genauso sakramentalen Charakter wie die Bischofsweihe und war genauso wenig lediglich Durchgangsstation zur Bischofsweihe wie die Priesterweihe. Den Zölibat sah Rahner durch das Diakonat nicht gefährdet, wobei letzteres kein gleichwertiger Ersatz für das Priestertum werden dürfe. Nach einigen Korrekturen übernahm Döpfner dessen Argumentation für seine Intervention am 7. Oktober 1963. Ausschlaggebend für Döpfners Haltung zum Thema war das Beispiel seines Studienfreundes Angermaier, dem wegen seiner Heirat trotz Eignung die Priesterlaufbahn versperrt war.
Am 30. Oktober 1963 sprach Döpfner über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit und die Ordensleute (beides Thema des vierten Kapitels von „De ecclesiae“).[76] In zwei Entwurfsschritten erarbeitete Friedrich Wulf SJ ein Gutachten für Döpfners Intervention zu diesem Thema und damit auch zum Thema der drei evangelischen Räte Armut, Keuschheit und Gehorsam.[77] Wichtige Punkte dieser Intervention waren, dass die evangelischen Räte über den asketischen Aspekt hinaus auch soteriologische, ekklesiologische und eschatologische Bedeutung hatten und das die Ordensleute innerhalb des Kirchengeschehens keinen separaten Teil scheinbar ohne Verbindung zum Mystischen Leib bilden sollten.[78]
Bei der Diskussion des Bischofsschemas De episcopis im Oktober und November 1963 regten sich Zweifel in der Berechtigung des Ranges des Weihbischofs.[79] Bei seiner entsprechenden Intervention am 11. November 1963 – zu der keine schriftlichen Vorarbeiten in Döpfners Nachlass existieren, was in dem zusätzlichen Arbeitsaufwand durch sein Moderatorenamt begründet sein könnte – stellte er zunächst fest, dass eine Ortskirche nur einen einzigen Hirten haben könne, schloss aber Titularbischöfe ohne eigene Herde nicht aus. Er schlug vor, Weihbischöfe beispielsweise mit der Klerusausbildung, dem Personalwesen und dem Seelsorgeamt zu betrauen. Beispielsweise durch den Einsatz des Weihbischofs als Generalvikar könne ein Status als „Neben-Bischof“ verhindert werden.
Dies war in der zweiten Sitzungsperiode Döpfners letzte Wortmeldung, obwohl das Schema De oecumenismo unter anderem über das Verhältnis zum Judentum und zur Religionsfreiheit weiteres Konfliktpotential beinhaltete. Auch dies könnte in Döfpners Beanspruchung durch sein Moderatorenamt begründet liegen.
Dritte Sitzungsperiode
Zu Beginn der dritten Sitzungsperiode im September 1964 stand mit der möglichen Ergänzung eines Marienkapitels zum Kirchenschema ein brisantes Thema an.[80] Zahlreiche konservative Konzilsväter befürworteten eine Darstellung Mariens als Heilsmittlerin oder Erlöserin. Eine Abstimmung über die Ergänzung eines Marienkapitels endete unentschieden. Durch einen Aufruf von Kardinal Josef Frings bildete sich eine Mehrheit für eine Ergänzung, was im Sinne Döpfners war. Karl Rahner entwickelte hierauf einen Entwurf, der von Gruber durchgesehen wurde. Dem Entwurf zufolge solle erstens die Rolle Mariens mehr vom mystischen Leib her betrachtet werden, zweitens vom ökumenischen Standpunkt her die Heilige Schrift deutlicher berücksichtigt werden, drittens im Abschnitt über das Alte Testament das biblische Bild von derJungfrau Israel angewandt werden, viertens die Marginalisierung der Fleischwerdung Mariens und Christi vermieden werden sowie fünftens Maria als Glaubende wie auch als Pilgernde angesehen werden. In der 81. Generalkongregation am 16. September 1964 hielt sich Döpfner mit lediglich zwei Abweichungen an Rahners Entwurf.
In der Neuaufnahme der Diskussion um das Offenbarungsschema kam Ratzinger zu dem Schluss, dass auf Grund des Offenbarungsverständnisses im Schema die Frage, ob die Heilige Schrift alles für das Heil Notwendige beinhalte, überholt sei.[81] Die deutschen und die skandinavischen Bischöfe betrauten Döpfner mit einer Wortmeldung zum Schema. Gemäß den Periti wies es im Vergleich zum vorherigen Schema Verbesserungen und war daher zustimmungswürdig. In der 91. Generalkongregation am 30. September 1964 lobte Döpfner das Schema, welches das Wesen der Offenbarung nun deutlicher ausführte. In seiner Wortmeldung kündigte er an, weitere Verbesserungsvorschläge schriftlich nachreichen zu wollen.
Besonders am Herzen lag Döpfner die Arbeit an der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“, die das Verhältnis der Kirche zur Welt behandelte.[82][83] Döpfner betonte in dem Schema die Bedeutung des Dialoges der Kirche mit der Welt; die Kirche habe, so Döpfner, Symbolcharakter auch für Bereiche des Lebens, die nicht direkt mit der Kirche zu tun haben. Die Pastoralkonstitution öffne die Türen für einen fruchtbaren Dialog, da sie sich mit den aktuellen Problemen der Menschen befasse. „Gaudium et spes“ kam erst jetzt in der dritten Sitzungsperiode als Schema XIII zur Sprache und beruhte auf einem Plan von Suenens vom Sommer 1962. Die deutschen Bischöfe entwarfen ihre Vorschläge unter Mitwirkung von Professor Johannes Hirschmann. Im daraus entwickelten Entwurf Grubers setzte Döpfner weitere Akzente. Für einen Erfolg des guten Ansatzes der Vorlage bat Döpfner in der 105. Generalkongregation am 20. Oktober 1964 um mehr Erarbeitungszeit.
Döpfners nächste Intervention betraf das Ordensschema.[84] Nachdem ihm der bisherige Entwurf unter anderem zu juridisch war, trat er – basierend auf einem Entwurf von Wulf – in seiner Intervention für eine Erneuerung des spirituellen Lebens und eine Berücksichtigung der modernen Zeitumstände ein und sprach die Verwirklichung des Armutsgelübdes an. Die Orden sollten sich nicht vor der Welt verschließen. Auch vertieftere Studien für den Ordensklerus seien wichtig für eine Erneuerung des Ordenslebens. Döpfners Bemühungen für das Schema, das er in der Koordinierungskommission zu betreuen hatte, zeigten nur begrenzte Wirkung,
Um die sich abzeichnende Entwicklung der Priesterausbildung zu einem in sich abgeschlossenen Mikrokosmos zu verhindern, widmete sich Döpfner dem Schema zur Priesterausbildung. Dazu versammelte er Franz von Tattenbach, Wulf, Klemens Tillmann und Michael Höck als Experten um sich, deren Beiträge von Gruber koordiniert wurden. Auf dieser Basis erarbeitete Wulf eine Intervention, bei der es um die Frage nach der Weckung und Förderung von Priesterberufungen, um die Familie als Grundlage für die Weckung von Priesterberufungen, um die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Priesterausbildung und um eine bessere Vorbereitung der Priesteraspiranten auf den Dialog mit der Welt ging. Döpfner nahm eine kondensierte Fassung des Entwurfs als Basis für seine Intervention in der 122. Generalkongregation am 14. November 1964.
Zum Thema der Ehe als Keimzelle der christlichen Gesellschaftsordnung am Ende der dritten Sitzungsperiode konnte Döpfner in seiner Intervention Erfahrungen aus seiner Zeit als Bischof in Würzburg und Berlin einbringen.[85] Zu dieser Intervention ist auch mehr Redaktionsmaterial erhalten als zu Döpfners vorherigen Interventionen. In einem Memorandum vom 26. September 1964 schilderte Klaus Mörsdorf in fünf Punkten seine Bedenken gegen eine Aufhebung der Formpflicht für Mischehen. U. a. sei der katholische Partner beispielsweise bei der Kindererziehung benachteiligt. Und auch Protestanten lehnten, so Mörsdorf, Mischehen vehement ab. Eine Aufhebung der Formpflicht würde Mörsdorf zufolge zu einer Anerkennung der Eheschließung vor dem Staat führen. In seiner am 20. November 1964 gekürzt vorgetragenen Intervention betonte Döpfner die Notwendigkeit eines liberaleren Umgangs in der Mischehenfrage. Dies deutet auf einen Wandlungsprozess bei Döpfner hin, nachdem dieser zehn Jahre zuvor in seiner Zeit als Würzburger Bischof die konfessionelle Durchmischung und damit auch die Mischehe als größte Gefahr für die katholische Kirche betrachtet hatte.
Vierte Sitzungsperiode
Zu Beginn der vierten Konzilsperiode wurde das Schema Gaudium et spes diskutiert, dessen Erarbeitung und damit auch das Schema selbst von Zeitmangel gekennzeichnet war.[82][86] Zunächst wurde Franz Hengsbach als führendes Mitglied der Erarbeitungskommission des Schemas mit der Intervention betraut, doch ging dieser Part dann – vielleicht der Kontinuität wegen – an Döpfner. Die Konzilsväter zeigten sich grundsätzlich zufrieden mit den Verbesserungen an Gaudium et spes gegenüber der dritten Sitzungsperiode, blieben aber insgesamt skeptisch auf Grund des Verbesserungsbedarfs des Schemas. Gruber entwarf in Zusammenarbeit mit Döpfner einen Entwurf mit Material von Hengsberg für Döpfners Intervention in der 133. Generalkongregation am 22. September 1965. Döpfner wies auf den großen Zeitdruck im Zusammenhang mit dem Schema hin, bat aber darum, die Neuartigkeit des Textes nicht zu übersehen. Gilles Routhier schilderte später die unterschiedliche Bewertung des Schemas durch die deutschen und die französischen Bischöfe.[87] Es gilt als großes Verdienst Döpfners, so Klaus Wittstadt, die anfänglichen Bedenken der Bischöfe gegenüber der Pastoralkonstitution zerstreut zu haben.[88] Stephan Mokry sieht es in diesem Zusammenhang als großes Verdienst Döpfners an, den Charakter des Neuanfangs in Gaudium et spes betont zu haben.[89]
Döpfners letzte Konzilsintervention in der 150. Generalkongregation am 15. Oktober 1965 zum Dekretschema über Leben und Dienst der Priester betonte unter anderem die Wahrnehmung der modernen Welt, die Frage des Zölibats – welches einer ausreichenden Zahl von Männern, so der Text, als Geschenk Gottes zugutekommen würde – und das Weltverhältnis der Priester.[90] In seiner Intervention ließ Döpfner das Thema Zölibat komplett fallen, nachdem Papst Paul VI. die Diskussion um eine Lockerung der Zölibatsdisziplin beruhigen wollte und die Pariser Zeitung Le Monde die Intervention des Brasilianischen Episkopats für eine Lockerung des Zölibats abdruckte. Nach Hinweis auf die bereits erfolgten Verbesserungen ging Döpfner zu seiner Kritik am Text über wie einerseits Sicht der Priester als geistige Krone ihrer Bischöfe oder der Suche von religiösen Beweggründen in letztlich ganz banalen Aspekten im Leben und Wirken eines Priesters; zum zweiten kritisierte Döpfner die unverhältnismäßig häufigen Wiederholungen im Text. Im zweiten Teil seiner Intervention ging Döpfner auf die Herausforderungen ein, vor die eine moderne, sich schnell verändernde Welt den Priester stellt.
In der zweiten Novemberhälfte 1965 wurde über die noch verbliebenen Texte abgestimmt wie die Offenbarungskonstitution, das Laiendekret, das Missionsdekret, die Pastoralkonstitution und ie Erklärung zur Religionsfreiheit.
Nach dem Konzil
Am 10. Dezember 1965 gab Döpfner – zwei Tage nach Ende des Konzils und einen Tag nach seiner Rückkehr nach München – eine Pressekonferenz, in deren Rahmen er ausführlich zum Konzil Stellung bezog.[91]
Im September 1977 wurde am Petersdom eine neue, vom Künstler Luciano Minguzzi gestaltete Bronzetür eingeweiht. Ein Teil der Tür galt dem Zweiten Vatikanischen Konzil und stellte seine vier Moderatoren Krikor Bedros XV. Agagianian, Julius Döpfner, Giacomo Lercaro und Léon-Joseph Suenens sowie die beiden Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. dar. Kurz nach der Einweihung wurde die Tafel mit den vier Moderatoren – angeblich aus künstlerischen Gründen – durch eine neue gleichformatige Tafel mit drei Moderatoren ersetzt. Trotz der fehlenden Ähnlichkeit der Darstellungen mit ihren realen Vorbildern ließen andere Merkmale vermuten, dass Döpfners Darstellung entfernt wurde.[92] Vor allem in Deutschland stieß die Entfernung eines der führenden Konzilsmoderatoren von der Platte auf Befremden.
Literatur
- Klaus Wittstadt: Julius Kardinal Döpfner (1913–1976) – Anwalt Gottes und der Menschen. Don Bosco, München 2001, ISBN 978-3-7698-1124-7.
- Stephan Mokry: Kardinal Julius Döpfner und das Zweite Vatikanum – Ein Beitrag zur Biografie und Konzilsgeschichte (Münchener Kirchenhistorische Studien. Neue Folge, Band 3). Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-17026704-6 (Zugleich Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2013/2014).
Einzelnachweise
- Klaus Wittstadt: Julius Kardinal Döpfner (1913–1976) – Anwalt Gottes und der Menschen. Don Bosco, München 2001 S. 169
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 170
- Stephan Mokry, 2016, S. 205–234.
- Stephan Mokry, 2016, S. 213–215.
- Stephan Mokry, 2016, S. 215–219.
- Stephan Mokry, 2016, S. 221–227.
- Stephan Mokry, 2016, S. 229–234.
- Stephan Mokry, 2016, S. 227–229.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 170–179
- Stephan Mokry, 2016, S. 234–240.
- Klaus Wittstadt: Kardinal Döpfners Vorstellungen vom Zweiten Vatikanischen Konzil nach seinen »Consilia et vota«, in: WDGBI 52 (1990), S. 439–446; hier: S. 439
- Klaus Wittstadt: Das gemeinsame Votum der Fuldaer Bischofskonferenz zum II. Vatikanum (27. April 1960), in : Hildegard Keul, Hans-Joachim Sander (Hrsg.): Das Volk Gottes. Ein Ort der Befreiung, Würzburg 1998, S. 54–63
- Stephan Mokry, 2016, S. 240–264.
- Stephan Mokry, 2016, S. 242–251.
- Volk an Stohr, Münster, 14 Dezember 1959: Anschreiben mit Anlage. Dom- und Diözesanarchiv Mainz 45,1/150
- Döpfner an Stohr, Berlin 20. Februar 1960, Diözesanarchiv Berlin V/7–11
- Stephan Mokry, 2016, S. 251–253.
- Stephan Mokry, 2016, S. 253–260.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 181–186
- Stephan Mokry, 2016, S. 261–264.
- Bafile an Felici, Bad Godesberg 28. Oktober 1960, in: Treffler, Guido (Bearb.): Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum zweiten Vatikanischen Konzil (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9), Nr. 37, Regensburg 2006, S. 117f.
- David Andreas Seeber: Das Zweite Vaticanum. Konzil des Übergangs, Freiburg – Basel – Wien 1966, S. 40f.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 181f.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 182f.
- Stephan Mokry, 2016, S. 306–310.
- Klaus Schatz: Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte (UTB 1976), Paderborn u. a. ²2008, S. 279
- Joseph A. Komonchak: Der Kampf für das Konzil während der Vorbereitung (1960–1962), in: Alberigo/Wittstadt (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Bd. 4, Mainz – Leuven 2006, S. 1–108, S. 344
- Otto Hermann Pesch: Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 2001, 70
- Stephan Mokry, 2016, S. 294.
- „Anregungen v. Erzbischof Jaeger für die Sitzung der Zentralkommission 12.6. – 19.6.61“. Erzbischöfliches Archiv München, Julius Kardinal Döpfner, Konzilsakten, 2747
- Stephan Mokry, 2016, S. 296–306.
- Stephan Mokry, 2016, S. 310–316.´
- Stephan Mokry, 2016, S. 316–323.
- Döpfner an Bea, 18. November 1961, in Guido Treffler: Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher. Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9), Regensburg 2006, Nr. 79, S. 180
- Döpfner an Bea, 18. November 1961, in Guido Treffler: Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher. Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9), Regensburg 2006, Nr. 79, S. 184
- Stephan Mokry, 2016, S. 334 f.
- Stephan Mokry, 2016, S. 336–340.
- Stephan Mokry, 2016, S. 340–353.
- Stephan Mokry, 2016, S. 353–357.
- Stephan Mokry, 2016, S. 357–361.
- Döpfner an Wagner, München 17. März 1962, in: Kaczinski, Art. Bugnini, Annibale, in: Quisinksy/Walter (Hrsg.): Personenlexikon zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Freiburg/Br. - Basel – Wien 2004, I–227
- Stephan Mokry, 2016, S. 361–365.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 186–188
- Acta Apostolicae Sedis LIV (1962), S. 678–685, AD 11/1, S. 348–355; deutscher Text: HK 17 (1962/63), S. 43
- Stephan Mokry, 2016, S. 379–398.
- Acta Synodalia Sacrosancti Consilii Oekumenici Vaticani II 1/1, S. 319–322
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 189–190
- Nach Aussage von Kardinal Hermann Volk an Karl Wittstadt
- Vgl. Erzbischöfliches Archiv München Julius Kardinal Döpfner Konzilsakten 3354.1–6; hs. Gruber: „(1. Entwurf)“. Ebd., Konzilsakten 3355.1 – 4, hs. Gruber: „2 Entwurf“ [sic!]
- Vgl. Erzbischöfliches Archiv München Julius Kardinal Döpfner Konzilsakten 3356.1–4; hs. Gruber: „Handexemplar“
- Stephan Mokry, 2016, S. 390–393.
- Stephan Mokry, 2016, S. 398–403.
- Stephan Mokry, 2016, S. 404–408.
- Stephan Mokry, 2016, S. 408–424.
- Erzbischöfliches Archiv München Julius Kardinal Döpfner Konzilsakten1212
- Stephan Mokry, 2016, S. 424.
- Stephan Mokry, 2016, S. 425.
- Giuseppe Alberigo: Dinamiche e procedure nel Vaticano II. Verso la revisione del Rigolamento del Concilio (1962–1963), in:CrSt (1992) (S. 115–164), S. 119 und 121
- Stephan Mokry, 2016, S. 442–444.
- Eintrag 24. Januar 1963 in Mauro Velati (Hrsg.): Angelo Giuseppe Roncalli – Giovanni XXIII. Pater amabilis. Agende del pontifice, 1958–1963, Bologna 2007, S. 490
- Guido, Treffler (Bearb.): Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9, Regensburg 2006, Nr. 209, S. 354f.
- Stephan Mokry, 2016, S. 444–446.
- Stephan Mokry, 2016, S. 446–450.
- Stephan Mokry, 2016, S. 451–452.
- Stephan Mokry, 2016, S. 455 f.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 193–206
- Stephan Mokry, 2016, S. 454–463.
- Archiv des Erzbistums München und Freising, 1 Conc I/1
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 205–206
- Klaus Wittstadt: Julius Kardinal Döpfner (1913–1976) – Anwalt Gottes und der Menschen. Don Bosco, München 2001, S. 206
- KNA-Konzilssonderdienst Nr. 66 (1963), S. 2
- Archiv des Erzbistums München und Freising 1 Conc V/F, Nr. 1c
- Acta Synodalia Sacrosancti Concilii Oekumenici Vaticani II, 11/1 S. 183–199
- Stephan Mokry, 2016, S. 464–466.
- Stephan Mokry, 2016, S. 466–475,
- Stephan Mokry, 2016, S. 475–483.
- Stephan Mokry, 2016, S. 476–480.
- Stephan Mokry, 2016, S. 480–483.
- Stephan Mokry, 2016, S. 483–488.
- Stephan Mokry, 2016, S. 488–491.
- Stephan Mokry, 2016, S. 491–495.
- Klaus Wittstadt, 2001, S. 208–210
- Stephan Mokry, 2016, S. 495–502.
- Stephan Mokry, 2016, S. 502–505.
- Stephan Mokry, 2016, S. 512–516.
- Stephan Mokry, 2016, S. 517–522.
- Gills Routhier: Das begonnene Werk zu Ende führen. Die Mühen der vierten Sitzungsperiode, in: Giuseppe Alberigo, Günther Wassilowsky (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Band 5, Ostfildern – Leuven 2008, 57–213
- Klaus Wittstadt: Julius Kardinal Döpfner (1913–1976) – Anwalt Gottes und der Menschen. Don Bosco, München 2001, S. 210
- Stephan Mokry, 2016, S. 522.
- Stephan Mokry, 2016, S. 522–527.
- Stephan Mokry, 2016, S. 527–532.
- Werner Eberth: Denkmäler für Kardinal Döpfner, in: Ders. (Hrsg.): 100 Jahre katholische Arbeitnehmerbewegung – KAB Hausen 1898–1998, Bad Kissingen 1996, S. 64