Julia Mark
Julia Mark, verh. Graepel (* 18. März 1796 in Bamberg; † 1864[1] oder 1865 in München), war das Urbild zahlreicher Frauengestalten in Werken E. T. A. Hoffmanns.
Leben
Julia Mark, eine Tochter des Konsuls Philipp Nathan Mark und dessen Ehefrau Franziska, die zugleich seine Nichte war; ihr Bruder war Moritz August Mark, ihre Schwester hieß Wilhelmine,[2] einer ihrer Onkel war Dr. Adalbert Friedrich Marcus, ein anderer der Kommerzienrat Friedrich Nathan Mark, dessen Witwe Juliana oder Juliane den Freiherrn Stephan von Stengel heiratete.
Viele Mitglieder der ursprünglich jüdischen Familie Marcus, die aus Gotha stammte, waren zum Christentum konvertiert; laut Peter Härtling schrieben sie sich vermutlich „zum Schutz vor Geschwätz und Mißgunst“[3] nicht mehr „Marcus“, sondern verkürzten den Namen. Der Familie entstammten auch Wilhelm, Paul und Franz Marc.
Als Hoffmann 1808 nach Bamberg kam, hatte Julia Mark bereits ihren Vater verloren. Hoffmann, der in der Stadt nur schwer Fuß fassen konnte, wurde Anfang 1809 als Musiklehrer für die beiden Töchter der verwitweten Konsulin Mark engagiert, von denen Julia die ältere war. Sein Tagebuch, in dem Julia Mark als „Käthchen“ bzw. abgekürzt „Ktch“ oder „Kthch“ bezeichnet wird, legt Zeugnis von der Liebe Hoffmanns zu seiner Schülerin ab. Zum Schutz vor seiner Ehefrau Michalina, genannt Mischa, schrieb Hoffmann mitunter auch in griechischer Schrift, so etwa am 16. Februar 1811, als er die Befürchtung äußerte, es werde „Unheil“ aus der Affäre entstehen.[1] Am 28. Februar desselben Jahres sah er nur noch die Möglichkeit, sich entweder zu erschießen oder „toll“ zu werden.[1] Im Januar 1812 offenbarte er dem jungen Mädchen seine Liebe. Julia Marks Mutter blieb der Zustand offenbar nicht unbemerkt. Sie trieb daraufhin wahrscheinlich die geplante Eheschließung zwischen ihrer Tochter und dem Hamburger Kaufmannssohn Johann Gerhard Graepel voran, der im März desselben Jahres nach Bamberg zu Besuch kam. Nicht nur Hoffmann war von Graepel angewidert; einer Beschreibung eines Dritten nach war Graepel, „trotz seiner Jugend, das Bild eines Greisen, ein ausgemergeltes Menschenmodell, die Male fleischlicher Begierden lagen auf Stirn, Augen und Wangen, und die Imbezillität seines Geistes leuchtete aus jedem gesprochenen Worte.“[1] Hoffmann war eifersüchtig auf Graepel, notierte aber am 25. April 1812, Julia Mark habe ihm anvertraut, sie werde „nie glücklich sein“.[1]
Am 6. September 1812 fand ein Ausflug nach Pommersfelden zum Schloss Weißenstein statt, an dem auch Hoffmann teilnahm. Graepel betrank sich dabei und stürzte schließlich zu Boden, woraufhin Hoffmann, deutlich für alle Umstehenden vernehmbar, zu seinem Begleiter Carl Friedrich Kunz gesagt haben soll: „Sehen Sie, da liegt der Sch-hund! Wir haben doch auch getrunken, wie er, uns passiert so etwas nicht! Das kann nur so einem gemeinen, prosaischen Kerl passieren!“[1] Julia Marks Mutter verbat sich daraufhin weitere Besuche Hoffmanns in ihrem Haus. Allerdings sah Hoffmann die junge Frau später doch wieder. Am 13. Dezember 1812 fand die Hochzeit statt, eine Woche später reiste das junge Ehepaar nach Hamburg, nicht ohne dass Hoffmann sich von der frisch Verehelichten verabschiedet hatte. Am 21. April 1813 verließ Hoffmann Bamberg.[2]
Die Ehe zwischen Julia Mark und Johann Gerhard Graepel wurde nach einigen Jahren geschieden und bald darauf starb Graepel. Julia Mark schloss 1821 eine zweite Ehe, und zwar mit ihrem Cousin Ludwig Marc, einem Sohn Adalbert Friedrich Marks. Nach dessen Tod zog sie nach München.[4]
Nachwirkung
Hoffmanns Gefühle wurden von verschiedenen Zeitgenossen bemerkt und kommentiert; Dr. Friedrich Speyer, ein Vetter Julia Marks, sprach von „Leidenschaft“,[1] Carl Friedrich Kunz, der auch bei dem Ausflug nach Pommersfelden anwesend gewesen war, erklärte drastisch: „Eine tüchtige Portion Sinnlichkeit hatte im Hause seiner Phantasie Platz genommen.“[1] Während Kunz aber behauptete, Julia Mark habe „nicht das geringste Entgegenkommen“ gezeigt und Hoffmanns „Wahnsinn“ sei allenfalls zu bemitleiden gewesen,[1] sprach Mark später immerhin von „Einfluss“, den Hoffmann auf sie gehabt habe, und dass ihr „geängstetes Gemüt“ sich zu diesem gewandt habe.[1]
Kunz schloss am 18. März 1813 einen Vertrag über die Herausgabe der Phantasiestücke in Callots Manier mit Hoffmann ab.
Julia Mark hinterließ zahlreiche Spuren in Hoffmanns Werk. Züge ihrer Person finden sich in der Cäcilia im Berganza, der auch ein Sonett enthält, das Hoffmann ursprünglich an Julia Mark gerichtet hatte, sowie eine Darstellung der Hochzeitsnacht, in der der Vollzug der Ehe durch einen Wadenbiss Berganzas verhindert wird,[2] in der Julie in Abenteuer einer Silvesternacht, der Clara im Sandmann, der Aurelie in Die Elixiere des Teufels sowie in der Julia im Kater Murr, eventuell auch in der Rettel in Meister Johannes Wacht. Die Liebhaber dieser Figuren, insbesondere Kreisler, leiden in aller Regel bis zum Wahnsinn. „Das bis zu Wahnsinn und Selbstmordgedanken hinaufdestillierte Liebesgeschick wusste Hoffmann dank der »göttlichen Ironie« in poetische Energien umzuwandeln, wie er seinem Tagebuch anvertraute“, schrieb RB Essig in einem Kommentar zur 200-Jahr-Feier der Ankunft Hoffmanns in Bamberg, in dem er sich darüber mokierte, mit welchem Kitsch die Stadt dieses Jubiläum beging. Unter anderem wurde schmetterlingsförmiges Plundergebäck verkauft, in Erinnerung an die Schmetterlinge, mit denen Hoffmann die Tagebuchseiten verzierte, auf denen von Julia Mark die Rede war.[5]
Am Haus Lange Straße 13 in Bamberg erinnert eine Tafel an Julia Mark. Der Text lautet:
„Haus zum goldenen Löwen
In diesem Hause wohnte bis 20. XII. 1812
Juliana Marc.
Schülerin von E.T.A. Hoffmann.
Urbild seiner schönsten Frauengestalten.
F. u. V. V. Bbg. 1923“.[1]
Peter Härtling zeichnete die Liebesgeschichte zwischen Hoffmann und Julia Mark in seinem Roman Hoffmann oder Die vielfältige Liebe nach; Rainer Lewandowski die Sicht Michalinas in seinem Stück Gemahl Meiniges – Michalina Hoffmann über E.T.A.[6]
Einzelnachweise
- Julia Mark auf www.bamberga.de
- E.T.A. Hoffmann in Bamberg auf etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de
- Peter Härtling, Hoffmann oder Die vielfältige Liebe. Eine Romanze, München (dtv) 2006, ISBN 978-3-423134330, S. 114
- You Xie, Juliana Marc in Bamberg auf www.bamberger-onlinezeitung.de
- RB Essig, »Damit das Feuer lustiger brenne«, in: Die Zeit, 18. September 2008 (Digitalisat des ersten Teils)
- Adama Ulrich, Vor 200 Jahren kam er und ist noch immer da, 4. März 2008 auf www.deutschlandfunkkultur.de