Josef Zirnbauer
Josef Zirnbauer (* 16. März 1834 in Oberbergkirchen; † 1. Januar 1917 in Obernzell) war ein deutscher Lederfabrikant und Lokalpolitiker. Er war einer der Pioniere der Stromversorgung in Niederbayern.
Leben und Leistungen
Josef Zirnbauer wurde als Sohn des aus Sterneck in der Nähe von Mühldorf am Inn stammenden und in Erharting verstorbenen Landarztes (Chirurgus) Zeno Zirnbauer (1797–1837) in Oberbergkirchen geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters heiratete seine Mutter erneut und zog nach Neuötting. Dort machte Josef Zirnbauer eine Gerberlehre und arbeitete nach Wanderjahren ab circa 1855 als Gerbergeselle in der Fabrik von Franz Seraph Kuchler (1800–1884) in der Lederergasse in der Passauer Innstadt. Im Oktober 1862 heiratete er kurz nach Absolvierung der Lederermeisterprüfung[1] Kuchlers Tochter Anna (1837–1888) und gründete danach in Obernzell im damaligen Haus Nr. 4, bislang Zweitbetrieb von Kuchlers Passauer Lederfabrik, eine eigene Lederei.[2] Das Haus mit zwei "realen Lederer-Gerechtigkeiten" sowie einige dazugehörige Gebäude und Grundstücke waren Teil des Heiratsguts seiner Frau. 1870 erwarb er im selben Ort das Haus Nr. 116 (vormals Baumwollspinnerei Huber), das zum Stammhaus einer rasch florierenden Lederfabrik wurde.[3]
Seine Produkte wurden auf nationalen und internationalen Ausstellungen mehrfach ausgezeichnet: Anerkennungsdiplome auf der Wiener Weltausstellung 1873[4] und der Internationalen Special-Ausstellung für Leder, Lederwaaren und Eichen-Kultur in Berlin 1877[5] sowie Goldene und Silberne Medaillen auf Bayerischen und Niederbayerischen Gewerbeausstellungen 1882[6], 1896, 1903 und 1906[7] sind zu nennen.[8]
Zirnbauer war zudem einer der Pioniere der Stromversorgung in Niederbayern. Ab 1893 versorgte ein von ihm begründetes Elektrizitätswerk die Lederfabrik in Obernzell sowie u. a. die Pfarrkirche und die Straßenbeleuchtung des Ortes. Es war das erste nachgewiesene Elektrizitätswerk im Bezirksamt Wegscheid und bestand aus einer Wasserturbine am Eckerbach, ergänzt durch eine 20 PS starke Dampfmaschine. Diese Anlage wurde in den Folgejahren mehrfach erweitert und umgebaut.[9]
Die Passauer Zeitung urteilte 1896: „Herr Zirnbauer zählt anerkannt zu den genialsten Fabrikanten.“[10]
Zirnbauer war zudem im gesellschaftlichen Leben engagiert. 1859 war er Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr Passau[11] sowie 1863 des Feuerwehrcorps Obernzell aus Mitgliedern des damaligen Turnvereins ("Turner-Feuerwehr"). Vierundfünfzig Jahre – bis zu seinem Tod 1917 – fungierte er als Kommandant des Feuerwehrcorps Obernzell.[12] Maßgeblich beteiligt war er auch an der Gründung einer Feuerwehr 1866/67 in Engelhartszell, das gegenüber von Obernzell auf der österreichischen Uferseite der Donau liegt.[13] Für seine Verdienste um das Feuerwehrwesen wurde er 1870 mit der großen silbernen Medaille[14], dem Feuerwehr-Ehrenzeichen[15] sowie später mit dem vom bayerischen Staat vergebenen Feuerwehr-Verdienstkreuz geehrt.[16]
1862 war er darüber hinaus als Vorturner an der Gründung des Turnvereins Passau beteiligt. 1865 wurde er Magistratsrat, war von 1869 bis 1882 Bürgermeister der Gemeinde und wurde auch zum Distriktsrat gewählt. Außerdem wurde er zum Kommerzienrat ernannt. Er brachte zudem Stiftungen auf den Weg, u. a. für den Obernzeller Kindergarten, die sogenannte „Kleinkinderbewahranstalt“, und die damit verbundene Mädchenschule.[17] Bei der Gründung des Bayerischen Gerberverbandes am 4. März 1908 in Nürnberg im Rahmen einer Versammlung von Gerbern aus allen bayerischen Landesteilen wurde Josef Zirnbauer zu einem der drei Beisitzer des 1. Vorsitzenden Kommerzienrat Rosenthal aus München gewählt.[18] Nach acht Jahren der Vorstandszugehörigkeit lehnte er 1916 aufgrund seines „vorgerückten Alters“ eine Wiederwahl ab.[19]
Aus der Ehe mit Anna Kuchler gingen zwölf Kinder hervor, von denen acht schon im Kindesalter verstarben.[20] Seine Söhne Franz (1863–1936), Vater des Bildhauers Otto Zirnbauer, und Alois (1870–1930) übernahmen nach Zirnbauers Tod 1917 die Leitung des Betriebs. 1930 musste die Jos. Zirnbauer Lederfabrik in Folge der Weltwirtschaftskrise Konkurs anmelden[21] und wurde 1935 endgültig verkauft. Sie wurde unter wechselnden Besitzern bis 2008 am selben Ort fortgeführt.[22]
Literatur
- Richard Miller: Beiträge zur Geschichte des Marktes Obernzell. Herausgegeben im Jahre 1963 anlässlich der 700-Jahr-Feier der Marktgemeinde Obernzell (= Bd. 9 der Reihe Neue Veröffentlichungen des Instituts für ostbairische Heimatforschung. Hrsg. von Professor Dr. Josef Oswald), Passau 1963 (Der Band enthält auf S. 17 ein Altersporträt Josef Zirnbauers)
- 750 Jahre Pfarrei Obernzell, 725 Jahre Markt Obernzell, 100 Jahre Kindergarten Obernzell. Festschrift Jubiläumswoche 24.6. – 3.7.1988. Hrsg.: Pfarrei Obernzell und Markt Obernzell. Verantwortlich für den Inhalt: Rudolf Hammel, Obernzell 1988
- 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Obernzell: 1863-1988. Festschrift, Obernzell 1988
- Erich Obermeier und Helmut Schweller: Obernzeller Erinnerungen. Die Obernzeller Marktgeschichte in Bildern, Obernzell 1988
- Josef Zirnbauer, in: Obernzeller Persönlichkeiten. Hrsg. vom Kunst- und Kulturkreis Obernzell, Obernzell 2014, S. 8–9.
- Thomas Zirnbauer: Ein prägender Kopf der Gründerzeit: Zum 100. Todestag von Josef Zirnbauer, in: Passauer Neue Presse, Beilage Heimatglocken, 3. Januar 2017, S. 26
Einzelnachweise
- Ein entsprechender Vermerk über das Gewerbsprüfungszeugnis vom 16. August 1862, nach dem er die Prüfung als Lederermeister in Passau mit Note 1 bestanden habe, ist enthalten in Akte 314 im Marktarchiv Obernzell.
- Das Gesuch des Lederergesellen Josef Zirnbauer aus Neuötting um die Bewilligung zur Ansässigmachung und Verehelichung mit der Ledererstochter Anna Kuchler aus Passau, sowie zur Ausübung der realen Lederergerechtsame, aufgenommen in Obernzell am 7. Oktober 1862 wurde am 11. Oktober 1862 vom Markts-Magistrat bewilligt (Dokumente im Marktarchiv Obernzell, Akte 314). Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Fabrik fand in Obernzell ein Familientreffen mit über fünfzig Mitgliedern der Familie Zirnbauer statt, über das die Passauer Neue Presse am 19. Juli 1962 berichtete.
- Vgl. RegioWiki-Eintrag Lederfabrik Münch. Dort sind Abbildungen der Baumwollspinnerei und der späteren Lederfabrik zu sehen. Sie sind zum Teil auch enthalten in: Erich Obermeier und Helmut Schweller: Obernzeller Erinnerungen. Die Obernzeller Marktgeschichte in Bildern, Obernzell 1988, S. 118 f.
- Die Firma war mit „Kalbfellen und Schmalhäuten“ als einer von 34 bayerischen Ausstellern in der Gruppe VI (= Leder- und Kautschuk-Industrie) vertreten und wurde für die ausgestellten Stücke mit einem Anerkennungsdiplom ausgezeichnet. Im Bericht über die Betheiligung Bayerns an der Wiener Weltausstellung 1873 heißt es: „Unter den Ledersorten für Schuhwerk zeichneten sich Lewald Söhne in Fürth, J. Zirnbauer in Ober[n]zell und der schon genannte F. Küchler u. Söhne in Passau aus [gemeint ist die Firma von Josef Zirnbauers Schwiegervater Franz Kuchler].“, vgl. Bericht über die Betheiligung Bayerns an der Wiener Weltausstellung 1873. Mit Benutzung amtlicher Quellen herausgegeben vom Bayerischen Gewerbemuseum zu Nürnberg, Nürnberg 1874 (Belegstellen S. 68, 114f. und 170)
- Der Eintrag im Ausstellerkatalog lautet unter Gruppe III. Gegerbtes Leder. b) Auswärtige Firmen. Abtheilung 1. Leder durch organische Gerbstoffe erzeugt.: „279. Jos. Zirnbauer, Lederfabrik in Obernzell (Baiern). Braune und schwarze Schmalleder, genarbt und gezogen. Gegründet 1862. 20 pferd. Wasserkraft. Verarbeitet jährlich 3500 Stück Häute zu Schmal- und Vacheleder. (Tadelt die Mängel in der Schlachtung).“, vgl. Catalog der Internationalen Special-Ausstellung für Leder, Lederwaaren und Eichen-Kultur zu Berlin 1877. Erste Auflage mit Nachtrag, Berlin o. J., S. 45. Die Ausstellung fand von 8. bis 29. September 1877 im Exerzierhaus des 2. Garderegiments z. F., Karlstraße 12 statt.
- Ausgezeichnet mit einer Silbernen Medaille „Für vorzüglich gegerbte und zugerichtete Ober- und Unterleder“, vgl. Bayerische Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Nürnberg 1882. Verzeichniss der prämiirten Aussteller nebst Mittheilungen über das Preisgericht. Veröffentlicht mit Ermächtigung des Kgl. Bayer. Staatsministeriums des Innern, München 1882, S. 27
- Ausgezeichnet mit einer Silbernen Medaille „Für sehr gediegene Qualitätsware“, vgl. Bayerische Jubiläums-Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Nürnberg 1906. Verzeichnis der prämiierten Aussteller nebst Mitteilungen über das Preisgericht. Veröffentlicht am 11. September 1906 mit Ermächtigung des Kgl. Bayer. Staatsministeriums des Kgl. Hauses und des Äussern, Nürnberg 1906, S. 77
- Vgl. Richard Miller: Beiträge zur Geschichte des Marktes Obernzell. Herausgegeben im Jahre 19623 anlässlich der 700-Jahr-Feier der Marktgemeinde Obernzell (= Bd. 9 der Reihe Neue Veröffentlichungen des Instituts für ostbairische Heimatforschung. Hrsg. von Professor Dr. Josef Oswald), Passau 1963, S. 101. Die Niederbayerische Kreis-Industrie- und Gewerbeausstellung fand 1903 in Landshut statt. Die Bayerische Landes-Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung wurde dreimal ausgerichtet – jeweils in Nürnberg: 15.05.-15.10.1882, 14.05.-15.10.1896, 12.05.-15.10.1906.
- Vgl. Toni Siegert: Elektrizität in Ostbayern. Niederbayern von den Anfängen bis 1945. Die dezentrale Stromversorgung. Hrsg. vom Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern. Band 9, Theuern 1988, S. 25, 547 und 559 ff., 578
- Das vollständige Zitat aus einem Artikel über die Nürnberger Landesausstellung vom 22. August 1896: „Die schönste und hervorragendste Ausstellung in der niederbayerischen Lederabteilung ist die des Herrn Jos. Zirnbauer in Obernzell. Dieselbe zeigt Geschmack in ihrer Aufstellung, namentlich aber sind die ausgestellten Leder von vorzüglicher Qualität. Die ausgestellten braunen und schwarzen Rindleder für Militär- und Privatkundschaft werden von keiner deutschen Lederfabrik übertroffen. Die braunen, schwarzen und Chagrin-Spalten zu Oberleder sowie die Futter-Spalten in verschiedenen Farben zählen zu den besten Fabrikaten, die existieren. Herr Zirnbauer zählt anerkannt zu den genialsten Fabrikanten.“ (zitiert nach: Josef Zirnbauer, in: Obernzeller Persönlichkeiten. Hrsg. vom Kunst- und Kulturkreis Obernzell, Obernzell 2014, S. 8)
- Es ist zwar keine Namensliste mit den Gründungsmitgliedern überliefert, aber ein Foto der ersten, aus neun Männern bestehenden Steigergruppe vom Oktober 1859 zeigt Josef Zirnbauer als vierten von rechts. Das Bild wurde anlässlich einer Ausstellung zum 150-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr Passau abgedruckt in der Passauer Neuen Presse vom 29. April 2009, S. 24.
- Vgl.Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Markt Obernzell
- Vgl. Informationsdienst-34-2007 der Freiwilligen Feuerwehr Engelhartszell mit einer Chronik ihrer Geschichte
- Die Verleihung fand im Rahmen des 8. Deutschen Feuerwehrtags am 19. Juli 1870 in Linz statt. Vgl. Österreichische Feuerwehr-Zeitung vom 28. August 1870, S. 2, sowie Tages-Post/Linz vom 21. Juli 1870, S. 2
- Das Feuerwehr-Ehrenzeichen wurde von 1884 – gestiftet von König Ludwig II. – bis 1915 für „25jährigen treuen und eifrigen Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr“ vom Königreich Bayern vergeben.
- Das Feuerwehr-Verdienstkreuz wurde am 25. Februar 1901 von Prinzregent Luitpold von Bayern für langjährige Dienste und Verdienste um das Feuerlöschwesen im Königreich Bayern gestiftet. Die Verleihung an Josef Zirnbauer muss also zwischen 1901 und 1917 stattgefunden haben.
- Vgl. Geschichte der Mädchenschule nebst Kleinkinderbewahranstalt in Obernzell, in: Richard Miller: Beiträge zur Geschichte des Marktes Obernzell. Herausgegeben im Jahre 19623 anlässlich der 700-Jahr-Fier der Marktgemeinde Obernzell (= Bd. 9 der Reihe Neue Veröffentlichungen des Instituts für ostbairische Heimatforschung. Hrsg. von Professor Dr. Josef Oswald), Passau 1963, S. 128 ff.
- Meldung in der Fachzeitschrift Süddeutsche Leder- und Schuhindustrie vom 1. April 1908
- Meldung in Die Lederindustrie, Nr. 273 vom 15. November 1916
- Der Grabstein der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Obernzell vermerkt die Namen aller Kinder.
- Das Konkursverfahren wurde am 21. Juli 1930 vom Amtsgericht Wegscheid eröffnet. Als Konkursverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Eibl, Passau eingesetzt, vgl. Meldung in Donau-Zeitung, 23. Juli 1930
- Vgl. RegioWiki-Eintrag Lederfabrik Münch