Johann Gottfried Brügelmann
Johann Gottfried Brügelmann (* getauft 6. Juli 1750 in Elberfeld, heute Stadtteil von Wuppertal; † 27. Dezember 1802 in Ratingen) war ein deutscher Industrieller und als Gründer der ersten Fabrik auf dem europäischen Festland einer der Wegbereiter der Industriellen Revolution.
Leben und Wirken
Johann Gottfried Brügelmann entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Elberfeld, die Teil der Garnnahrung war, einer kartellähnlichen Verbindung der führenden Kaufmannsfamilien des Bergischen Landes, die so den Garnmarkt in dieser Region kontrollierten.[1] Er wurde als zweites von vier Kindern des Elberfelder Bürgermeisters Johann Wilhelm Brügelmann (1721–1784) und dessen erster Ehefrau Anna Gertrud Kühnen (1721–1754) geboren und am 6. Juli 1750 getauft.[2]
Brügelmann hörte von der Mechanisierung von Spinnereien in England und beschloss Anfang der 1780er-Jahre, selbst eine mechanische Spinnerei zu eröffnen. Da er jedoch den Unmut der Garnnahrung über diese Pläne fürchtete und als Wortführer der Unternehmer in einem Streit mit den Elberfelder Leinenwebern lag, suchte er nach einem geeigneten Standort in sicherer Entfernung von Elberfeld. Schließlich fand er ihn in der Bürgermeisterei Eckamp unweit der Stadtmauern Ratingens: die spätere Textilfabrik Cromford. Er konnte dort preisgünstig ein Mühlenrecht mitsamt einer Ölmühle an der Anger erwerben. Arbeitskräfte waren wesentlich günstiger zu haben als im reichen Elberfeld, und vor allem erhielt er für diesen Standort vom Kurfürsten Karl Theodor 1784 das Privileg, eine Fabrik wie diese für zwölf Jahre als Einziger im Rheinland betreiben zu dürfen.[3] Versuche von zahlreichen Konkurrenten, bei ihm beschäftigte Arbeiter abzuwerben oder die eingesetzten Maschinen nachzubauen, verfolgte Brügelmann zeitlebens mit Hilfe des kurfürstlichen Privilegs unnachsichtig.[4] Mit zunehmendem Erfolg expandierte Brügelmann und gründete 1802 in München, das zum Territorium des Kurfürsten Karl Theodor gehörte, eine Filiale. Heute gilt die Anlage in Ratingen als die erste voll mechanisierte Baumwollspinnerei und damit als erste Fabrik überhaupt auf dem europäischen Festland.[1] Um 1789 kaufte Brügelmann von den Erben des Johann Konrad Jacobi das Gebäude mit Gelände der ehemaligen Zucker-Raffinerie, gelegen am Düsselbach in Pempelfort, und richtete dort zusammen mit dem Bandfabrikanten Johann Friedrich Bredt (1751–1810) die Garn-Färberei „Brügelmann & Bredt“ für Türkischrot ein.[5][6]
Das Vorgehen Brügelmanns wird von Historikern als bemerkenswert eingestuft, da die Wirtschaft der damaligen Zeit vor allem von Traditionen und den von den Berufsständen selbst auferlegten Regeln geprägt war. Nicht nur die Idee einer mechanisierten Produktion in großem Stil war ungewöhnlich, sondern auch die Art und Weise, wie er gezielt überregional Standortbedingungen prüfte, Technologien aus dem Ausland erforschte, kopierte (die Waterframe, ein Patent von Richard Arkwright) und dabei die Traditionen der „Garnnahrung“ unbeachtet ließ.[1][7]
Dabei betrieb er in Großbritannien Industriespionage über seinen Freund Carl Albrecht Delius, der ihm 1781 eine Kratzmaschine zur Reinigung der Baumwolle zukommen ließ und 1782 das Modell einer damals mit Exportverbot belegte Waterframe aus England schmuggelte und einen Facharbeiter mitbrachte, der sie bedienen konnte.[3][8]
Brügelmanns Pionierarbeit war überaus ertragreich. Rasch erweiterte er seinen Betrieb um ein (aus damaliger Sicht riesiges) 5-stöckiges Fabrikgebäude, ließ sich 1787 das noch heute zu besichtigende luxuriöse Herrenhaus und etwas später ausgedehnte Parkanlagen (u. a. den Poensgenpark) bauen.[3] Brügelmanns Vermögen wurde nach seinem Tod auf 380.000 Reichstaler beziffert – ohne Immobilien und Maschinen. Als er 1802 im Alter von 52 Jahren starb, zählte Brügelmann zu den reichsten Menschen des Rheinlandes.[1]
Seit dem 7. November 1774 war er mit Anna Christina Brügelmann geb. Bredt (1745–1805) verheiratet.[9] Sein Erbe wurde auf seine Söhne Jakob Wilhelm (1776–1826) und Johann Gottfried junior (1777–1808) verteilt.[1] Sein Nachfahre Moritz Gottfried Brügelmann, Chemiker (1849–1920) war verheiratet mit der Sängerin Pauline Horson (1858–1918).
Literatur
- Franz Josef Gemmert: Die Entwicklung der ältesten kontinentalen Spinnerei: eine betriebswirtschaftlich-historische Untersuchung, Dissertation an der Universität Köln, Leipzig, Jänecke, 1927
- Marie-Luise Baum: Johann Gottfried Brügelmann. In: Wuppertaler Biographien 1. Folge. Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde des Wuppertals Band 4, Born-Verlag, Wuppertal 1958, S. 19–26.
- Marie-Luise Baum: Johann Gottfried Brügelmann (1750–1802). In: Rheinische Lebensbilder. Bd. 1, 1961, ISSN 0080-2670, S. 136–151.
- Eckhard Bolenz: Johann Gottfried Brügelmann. Ein rheinischer Unternehmer zu Beginn der Industrialisierung und seine bürgerliche Lebenswelt (= Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte. Bd. 4). Rheinland-Verlag, Köln 1993, ISBN 3-7927-1372-1.
- Michael Klepsch, Helge Reisel: Von Cromford nach Cromford. Industriespionage im 18. Jahrhundert. Rheinland Verlag, Köln 1990, ISBN 3-7927-1116-8.
- Burkhard Dietz: Aufbruch zu neuen Ufern. Johann Gottfried Brügelmanns Entscheidung für den Standort Cromford und die Vorbildfunktion einer erfolgreichen Firmengründung. In: Cornelia Frings (Red.): „Die öde Gegend wurde zum Lustgarten umgeschaffen …“. Zur Industriearchitektur der Textilfabrik Cromford 1783–1977 (= Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Industriemuseum. Schriften 5). Rheinland-Verlag u. a., Köln u. a. 1991, ISBN 3-7927-1201-6, S. 16–34.
- Gabriele Harzheim: „Treffliche von Wasser getriebene Spinnmaschinen“. Eine Dokumentation der Technik des Baumwollspinnens am Beispiel der Firma Johann Gottfried Brügelmann in Ratingen, 1780–1830 (= Beiträge zur Industrie- und Sozialgeschichte. Bd. 5). Rheinland-Verlag, Köln 1995, ISBN 3-7927-1492-2.
- Marga Ludemann: Brügelmann, Johann Gottfried. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 658 (Digitalisat).
- Herbert Vogler: Johann Gottfried Brügelmann – Begründer der deutschen Textilindustrie. In: Melliand Textilberichte. Bd. 83, 2002, ISSN 0341-0781, S. 888–889.
Weblinks
- Artikel über Brügelmann in einer Familienchronik. Archiviert vom Original am 23. September 2017; abgerufen am 23. September 2017.
Einzelnachweise
- Eckhard Bolenz: Vom Ende des Ancien régime bis zum Ende des Deutschen Bundes (ca. 1780–1870). In: Eckhard Bolenz et al.: Ratingen. Geschichte 1780 bis 1975. Klartext-Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-943-9, S. 11–74.
- Edmund Strutz: Die Ahnentafeln der Elberfelder Bürgermeister und Stadtrichter von 1708–1808 (= Bergische Forschungen. Bd. 3, ISSN 0405-4520). 2. Auflage. Martini & Grüttefien, Neustadt a. d. Aisch 1963, S. 114 f.
- Jakob Germes: Ratingen im Wandel der Zeiten – Geschichte und Kulturdolumente einer Stadt. 4. verbesserte und erweiterte Auflage, Verlag Norbert Ernst Henn, Ratingen 1979, S. 82ff.
- Michael Klepsch: Von Cromford nach Cromford 1992.
- in Biografie Johann Gottfried Brügelmann: Er kaufte ein Grundstück in Pempelfort von der Familie Jacobi und eröffnete unter „Brügelmann & Bredt“ eine Türkischrot-Färberei. (Memento des Originals vom 23. September 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , auf guelcher-chronik.de, abgerufen am 19. September 2016
- Philipp Andreas Nemnich: Tagebuch einer der Kultur und Industrie gewidmet, Gotische Buchhandlung, 1809 S. 288
- Burkhard Dietz: Aufbruch zu neuen Ufern. 1991.
- Johanna Lutteroth Preußens Plagiate (Memento vom 15. Juni 2013 im Internet Archive) Financial Times Deutschland vom 18. November 2012
- Gülcher-Chronik: Johann Gottfried Brügelmann. Archiviert vom Original am 23. September 2017; abgerufen am 23. September 2017.