Johann Friedrich Gentzen
Johann Friedrich Gustav Gentzen (* 24. März 1796 in Friedland (Mecklenburg); † 16. April 1871 in Neustrelitz) war ein deutscher Burschenschafter und Bibliothekar.
Leben
Johann Friedrich Gentzen war Sohn des Zimmermanns Michel Gustav Gentzen. Er besuchte die Gelehrtenschule in Friedland und begann 1815 sein Studium der Evangelischen Theologie an der Universität Berlin. 1816 wechselte er an die Universität Jena und wurde hier Mitglied der maßgeblich von seinen Landsleuten Heinrich Riemann und Karl Horn gegründeten Urburschenschaft. 1817 war er einer ihrer Vorsteher[1] und nahm am Wartburgfest teil.
Nach weiteren Studien an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und seinem Examen war er zunächst als Hauslehrer und dann als Lehrer in Eutin tätig. 1826 ging er als Collaborator ans Gymnasium Carolinum (Neustrelitz). Von 1826 bis 1833 wirkte er als Erster Lehrer an der Elementarschule und ab 1833 an der Realschule in Neustrelitz, wo Heinrich Schliemann sein Schüler war. Aus gesundheitlichen Gründen musste Gentzen 1838 den Lehrberuf aufgeben. Er wurde Redakteur der Neustrelitzer Zeitung und des von der großherzoglichen Intelligenz-Expedition veröffentlichten mecklenburg-strelitzschen Regierungsblattes Officieller Anzeiger.
1842 berief ihn Großherzog Georg zum Aufseher [d. h. Leiter] der Großherzoglichen Bibliothek, des Münzkabinetts und der Sammlung der obotritisch-wendischen Altertümer (Georgium) in Neustrelitz, die zugleich ein eigenes neues Domizil im ehemaligen Palais Bassewitz in der Tiergartenstraße (heute Teil des Gebäudekomplexes Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern) erhielten. Gentzen übte dieses Amt bis 1869 aus und baute die Sammlungen gezielt aus. Neben den Brüdern Ernst und Franz Boll in Neubrandenburg und dem Rühlower Pastor Friedrich Theodor Sponholz (1777–1862) gehörte Gentzen um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu den frühen Protagonisten südostmecklenburgischer Landesgeschichtsforschung. Die archäologischen Sammlungen seines Großherzogs erlebten eine kurze Blütezeit, die Diplomatik erfuhr einen nie zuvor da gewesenen Zuspruch. Die Bibliothek erhielt in seiner Amtszeit erstmals einen gedruckten systematischen Katalog. All das endete fast punktgenau, als Gentzen nach dem gescheiterten Editionsprojekt von Ján Kollár[2] über die sogenannten Prillwitzer Idole 1869 von allen Ämtern zurücktrat (oder sein Dienstherr ihn in den Ruhestand versetzte?).
Gentzen war seit 1829 verheiratet mit Dorothea Henriette Friederike, einer Tochter des früher in Neustrelitz tätig gewesenen Postmeisters Ludwig Barnewitz (1784–1811). Bekannt sind fünf Söhne und eine Tochter. Alle Söhne starben noch zu Lebzeiten des Vaters; der letzte, ein Seemann, wurde 1859 nach einem Schiffbruch von Strandräubern ermordet.
Gentzens letzten Lebensjahre waren von zunehmenden gesundheitlichen Schwierigkeiten begleitet.[3]
Gentzens Nachlass kam in die großherzogliche Bibliothek [später: Landesbücherei Neustrelitz] und gelangte infolge von deren Auflösung 1950 ins Landeshauptarchiv Schwerin.[4] Die nach großen Kriegsverlusten 1945 erhaltenen Reste der Altertümersammlung sind heute Teil der Sammlungen des Archäologischen Landesmuseums Mecklenburg-Vorpommern. Die einst im Georgium vereinigte Serie der Prillwitzer Idole gehören heute zum Sammlungsbestand des Mecklenburgischen Volkskundemuseums Schwerin-Mueß.
Werke
- Verzeichniß derjenigen Gegenstände, um welche das Georgium und das Großherzoglich numismatische Cabinet in dem Jahre von Michaelis 1842 bis dahin 1843 vermehrt worden sind, mit Angabe ihrer Fundörter und der gütigen Einsender. 1843
- Zweites Verzeichniß der Erwerbungen für die Sammlung heimathlicher Alterthümer und das Münzcabinet in dem Zeitraum von Michaelis 1843 bis zum Ende des Jahres 1844. 1844
- Catalog der Grossherzoglichen Bibliothek in Neustrelitz. 3 Teile in 1 Band. G. F. Spalding, Neustrelitz 1862
Literatur
- Grete Grewolls: Wer war wer in Mecklenburg und Vorpommern. Das Personenlexikon. Hinstorff Verlag, Rostock 2011, ISBN 978-3-356-01301-6, S. 3192.
- Peter Kaupp (Bearb.): Stamm-Buch der Jenaischen Burschenschaft. Die Mitglieder der Urburschenschaft 1815–1819 (= Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen. Bd. 14). SH-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-89498-156-3, S. 76.
Weblinks
Einzelnachweise
- Richard Keil, Robert Keil: Geschichte des jenaischen Studentenlebens von der Gründung der Universität bis zur Gegenwart (1548-1858). Leipzig: Brockhaus 1858, S. 366 (mit fälschlich aus Friesland statt aus Friedland)
- Siehe zum Hintergrund den Bericht Rudolf Virchows, in Zeitschrift für Ethnologie 10 (1878), S. 264 ff
- Siehe das briefliche Grusswort von Heinrich Riemann zum Jubiläum 1867, abgedruckt in: Robert Keil: Die burschenschaftlichen Wartburgfeste von 1817 und 1867. Jena: Mauke 1868, S. 145; Gentzen - gelähmt; vgl. auch schon Fritz Reuters Brief von 1863, in dem er von einem Besuch Gentzens bei Reuter in Eisenach berichtet, der aber auf mich einen sehr traurigen Eindruck gemacht hat; er war in seiner herzlichen Weise froh und heiter, nahm auch in reger Weise Theil an Natur und Kunst auf der Wartburg, aber körperlich war er entschieden bedeutend leidend. — Er hat auf mich einen mohlthuenden, aber sehr elegischen Eindruck gemacht. Karl Theodor Gaedertz: Ungedruckte Dichtungen und Briefe Fritz Reuters. In: Nord und Süd 52 (1890), S. 329
- Die Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin. Band 3: Nichtstaatliches Archivgut und Sammlungen. Schwerin: Landeshauptarchiv 2005, S. 250