Jindřichohradecké místní dráhy

Jindřichohradecké místní dráhy a.s. (JHMD) ist eine private Eisenbahngesellschaft mit Sitz in Jindřichův Hradec in Tschechien. Die von Eisenbahnfreunden gegründete Aktiengesellschaft ist seit 1998 Eigentümer und Betreiber der schmalspurigen Nebenbahnen Jindřichův Hradec–Obrataň und Jindřichův Hradec–Nová Bystřice in Südböhmen.

Geschichte

Ein typischer Reisezug der JHMD am Bahnsteig in Jindřichův Hradec (2009)

Die JHMD wurde von Eisenbahnfreunden am 19. September 1994 in Prag gegründet. Im Januar 1995 wurde die neue Gesellschaft im dortigen Handelsregister eingetragen. Die Gesellschaft betrieb fortan auf den Schmalspurbahnen von Jindřichův Hradec während der Sommermonate den touristischen Zugverkehr. Erst als am 25. Januar 1997 der regelmäßige Zugverkehr auf dem Ast nach Nové Bystřice durch die Staatsbahn České dráhy (ČD) eingestellt wurde, bewarb sich die Gesellschaft auch um eine Übernahme beider Strecken. Am 28. Februar 1998 gingen schließlich beide Schmalspurbahnen für einen symbolischen Preis von 1  an die JHMD über.

JHMD betreibt seitdem auf beiden Streckenästen sowohl den öffentlichen Personennahverkehr als auch einen touristischen Nostalgieverkehr mit historischen Fahrzeugen.

Im Jahr 1999 übernahm die JHMD von NADAS den einzigen Hersteller Tschechiens für Edmondsonsche Pappfahrkarten. Die Druckerei befindet sich seit 2000 in Kamenice nad Lipou. Die Fahrkarten werden sowohl für den eigenen Bedarf als auch für Museumsbahnen und den Nostalgieverkehr der Staatsbahn ČD produziert. Bis 2016 wurden die Pappfahrkarten noch auf den Bahnhöfen ausgegeben, von 2016 bis 2020 wurden im Regelbetrieb Abreißfahrkarten ausgegeben, die schließlich im Dezember 2020 Fahrscheinen auf Thermopapier wichen, wie sie auch die ČD ausgeben. Gleichzeitig beteiligen sich die JHMD auch am tschechischen Einheitstarif OneTicket.

Von 2009 bis 2013 war JHMD auch Betreiber des saisonalen Personenverkehrs auf den normalspurigen Strecken Čížkovice–Obrnice (Švestková dráha) und Kaštice/Vilémov–Kadaň-Prunéřov (Doupovská dráha) im Ústecký kraj. Der Geschäftsführer der JHMD, Jan Šatava gründete 2011 das eigene Eisenbahnverkehrsunternehmen Railway Capital. Er verließ die JHMD im Februar 2012 und übernahm später die Fahrzeuge und alle Verkehrsleistungen der JHMD auf Regelspurstrecken.

Im Dezember 2017 endete der Mietvertrag mit dem Technischen Nationalmuseum Prag, das in den 1990er Jahren vier Wagen und eine Lokomotive für den Betrieb der Nostalgiezüge bereitgestellt hatte. Es handelt sich dabei um die Malletlokomotive U 47.001 und vier Güterwagen. Sie werden künftig im Museumsdepot in Chomutov ausgestellt. Grund für die Auflösung des Mietvertrages war ein Schaden am Triebwerk an U 47.001, dessen Reparatur etwa zwei Millionen Kronen kosten würde. Die JHMD verweigerte jedoch die Kostenübernahme und verwies stattdessen auf die getätigten Investitionen während der Einsatzzeit der Lokomotive.[1]

Der staatliche Infrastrukturbetreiber Správa železnic übernahm am 16. Oktober 2017 die Betriebsführung für die beiden eigenen Strecken von Jindřichův Hradec nach Nové Bystřice sowie Obrataň. Die Zusammenarbeit mit der SŽDC begann nach einem Unfall im August 2016. Die Eisenbahninspektion hatte daraufhin festgestellt, dass gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten worden waren. Der Betriebsvertrag mit der Správa Železnic hat ein Volumen von zwei Millionen Kronen jährlich. Die JHMD zahlt 125.000 Kč monatlich und trägt darüber hinaus die Kosten für die Weiterbildung der Mitarbeiter und die Erstellung von Fahrplänen. Zur Anwendung kommt seitdem die Vorschrift für den vereinfachten Verkehrsdienst D3.[2]

Die JHMD kam aus finanziellen Gründen ihren Zahlungsverpflichtungen nur unvollständig nach, sodass Správa Železnic den Betriebsvertrag schließlich zum 30. September 2019 kündigte. Am 11. September 2019 beliefen sich die Außenstände auf insgesamt 1,9 Millionen Kronen. Ende September 2019 beschloss das Parlament der Region Südböhmen schließlich einen neuen Verkehrsvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren, der auch den Kauf neuer Fahrzeuge umfasst. Die Zuschüsse pro Zugkilometer werden damit von 87 auf zunächst 125 Kronen angehoben. Für die Folgejahre sind weitere Anhebungen geplant, sodass über die Vertragslaufzeit im Durchschnitt 138,65 Kronen pro Kilometer gezahlt werden. Bis 2022 will die Region Südböhmen zudem drei neue Motorzüge für die JHMD beschaffen. Am 1. Oktober 2019 schloss die JHMD nach Begleichung aller Außenstände einen neuen Betriebsvertrag mit den Správa Železnic.

Für den Streckenabschnitt in der Region Vysočina ist bis 2024 weiterhin ein Verkehrsvertrag in Kraft, der lediglich Zuschüsse von 87 Kronen pro Zugkilometer vorsieht. Sollte es nicht zu einer Vertragsverlängerung kommen, sichert die Region Südböhmen zu, weiterhin Züge bis Kamenice nad Lipou bestellen zu wollen.[3][4]

Infolge der Corona-Pandemie wurden in den Jahren 2020 und 2021 erheblich weniger Fahrgäste befördert, als üblich. Die fehlenden Einnahmen wurden zwar später von der Region Südböhmen teilweise ausgeglichen, aber nicht von der Region Vysočina. In der Folge geriet das Unternehmen endgültig in eine existenzbedrohende finanzielle Schieflage. So wurden etwa im Jahr 2021 die Beiträge zu den Kranken- und Rentenkassen sowie Steuern nicht mehr bezahlt. Im Oktober 2021 leitete das tschechische Eisenbahnamt (Drážní úřad; DÚ) darum ein Verfahren zum Entzug der Betriebserlaubnis ein.[5]

Strecken

Lokomotiven und Wagen

Diesellokomotiven und -triebwagen

Die JHMD übernahm 1997 insgesamt 11 Lokomotiven der Baureihe 705.9 (ČSD T 47.0) von den České dráhy. Diese Lokomotiven waren Mitte der 1950er Jahre speziell für die Schmalspurbahnen der ČSD von ČKD in Prag entwickelt worden. Zum Zeitpunkt der Übernahme waren fast alle dieser Lokomotiven schon über 40 Jahre alt und damit an der Grenze ihrer Lebensdauer angelangt. Um einen weiteren Betrieb dieser Lokomotiven sicherzustellen, ließ die JHMD einen Teil der Lokomotiven bei ŽOS Česká Třebová grundlegend modernisieren. Neben dem Austausch des Dieselmotors wurde auch die komplette elektrische Ausrüstung einschließlich des Traktionsgenerators ersetzt.

In jüngerer Zeit erwarb die JHMD mehrere gebrauchte Fahrzeuge von polnischen Schmalspurbahnen. Neben einer Lokomotive des rumänischen Typs FAUR L45H befinden sich darunter auch mehrere Triebwagen der PKP-Baureihe MBxd2. Sie werden in modernisierter Form („Nautilus“) auf der Strecke Jindřichův Hradec–Obrataň eingesetzt.

Übersicht der Diesellokomotiven und Triebwagen
JHMD-Nr.amtliche Nr.HerstellerBaujahrHerkunftBemerkung
T 29.014702.901ZŤS Martin1967SU, a.s.-
T 47.005705.905ČKD Sokolovo1954ČSDmodernisiert (grün)
T 47.006705.906ČKD Sokolovo1955ČSDMuseumslokomotive, seit 2016 abgestellt
T 47.007705.907ČKD Sokolovo1958ČSDbetriebsunfähig abgestellt
T 47.009705.909ČKD Sokolovo1958ČSD1998 nach Unfall ausgemustert
T 47.011705.911ČKD Sokolovo1958ČSD2016 nach Unfall abgestellt, 2021 in Aufarbeitung
T 47.012705.912ČKD Sokolovo1958ČSD1998 nach Unfall ausgemustert
T 47.015705.915ČKD Sokolovo1958ČSD2002 modernisiert (blau)
T 47.018705.918ČKD Sokolovo1958ČSD2002 modernisiert (rot)
T 47.019705.919ČKD Sokolovo1958ČSDmodernisiert (lila)
T 47.020705.920ČKD Sokolovo1958ČSDAusstellungslok in Nová Bystřice (weinrot)
T 47.021705.921ČKD Sokolovo1958ČSD2015 Verkauf an Kindereisenbahn Jekaterinburg
T 48.001706.901FAUR Bukarest1967Zuckerfabrik Tuczno, Polen2018 Verkauf an Kindereisenbahn Jekaterinburg
M 27.001805.901FAUR Bukarest1986PKP-

Dampflokomotiven

Vor den Nostalgiezügen setzen die JHMD auch Dampflokomotiven ein. Neben Fahrzeugen des Technischen Nationalmuseums Prag kommen dabei auch drei eigene Lokomotiven zum Einsatz. Zwei der Lokomotiven wurden in jüngerer Zeit in Polen bzw. Rumänien erworben.

Übersicht der Dampflokomotiven
JHMD-Nr.HerkunftHerstellerBaujahrBemerkung
U 37.002kkStB U 12Krauss/Linz1898-
U 37.008FBB Nr. 12Krauss/Linz1899Ersatzteilspender für U 37.002
U 46.001ACC Criscior Nr. 8Reșița1958-
U 46.101PKP Px48Chrzanow1953

Wagen

Für den regulären Reisezugverkehr stehen heute ausschließlich vierachsige Personenwagen der Bauart Balm/u zur Verfügung, die in den 1960er Jahren von ČKD in Prag gefertigt wurden. Die Wagen besitzen hartgepolsterte Sitzbänke, geschlossene Endbühnen, Übersetzfenster und eine eigene Ölheizung.

Der Güterverkehr wird mit Rollböcken abgewickelt, die in den 1980er Jahren von der Waggonfabrik Poprad gefertigt wurden. Einige vierachsige Schmalspurgüterwagen dienen insbesondere als Fahrradwagen in den Personenzügen.

Für den Nostalgieverkehr steht ein historischer Zug im Stil der ČSD zur Verfügung.

Literatur

  • Helmuth Lampeitl: Schmalspur-Romantik in Osteuropa. EK-Verlag, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-285-9.
  • Karel Just: Parní lokomotivy na úzkorozchodných tratích ČSD. Vydavatelství dopravní literatury Ing. Luděk Čada, Litoměřice 2001 ISBN 80-902706-5-4.
  • Gerhard Bank, Norbert Bank, Karel Kryz: JHMD Obratañ – Jindrichûv Hradec – Nová Bystrica. Bildband. Fotoverlag G.Bank, Wesseling 2013, ISBN 978-3-88579-903-0.
Commons: JHMD – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „Technické muzeum stahuje pět vozidel od JHMD, poškozenou Malletku už odvezlo“ auf www.zdopravy.cz
  2. „SŽDC převzalo organizování drážní dopravy na jindřichohradeckých úzkokolejkách“ auf www.zdopravy.cz
  3. „Jihočeši výrazně přidají úzkokolejce, ta koupí nové vlaky. Hašišbedna má na jihu skončit“ auf zdopravy.cz
  4. „JHMD splatily dluh, správa železnic jim dala novou smlouvu a dál řídí provoz na úzkokolejkách“ auf zdopravy.cz
  5. „Potíž pro JHMD. Drážní úřad poprvé zahájil řízení o odejmutí licence kvůli dluhům“ auf zdopravy.cz
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