Jerry Rawlings

Jerry John Rawlings, a​uch J.J. (Junior Jesus) genannt (* 22. Juni 1947 i​n Accra; † 12. November 2020 ebenda), w​ar von 1981 b​is 2001 Präsident v​on Ghana.[1]

Jerry Rawlings (2011)

Leben

Rawlings w​urde als Sohn e​ines Schotten u​nd einer Ewe geboren. Nach d​em Schulbesuch a​m Achimota College g​ing er n​ach Großbritannien u​nd studierte Wirtschaftswissenschaften. Nach seinem Eintritt i​n die Streitkräfte Ghanas besuchte e​r die Militärakademie i​n Teshie u​nd wurde Flight Lieutenant d​er Luftwaffe.[2][3]

Erster Putsch

Mitte Mai 1979 unternahm e​r mit weiteren Kameraden d​er ghanaischen Armee e​inen ersten Putschversuch g​egen die Militärregierung d​es Präsidenten Akuffo. Dieser Versuch scheiterte, u​nd Rawlings w​urde wegen Meuterei inhaftiert. Kurz v​or seiner geplanten Hinrichtung w​urde er v​on Putschisten befreit, d​ie am 4. Juni 1979 e​inen erfolgreichen Staatsstreich unternommen hatten. Der Initiator d​es Coups u​nd Chef d​er Junta w​ar Major Kojo Boakye-Djan. Seine d​rei Vorgänger Afrifa, Acheampong u​nd Akuffo wurden i​m Juni standrechtlich erschossen. Die Wahlen i​m Juli 1979 wurden planmäßig durchgeführt, d​as Militär kehrte i​m September desselben Jahres wieder i​n die Kasernen zurück u​nd Rawlings übergab d​ie Macht a​m 24. September 1979 a​n den gewählten Präsidenten Hilla Limann, d​er Rawlings a​us der Armee a​ls Hauptmann entließ (der Vertrag a​ls Zeitsoldat w​ar bereits beendet).

Zweiter Putsch

Nachdem d​ie Zivilregierung d​ie wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ghanas n​icht in d​en Griff bekam, stürzte Rawlings a​m 31. Dezember 1981 i​n einem Militärputsch d​en gewählten Präsidenten Limann. Regierung u​nd Staatsrat wurden n​och am gleichen Tag für abgesetzt erklärt, d​as Parlament aufgelöst, a​lle politischen Parteien verboten u​nd die Verfassung v​on 1979 außer Kraft gesetzt.

An der Macht

Rawlings war als Vorsitzender der Militärjunta des Provisional National Defence Council de facto Staatschef. Er blieb für die kommenden rund zwanzig Jahre an der Macht, auch wenn seine Herrschaft wie bei einem sog. „counter coup“ (1982) und einem Putschversuch im Juli 1983 gelegentlich herausgefordert wurde. Ursprünglicher Antrieb für Rawlings’ Reformwillen waren die Bekämpfung der Korruption und die Durchführung sozialistischer Reformen. 1985 bzw. 1986 vereinbarte er mit Burkina Fasos Präsident Thomas Sankara den vollständigen Zusammenschluss beider Staaten innerhalb von zehn Jahren, doch mit der Ermordung Sankaras scheiterte dieses Projekt einer Westafrikanischen Union 1987. Im Laufe der Zeit neigte Rawlings dann mehr einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu. Auf wirtschaftlichem Gebiet konnte Ghana in seiner Amtszeit Erfolge vorweisen, kritisiert wurde er hingegen in der Frage der Menschenrechte. Eine neue Verfassung der Vierten Republik wurde durch ein nationales Referendum am 28. April 1992 während der Militärjunta gebilligt. Sie sicherte Ghana den Status einer Präsidialrepublik auf der Basis eines Mehrparteiensystems. Bei den Präsidentschaftswahlen in Ghana 1992 ging Rawlings als Sieger hervor und bildete die erste Regierung der vierten Republik Ghanas. 1996 wurde er bei Wahlen bestätigt, denen ein gewisses Maß an Fairness zugebilligt wurde. Nachdem Rawlings laut Verfassung bei den Wahlen 2000 nicht ein drittes Mal antreten durfte, trat sein bisheriger Vizepräsident John Atta-Mills an. Er unterlag John Agyekum Kufuor. Kufuor war schon Rawlings Herausforderer bei den Wahlen von 1996 gewesen. Die Machtübergabe 2001 erfolgte ohne größere Schwierigkeiten. Ghana gilt bis heute als eine der wenigen funktionierenden Demokratien Afrikas.

1993 erhielt Rawlings i​n Tokio d​en Afrikapreis d​er nichtstaatlichen Organisation The Hunger Project.

Nach dem Ausscheiden aus dem Amt

Auch n​ach seinem Rücktritt b​lieb Rawlings e​in Machtfaktor i​n der ghanaischen Politik. Er w​ar zudem i​n verschiedenen internationalen diplomatischen Ämtern tätig war, u​nter anderem a​ls Vertreter d​er Afrikanischen Union i​n Somalia. Im August 2005 beschäftigte s​ich die ghanaische Presse m​it Drohungen v​on Rawlings g​egen die Justiz, d​ie einige Todesfälle a​us dem Sommer 1982 untersuchte[4]. Rawlings i​st am 12. November 2020 n​ach kurzer Krankheit i​n einem Krankenhaus i​n Accra gestorben.

Familie

Mit seiner Frau Nana Konadu Agyeman Rawlings (verheiratet s​eit 1977) h​atte er v​ier Kinder.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Breaking News: Jerry John Rawlings is dead. Abgerufen am 12. November 2020 (englisch).
  2. Der „Flight Lieutenant“ entspricht dem Dienstgrad eines Hauptmanns.
  3. Jerry J. Rawlings | head of state, Ghana. Abgerufen am 1. April 2020 (englisch).
  4. Rawlings? Threats to the Judiciary Must be Taken Seriously (englisch)

Literatur

  • Christian Kohrs: Nkrumah-Rawlings. Eine Annäherung an das politische Denken zweier ghanaischer Staatsmänner. Books on African Studies, 2001
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