Jean Riesen
Jean Riesen (* 13. Juli 1920 in La Chaux-de-Fonds; † 12. September 1987 in Bern) war ein Schweizer Politiker (SP) und Staatsrat des Kantons Freiburg.
Leben und Wirken
Seine Eltern waren Hans Riesen, Möbelschreiner, und Rosa geb. Marthaler. Er heiratete Fabienne Brigadoi, deren Bruder als Abgeordneter der PdA im Grossen Rat des Kantons Neuenburg saß.
Von Beruf Mechaniker, besuchte Jean Riesen Volkshochschulkurse in seiner Geburtsstadt. Von 1962 bis 1972 war er Zentralsekretär der SP Schweiz und Korrespondent der Tageszeitung La Sentinelle. Von 1963 bis 1971 organisierte er insbesondere die Wahlkampagnen auf nationaler Ebene. Obwohl er in Flamatt wohnte, vertrat er den Wahlkreis der Stadt Freiburg im Grossen Rat (1966–1971), in dem er während der ganzen Legislatur die SP-Fraktion präsidierte. Er stiess die alte sozialdemokratische Garde vor den Kopf, als er eine Werbekommission schuf, die ein Gegengewicht zum Zentralvorstand der Kantonspartei bildete; dieser war in seinen Augen unfähig, den politischen Kampf einer im Aufwind befindlichen Partei zu führen (10 Grossräte 1961, 21 im Jahr 1966 und 29 im Jahr 1971).
1967 schlug er den bisherigen Nationalrat Charles Strebel und zog an seiner Stelle in die Grosse Kammer ein, in der er 20 Jahre lang saß. 1972/73 präsidierte er die Geschäftsprüfende und 1981/82 die Finanzkommission. Ab 1979 war er Mitglied des Nationalratsbüros, von 1983 bis 1987 Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. In diesem Zusammenhang führte ihn eine Mission zugunsten vermisster Personen und Flüchtlinge nach Zypern. Über seine politischen Aktivitäten berichtete er in Fribourg-Contact (Gratis-Wochenblatt, das inzwischen eingestellt wurde) und in Travail. Es gelang ihm, grosse Netzwerke zu knüpfen, die ihm die Türen der Bundesverwaltung öffneten.
Da ihm eine bestimmte Idee der Schweiz vorschwebte, bekämpfte er im Nationalrat die Waffenexporte. In Bezug auf Biafra (sezessionistische Provinz Nigerias) erklärte er 1968: «Der Schweizer Bürger kann keine brutal grauenhafte Realität dulden. Er kann nicht glauben, dass die Schweiz, Wiege des Roten Kreuzes, aus Gewinnsucht dazu beitragen konnte, einen mörderischen Konflikt, in dem Menschen andere Menschen derselben Hautfarbe umbringen, in Gang zu halten und zu verlängern. Es gibt einen Abgrund zwischen der Waffenlieferung an Nigeria und den Aufrufen an die Grosszügigkeit des Schweizer Volks, um Biafra zu helfen.» Sein letzter Vorstoss galt der Ausfuhr des Pilatus PC-7. Er präsidierte eine Kommission, welche die Notwendigkeit einer Warenumsatzsteuer auf Energieträger zu prüfen hatte, ein Projekt, das 1996 aufgegeben wurde.
Im Februar 1966 kandidierte er bei einer Ersatzwahl des Staatsrats und erhielt ein Viertel der Stimmen. Bei den allgemeinen Wahlen im Dezember wurde er knapp geschlagen. «Das Fernsehen hat ihm den unschätzbaren Dienst erwiesen, ihn beim Freiburger Volk bekannt zu machen, und laut den nach der Sendung gesammelten Reaktionen genoss er die Sympathie des Publikums», kommentierte die Gazette de Lausanne. 1971 wurde er in den Staatsrat gewählt. An der Spitze der Baudirektion setzte er sich für den Bau der Nationalstrasse A12 ein. Die Raumplanung fiel ebenfalls in sein Ressort. In Ermangelung eines Gesetzes musste er die dringenden Bundesbeschlüsse umsetzen. Er hatte über Subventionen zu entscheiden, welche die Zivilschutzräume, den Unterhalt der staatlichen Gebäude, den Betrieb der Kiesgruben und den Kulturgüterschutz betrafen. Obwohl er 1976 nach einem enttäuschenden ersten Wahlgang, der durch das Wiedererstarken der Freisinnigen gekennzeichnet war, gedrängt wurde, sich zurückzuziehen, nahm er am zweiten Wahlgang teil und wurde geschlagen. Jean Riesen war der einzige Staatsrat, der aus der Arbeiterklasse stammte.
Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung gehörte er weiter der von Nationalrat Walter Biel geleiteten Kommission an, die das Schweizer Nationalstrassennetz zu überprüfen hatte (1979–1982). Zudem war er Präsident der Vereinigung Schweiz-Israel und begab sich auf eine schwierige Mission nach Moskau, um das schwere Los der Juden in der UdSSR zu lindern. Des Weiteren war er Ehrenpräsident der Union romande des amis de la nature.
Da die sozialdemokratische Partei von Wünnewil-Flamatt Schwierigkeiten hatte, eine Liste zu füllen, stellte er sich 1986 für die Gemeinderatswahlen zur Verfügung. Er wurde zwar nicht in die Exekutive, doch in den Generalrat gewählt.
Am 12. September 1987 starb Jean Riesen im Alter von 67 Jahren in Bern. Er liebte es, seine Freunde in Flamatt zu empfangen, darunter Bischof Pierre Mamie und Korpskommandant Pierre Hirschy: Neuenburger, die es ausserhalb ihres Kantons «zu etwas gebracht hatten», wie er scherzhaft bemerkte.
«Äusserlich war er kein raffinierter Mann. Ein Rhinozeros? Von diesem hatte er das Draufgängerische und den scheinbar gegen Schläge unempfindlichen Panzer. In Wirklichkeit jedoch zeichnete sich Jean Riesen durch seinen politischen Feinsinn aus», schrieb die Zeitung La Gruyère in ihrem Nachruf.
Literatur
- Georges Andrey, Hubertus von Gemmingen (Übersetzung): Der Freiburger Staatsrat: 1848–2011; Geschichte, Organisation, Mitglieder. Hrsg.: John Clerc, Jean-Pierre Dorand, Nicholas Gex. Paulus, Freiburg 2012, ISBN 978-3-7228-0815-4.