Jan Friedrich Tönnies

Jan Friedrich Georg Theodor Tönnies (* 10. Oktober 1902 i​n Eutin, Holstein; † 24. Dezember 1970 i​n Freiburg i​m Breisgau) w​ar ein deutscher Erfinder, Wissenschaftler, Fabrikant u​nd Politiker. Er w​ar Sohn d​es Soziologen Ferdinand Tönnies.

Leben

Nach seinem Ingenieurstudium i​n München w​urde Tönnies d​urch Vermittlung seines Vaters i​n Berlin-Buch b​ei dem diesem heimatlich verbundenen Freund, d​em Hirnforscher Oskar Vogt tätig, promovierte b​ei Heinrich Fassbender über d​en von i​hm erfundenen Differenzverstärker z​um Dr.- Ing. u​nd entwickelte d​as erste selbstschreibende EEG-Gerät. Tönnies arbeitete d​ann von 1936 b​is 1939 a​m Rockefeller-Institut i​n New York i​n enger Zusammenarbeit m​it dem späteren Nobelpreisträger Herbert S. Gasser wissenschaftlich a​uf dem Gebiet d​er Elektrophysiologie.[1][2][3]

Nach d​em Krieg b​aute Tönnies i​n Freiburg/Br. e​ine Fabrik auf, i​n der e​r bis z​u seinem Tod erfolgreich Geräte für d​ie neurophysiologische Forschung u​nd Klinik entwickelte (viele d​avon auf d​er Grundlage d​er von i​hm erfundenen Kathodenfolger, d​ie heute a​ls Emitterfolger e​ine der Grundschaltungen d​er Elektrotechnik ist) u​nd herstellte. Die Medizinische Fakultät d​er Universität Freiburg ernannte Tönnies 1968 a​uf Betreiben seines Freundes, d​es Neurologen Richard Jung i​n Anerkennung seiner Verdienste u​m die neurophysiologische Forschung z​um Dr. med. h. c.

Tönnies w​ar 1960 gemeinsam m​it Renate Riemeck Mitbegründer u​nd Mitglied i​m Präsidium d​er DFU, e​iner Partei, d​ie sich programmatisch g​egen die atomare Aufrüstung d​er Bundeswehr richtete, e​ine neutralistische Politik vertrat u​nd die militärische Abrüstung u​nd eine Entspannung d​er Konfrontation d​er Blöcke forderte. Nach d​em Einmarsch d​er Truppen d​es Warschauer Paktes i​n die Tschechoslowakei 1968 t​rat Tönnies a​us der DFU aus.

Tönnies w​ar mit d​er Malerin Elfriede geb. Balden verheiratet, e​r hatte z​wei Töchter (Janette u​nd Constanze). Der Physiker Jan Peter Tönnies i​st Sohn seines älteren Bruders, d​es Chemikers Gerrit Tönnies, d​ie Publizistin Sibylle Tönnies Tochter seines jüngeren Bruders Kuno Tönnies.

Veröffentlichungen

  • Der Neurograph, ein Apparat zur Aufzeichnung bioelektrischer Vorgänge unter Ausschaltung der photographischen Kurvendarstellung in: Die Naturwissenschaften 20. Jahrg., Heft 22/24 (1932)
  • mit A. E. Kornmüller: Registrierung der spezifischen Aktionsströme von architektonischen Rindenfeldern mittels des Tönniesschen Neurographen in: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. 120, Heft 1/4 (1933)
  • Der Neurograph, eine Apparat zur unmittelbar sichtbaren Registrierung bioelektrischer Erscheinungen in: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. 130, S. 60–67 (1933)
  • Die Ableitung bioelektrischer Effekte vom uneröffneten Schädel, Journal für Psychologie und Neurologie, 45: S. 154–171 (1933)
  • Tonvariator für Musikalitätsprüfungen Journal für Psychologie und Neurologie, 45, H. 6, S. 533–544 (1934)
  • Die unipolare Ableitung elektrischer Spannungen am menschlichen Gehirn Die Naturwissenschaften 22: S. 411–414 (1934)
  • Wechselstrom-Netzanschluss-Verstärker mit hoher zeitlicher Konstanz (Dissertation TH Berlin 1935)
  • Reflex discharges from the spinal cord over the dorsal roots, Journal of Neurophysiology 1: S. 378–390 (1938)
  • Differential amplifier, Review of Scientific Instruments 9, S. 95–97 (1938)
  • Conditioning of afferent impulses by reflex discharges over the dorsal roots, Journal of Neurophysiology 2, S. 515–525 (1939).
  • Röhrenvoltmeter für höhere Spannungen, Elektrotechnische Zeitschrift, 62. Jahrg. Heft 13/14, S. 152 (1942).
  • mit Richard Jung, Über rasch wiederholte Entladungen der Motoneurone und die Hemmungsphase des Beugereflexes, Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, Band 250 S. 667–693 (1948)
  • mit Paul Hoffmann und Eduard Schenck, Über den Beugereflex des normalen Menschen, in: Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, Band 250, S. 724–732 (1948)
  • mit Paul Hoffmann, Nachweis des völlig konstanten Vorkommens des Zungen-Kieferreflexes beim Menschen, Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, Band 250, S. 103–108 (1948)
  • mit Richard Jung, Die Registrierung und Auswertung des Drehnystagmus beim Menschen, Klinische Wochenschrift Band 26 S. 513–521 (1948) PMID 18892510
  • Die Erregungssteuerung im Zentralnervensystem, Erregungsfokus der Synapse und Rückmeldung als Funktionsprinzipien, Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift für Neurologie, Bd. 182, S. 478–535 (1949)
  • Die Technik des Elektrencephalogramms, Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift für Neurologie, Bd. 183, S. 245–256 (1949)
  • Einige technische Hilfsmittel für die Elektrencephalographie: Grundrhythmusmessung, Nachleuchtbildbeobachtung, automatisch regulierter Gleichstromverstärker, European archives of psychiatry and clinical neuroscience, ISSN 1433-8491, Band 183 245–256 (1949)
  • mit Richard Jung, Hirnelektrische Untersuchungen über Entstehung und Erhaltung von Krampfentladungen: Die Vorgänge am Reizort und die Bremsfähigkeit des Gehirns, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten vereinigt mit Zeitschrift für die Gesamte Neurologie und Psychiatrie, Band 185, S. 701–735 (1950)
  • Controreazioni sinaptiche del fenomene convulsivo, gnali di ritotno e capacita frenatrice, Riviata Di Neurologia, Vol XXI, S. 1–12 (1951)
  • mit H. H. Klepzig und H. H. Reindell, Möglichkeiten der Auswertung unipolarer EEG-Ableitungen bei einem begrenzten Frequenzbereich des Apparats, Med Monatsschr. 5(1): S. 36–41 (1951) PMID 14815225
  • Neurophysiologische Regulationen gegen das Krampfgeschehen: Rückmeldung und Bremsung, Der Nervenarzt, 23. Jg. S. 274 (Tagungsbeitrag) (1952)
  • Für die Auslösung von Impulsen von den Nervenenden in die Nervenfasern erforderliche physikalische Bedingungen, In: Acta Physiol Scand 29(1): S. 128–30 (1953) PMID 13104177
  • Der “Isosynchronismus” der Synapse als Stütze der elektrischen Übertragungsweise, Pflügers Archiv, Band 270, Heft 1 S. 7 (1959)
  • Electronics in Electro-Physiological Research, Proceedings of the Third International Conference of Medical Electronics, S. 57–60 (1960)
  • Neutralisiertes Programm für die Deutsche Einigung, Blätter für Deutsche und Internationale Politik 3/1960
  • Wettlauf Technik-Politik, Blätter für Deutsche und Internationale Politik 4/1960
  • Die physikalischen Grundlagen des EEG, Klinische Elektroencephalographie 1961, S. 39–75
  • Die Aufzeichnung des EEG-Spektrums, Electroencephalogr Clin Neurophysiol 23(4): S. 385 (1967)
  • Automatische EEG-Intervall-Spektrumanalyse (EISA) zur Langzeitdarstellung der Schlafperiodik und Narkose, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten Vereinigt mit Zeitschrift für die Gesamte Neurologie und Psychiatrie, ISSN 1433-8491, Band 212, S. 423–445 (1969)

Patente

  • 1927 – Einrichtung zum Anlassen von Wechselstrommotoren[4]
  • 1931 – Gleichstromverstärkeranordnung[5][6]
  • 1932 – Galvanische Kopplung einer Einröhrenstufe mit einer Gegentaktröhrenstufe[7]
  • 1935 – Verfahren zur Messung statischer Ladungen oder Ladungsänderungen von kleinen Kapazitäten vermittels Hochvakuumverstärkerröhren[8][9]
  • 1935 – Einrichtung zum Ableiten von elektrischen Spannungen in störungsempfindlichen Anordnungen, insbesondere am biologischen Objekt[10]
  • 1936 – Anordnung zur Regelung der Klemmenspannung an einem Stromverbraucher[11]
  • 1936 – Anordnung zum Messen von Gleichspannungen mit einer Verstärkerröhre[12]
  • 1936 – Anordnung zur Verstärkung der Differenz der Potentiale zwischen zwei Punkten, die nicht an Erde liegen, mittels eines geerdeten Verstärkers[13]
  • 1937 – Amplifier[14]
  • 1937 – Anordnung zur Aufnahme des Elektrokardiogramms mit Verstärkern[15]
  • 1937 – Anordnung zum Ausgleich des bei der Ableitung des Elektrokardiogramms in der erdenden Elektrode auftretenden Störspannungsabfalls[16]
  • 1941 – Anordnung zum Messen von Wechselspannungen[17]
  • 1950 – Synchronisiertes Elektrokadioskop[18]
  • 1950 – Einrichtung zum Photographieren der Schirmbilder mehrerer Kathodenstrahl-Oszillographen[19]
  • 1952 – Verstärkerröhrenanordnung in Kathodenfolgeschaltung[20]

Literatur

  • John C. Eccles: Jan-Friedrich Tönnies. 1971
  • Johann-Albrecht Schaeder: Nachruf auf Jan Friedrich Tönnies. 1972
  • Volker Wunderlich: Jan Friedrich Tönnies am Rockefeller-Institut in New York. 2010
  • Cornelius Borck: Hirnströme, eine Kulturgeschichte der Elektroenzephalographie. 2005
  • Volker Wunderlich: Jan Friedrich Tönnies am Rockefeller-Institut in New York, in: Tönnies-Forum Heft 1/2010, S. 36–50.
  • Volker Wunderlich: Zum Exodus gezwungen. 1933-1945. Lebenswege von Wissenschaftlern aus Berlin-Buch. 2014

Einzelnachweise

  1. Gasser, Herbert S., Autobiographie, in: Experimental Neurology 9, Suppl. 1, 1 – 38, S. 23
  2. Wunderlich, Jan Friedrich Tönnies am Rockefeller-Institut in New York, in: Tönnies-Forum, 1/2020, 19. Jahrgang
  3. der Nachruf des Nobelpreisträgers John C. Eccles auf Tönnies, in: J Neurophysiol. 1971 Sep; 34(5):937)
  4. Patent DE532318A: Einrichtung zum Anlassen von Wechselstrommotoren mit Hilfe eines asynchronen Frequenzumformers. Ergänzung: Patent DE539838A: Einrichtung zum Anlassen von Wechselstrommotoren.
  5. Gleichstromverstärkeranordnung. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  6. Gleichstromverstärkeranordnung, Ergänzung DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  7. Galvanische Kopplung einer Einröhrenstufe mit einer Gegentaktröhrenstufe DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  8. Verfahren zur Messung statischer Ladungen oder Ladungsänderungen von kleinen Kapazitäten vermittels Hochvakuumverstärkerröhren. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  9. Verfahren zur Messung statischer Ladungen oder Ladungsänderungen von kleinen Kapazitäten vermittels Hochvakuumverstärkerröhren, Ergänzung. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  10. Einrichtung zum Ableiten von elektrischen Spannungen in störungsempfindlichen Anordnungen, insbesondere am biologischen Objekt. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  11. Anordnung zur Regelung der Klemmenspannung an einem Stromverbraucher. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  12. Anordnung zum Messen von Gleichspannungen mit einer Verstärkerröhre. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  13. Anordnung zur Verstärkung der Differenz der Potentiale zwischen zwei Punkten, die nicht an Erde liegen, mittels eines geerdeten Verstärkers. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  14. Amplifier. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  15. Anordnung zur Aufnahme des Elektrokardiogramms mit Verstärkern. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  16. Anordnung zum Ausgleich des bei der Ableitung des Elektrokardiogramms in der erdenden Elektrode auftretenden Störspannungsabfalls. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  17. Anordnung zum Messen von Wechselspannungen. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  18. Synchronisiertes Elektrokadioskop. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  19. Einrichtung zum Photographieren der Schirmbilder mehrerer Kathodenstrahl-Oszillographen. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
  20. Verstärkerröhrenanordnung in Kathodenfolgeschaltun. DEPATIS-Systems des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)
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