Jan Bistřický
Jan Bistřický (* 12. Juni 1930 in Brünn; † 21. Oktober 2008 in Dačice) war ein tschechischer Historiker, Archivar, Kodikologe, Paläograph und Diplomatiker.
Leben
Jan Bistřický war der Sohn eines Dačicer Landmaschinenfabrikanten und einer Schulrektorin. Von 1945 bis 1949 besuchte er das Otokar-Březina-Gymnasium in Telč. Anschließend studierte er Historische Hilfswissenschaften an der Masaryk-Universität Brünn. Schon während des Studiums wandte er sich der Diplomatik zu und befasste sich mit den Urkunden des Vyšehrader Kollegiatstifts. Wegen seiner sozialen Herkunft war es ihm versagt, nach Studienabschluss 1953 eine wissenschaftliche Hochschullaufbahn anzustreben. Deshalb arbeitete er zunächst im Archiv für Landwirtschaft und Forstwesen in Janovice bei Rýmařov. 1955 wechselte er an das Staatsarchiv in Olmütz, wo er die Archivalien des Olmützer Domkapitels verwaltete und sich besonders mit den Urkunden des Bischofs Heinrich Zdík befasste. Erst 1964 erlangte er eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent bei Zdeněk Kristen an der Philosophischen Fakultät der Universität Olmütz, wo er nach der Promotion einen Lehrauftrag für Geschichte erhielt. In seinem wissenschaftlichen Werk befasste er sich überwiegend mit der böhmischen Geschichte der Přemysliden und der Herrschaft der Luxemburger im 14. Jahrhundert. Besondere Aufmerksamkeit widmete er den damaligen Bischöfen des Bistums Olmütz sowie dem Olmützer Domkapitel. Obwohl er eine Habilitation anstrebte, konnte er sie nicht realisieren, da er die Vorgaben der marxistischen Methodologie nicht erfüllte. Erst nach der politischen Wende von 1989 wurde er mit einer Schrift über den bedeutenden Bischof Heinrich Zdík, der von 1126 bis 1250 amtierte, habilitiert.
Seit 1983 war Jan Bistřický Mitglied der Internationalen Kommission für Diplomatik (Commission Internationale de Diplomatique), für die er 1992 in Olmütz ein Kolloquium organisierte, dessen Ergebnisse er 1998 herausgab. Zudem war er Mitglied der Kommission für die Herausgabe von mittelalterlichen Quellen aus dem Urkundenwesen der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (Komise pro vydávání středověkých pramenů diplomatické povahy, AV ČR).
2008 verfasste Jan Bistřický gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Stanislav Červenka eine Beschreibung des Horologium Olomucense, einer illustrierten Handschrift, die vom Olmützer Bischof Heinrich Zdík in Auftrag gegeben worden war. Sie wurde im Jahre 2011 postum von Stanislav Červenka, Ivo Barteček und Thomáš Bistřický herausgegeben.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Handschriftenzensus Staatsarchiv Olmütz (gemeinsam mit Miroslav Boháček und František Čáda): Seznam rukopisů Metropolitní kapituly v Olomouci [Verzeichnis der Handschriften des Metropolitankapitels in Olmütz]. In: Státní archiv v Opavě. Průvodce po archivních fondech [Staatsarchiv in Troppau. Führer durch die Archivbestände], Bd. 3, Prag 1961, S. 101–177.
- Studien zum Urkunden-, Brief- und Handschriftenwesen des Bischofs Zdík von Olmütz, 1980.
- Das Kanzlei- und Urkundenwesen der Bischöfe von Olmütz im 14. Jahrhundert. In: Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung, Bd. 35, München 1985, S. 351–360.
- Přemyslovský palác v Olomouci [Der Přemysliden-Palast in Olmütz]. 2 Bände, 1988.
- Graphische Symbole in den ältesten böhmischen Urkunden. 1991.
- Die Bischöfe von Olmütz. In: Erwin Gatz: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches von 1198 bis 1448. Berlin 2001, ISBN 3-428-10303-3, S. 503–516.
- Die älteste Besiedelung des oberen Thayatals. In: Das Waldviertel, Zeitschrift für Heimat- und Regionalgeschichte des Waldviertels und der Wachau. 2001, Nr. 1, S. 29–37.
- Olomoucké horologium / Horologium Olomucense. Kolektář biskupa Jindřicha Zdíka[1]. Hrsg. mit Stanislav Červenka. Olomouc 2011, ISBN 978-80-244-2446-0.
Herausgeberschaften
- Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, Band III, Fasc. 3: Acta spuria et additamenta inde ab anno MCCXXXI usque ad annum MCCXL, ISBN 80-244-0106-1, 2000.
- Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, Band III, Fasc. 4: Index nominum et glossarium inde ab anno MCCXXXI usque ad annum MCCXL. ISBN 80-244-0402-8, 2002.
- Typologie der Königsurkunden. Colloquium der Commission Internationale de Diplomatique 1992. Olomouc 1998, ISBN 80-7067-925-5.
Literatur
- Ivan Hlaváček: Nachruf Jan Bistřický. In: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde. Band 55, 2009, S. XI–XIV.
- Olomoucké horologium / Horologium Olomucense. Kolektář biskupa Jindřicha Zdíka. Olomouc 2011, ISBN 978-80-244-2446-0, S. 6.