Jakob Johann von Weyrauch
Jakob Johann (James) Weyrauch, ab 1899 von Weyrauch, (* 8. Oktober 1845 in Frankfurt am Main; † 13. Februar 1917 in Stuttgart) war ein deutscher Mathematiker, Ingenieur und Rektor der Technischen Hochschule in Stuttgart.
Leben
Weyrauch wurde in Frankfurt am Main als Sohn des Kaufmanns Robert Weyrauch und seiner Frau Berta, geb. Waenz geboren. Er verlor früh seine Eltern und wuchs im Haus eines protestantischen Pfarrers auf. Er studierte Ingenieurwesen (und gleichzeitig Mathematik und Physik für das Lehramt) 1864 bis 1867 am Polytechnikum (Mitglied des Corps Helvetia Zürich (WSC))[1] und an der Universität in Zürich (Mitglied des Corps Tigurinia) und promovierte 1868. Danach leistete er seinen Militärdienst und arbeitete zeitweilig am Bau der Berliner Verbindungsbahn. Er nahm am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teil und setzte danach sein Studium in Brüssel und Paris (Sorbonne) fort und reiste durch England, Belgien, Deutschland und Österreich. Nach der Habilitation (1874) an der TH Stuttgart wurde er 1876 außerordentlicher und 1880 ordentlicher Professor für Ingenieurtechnik, Elastizitätslehre, Wärmetheorie und Aeromechanik an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Mehrfach bekleidete er das Amt des Rektors (1889–1892, 1899–1902). Mehrere Rufe an andere Universitäten schlug er aus.
In seinem Buch Allgemeine Theorie und Berechnung der kontinuierlichen und einfachen Träger von 1873 führte er die Methode der Einflusslinien ein (der Name stammt von ihm). 1874 veröffentlichte er die erste historische Analyse der graphischen Statik (Die Graphische Statik. Historisches und Kritisches).
Er veröffentlichte die Arbeiten von Robert Mayer und vertrat dessen Priorität (gegenüber Hermann von Helmholtz) als Begründer des Energieerhaltungssatzes. Er bemühte sich auch die Baustatik aus allgemeinen Prinzipien – zum Beispiel basierend auf dem Energiesatz – zu begründen und nahm damit nach Kurrer eine Pionierrolle in der klassischen Phase der Strukturmechanik ein. Wegen seiner liberalen Geisteshaltung und einiger scharfer Polemiken, in die er verwickelt war, blieb ihm nach Kurrer in Deutschland die Anerkennung versagt (er war weder Mitglied von Akademien noch erhielt er einen Ehrendoktor).
Er war in eine Polemik mit Julius Weingarten über die thermodynamischen Aspekte des Satzes von Castigliano verwickelt.
Ehrungen
- 1881 und 1883 erhielt er den Telford Prize der Institution of Civil Engineers.
- 1899 wurde er mit dem Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen Krone[2] ausgezeichnet. Damit war der württembergische persönliche Adel (Nobilitierung) verbunden.
Politik
1907 gehörte er als Vertreter der TH Stuttgart wenige Monate dem württembergischen Landtag an. Er legte das Mandat aus gesundheitlichen Gründen wieder nieder.
Veröffentlichungen
- Allgemeine Theorie und Berechnung der kontinuierlichen und einfachen Träger, Teubner 1873.
- Die Graphische Statik. Historisches und Kritisches, Zeitschrift für Mathematik und Physik, Band 19, 1874, S. 361–390.
- Theorie elastischer Körper. Eine Einleitung zur mathematischen Physik und technischen Mechanik, Teubner 1884.
- Über statisch unbestimmte Fachwerke und den Begriff der Deformationsarbeit, Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen 1908, S. 91–108.
- Über den Begriff der Deformationsarbeit in der Theorie der Elastizität fester Körper, Nachrichten Ges. Wiss. Göttingen 1909, S. 242–246.
- Der Escher-Linth-Kanal. Eine Historisch-technische Studie, Orell-Füßli, Zürich 1868.
- Die Festigkeitseigenschaften und Methoden der Dimensionenberechnung der Eisen- und Stahlkonstruktion, Teubner, 1876, 2. Aufl. 1889.
- Englische Übersetzung: Strength and calculation of dimensions of iron and steel constructions, with reference to the latest experiments, Van Nostrand, New York 1877.
- Grundriß der Wärmetheorie, Stuttgart: Konrad Wittwer, 2 Bände, 1905–1907.
- Theorie der Elastischen Bogenträger, München: Ackermann 1879, 2. Auflage 1897.
- Elastische Bogenträger, Stuttgart, K. Wittwer, 3. Auflage 1911.
Die Darlegung seiner Theorie der Stützwände durch Malverd Howe erschien 1886 bei John Wiley & Sons in New York (Retaining walls for earth, in 2. Auflage 1891).
Literatur
- Württembergischer Nekrolog, 1917.
- Johannes von Muralt: Das Corps Tigurinia zu Zürich 1850-1940, Zürich, 1940, S. 199–200.
- Karl-Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium, Ernst & Sohn 2018, S. 508f, S. 514ff, S. 926f und S. 1079f (Biografie), ISBN 978-3-433-03229-9.
- Frank Raberg: Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016604-2, S. 1010–1011.
Einzelnachweise
- Samuel Mühlberg: Das Corps Helvetia Zürich (sog. Schwarz-Helvetia), Mitgründer des WSC. In: Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung e.V., Band 50, 2005, S. 490.
- Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Württemberg 1907, S. 35.