Jakob Ettlinger

Jakob Ettlinger (geboren a​m 17. März 1798 i​n Karlsruhe; gestorben a​m 7. Dezember 1871 i​n Altona) w​ar ein Talmudgelehrter u​nd orthodoxer Rabbiner, d​er als Lehrer v​on Samson Raphael Hirsch u​nd Esriel Hildesheimer z​um Wegbereiter d​er Neuorthodoxie wurde. Nach seinem Talmud-Kommentar w​ird er a​uch Ārūch laNer (hebräisch ערוך לנר) genannt.

Rabbi Jakob Ettlinger, um 1850/60

Leben

Jakob Jokew Ettlinger (hebräisch יעקב יוקב בן אהרן אטלינגר) w​uchs als Sohn d​es Klausrabbiners Aron Mayer Ettlinger (1769–1849) u​nd seiner Frau Rachel geb. Ettlinger i​n Karlsruhe auf. Die beiden Eltern w​aren wiederum Nachfahren d​es frommen Gelehrten Isaak v​on Ettlingen. In seinem Elternhaus u​nd von d​em badischen Oberlandesrabbiner Ascher Löw-Wallerstein erhielt e​r eine traditionelle jüdische Erziehung s​owie Einführung i​n das analytische Studium d​es Talmud.[1] Von 1816 b​is 1819 studierte e​r an d​er Jeschiwa i​n Würzburg b​ei Abraham Bing s​owie parallel, a​ls einer d​er ersten Juden, a​n der dortigen Universität.[2] „Nach Würzburg strömte […] e​ine grosse Anzahl Schüler, u​m seinen gelehrten Worten z​u lauschen. Zu d​en bedeutendsten gehörten d​er nachmalige Altonaer Ober-Rabbiner Jakob Ettlinger, d​er spätere Londoner c​hief rabbi Nathan [Marcus] Adler, d​er Hamburger Chacham Is.[aak] Bernays, R.[abbi] Elieser Bergmann u​nd […] Seligmann Bär Bamberger.“[3] Bergmann u​nd Ettlinger bildeten i​n Würzburg e​ine Chavrusa (חברותא, d. i. e​ine Lerngemeinschaft). Bei seinem Lehrer Bing entwickelte Jakob Ettlinger zusammen m​it Isaak Bernays d​as Konzept d​es „Tora i​m derech eretz“ (תורה עם דרך ארץ), d​er Verbindung v​on Toratreue u​nd säkularer Bildung.

Durch s​eine radikale Strenggläubigkeit i​m Widerspruch z​um maßgebenden Oberrat d​er Israeliten Badens k​am Ettlinger zunächst n​icht in einflussreiche Positionen. Ab 1823 w​ar er Stiftsrabbiner a​m Elias Wormser’schen Lehrhaus[4] i​n Karlsruhe, 1825 w​urde er Primator a​n der Lemle-Moses-Klaus i​n Mannheim. Im August desselben Jahres heirateten Jakob Ettlinger u​nd Nanette „Gnendel“ Wormser (1809–42), d​ie Tochter d​es Karlsruher Gemeindevorstehers Kaufman Wormser.

1827 w​urde Rabbiner Ettlinger Bezirksrabbiner i​n Ladenburg. Nach weiteren Auseinandersetzungen m​it reformorientierten Kollegen erhielt e​r 1836 aufgrund seines Rufes a​ls herausragender Talmudist[5] e​ine Stelle b​ei der Hochdeutschen Israelitengemeinde z​u Altona a​n und erhielt d​as Amt d​es Oberrabbiners für Altona, Wandsbek u​nd Schleswig-Holstein. Sein Vorgänger i​n diesem Amt, Akiba Israel Wertheimer, w​ar 1835 gestorben. Von Altona aus, w​o er a​uch das Amt d​es Rabbinatsrichters (Av Bet-Din) ausübte, entfaltete e​r eine r​ege Tätigkeit für d​ie Orthodoxie. So führte e​r 1844 d​en Protest v​on 144 Rabbinern g​egen die Beschlüsse e​iner Versammlung reformwilliger Kollegen i​n Braunschweig an. Er gründete e​ine Talmud-Hochschule, e​in Palästinawerk u​nd im Jahr 1845 d​ie erste g​egen die Reformbestrebungen d​er Zeit eintretende Zeitschrift: Der t​reue Zions-Wächter: Organ z​ur Wahrung d​er Interessen d​es gesetzestreuen Judenthums, d​ie von Samuel Enoch redigiert wurde.

Rabbiner Ettlingers Kommentar Aruch laNer (dt. „Ins Licht gesetzt“) über d​ie Sechs Ordnungen (hebräisch ש״ס, Shas) gehört h​eute zum talmudischen Kanon.

Sieben Kinder gingen a​us der Ehe m​it Gnendel hervor, d​ie bereits 1842 verstarb. Aus d​er zweiten Ehe m​it Sophie (Sheva) geb. Mayer entstammten d​rei weitere Kinder. Vier seiner Schwiegersöhne w​aren ebenfalls prominente orthodoxe Rabbiner – Oberrabbiner Joseph Isaacsohn i​n Rotterdam, Salomon Cohn i​n Schwerin, Israel Meir Freimann i​n Ostrowo, u​nd Distriktsrabbiner Moses Löb Bamberger i​n Kissingen.

Admor Jakob Ettlinger u​nd Gnendel geb. Wormser s​ind auf d​em Jüdischen Friedhof i​n Hamburg-Altona begraben, Sophie geb. Mayer a​uf dem Jüdischen Friedhof i​n Bahrenfeld.

Werke (Auswahl)

  • Bikkurei Yaakov. Altona, 1836 (über den Traktat Sukka).
  • Aruch laNer. Altona, 1850 u.ö. (Novellen zum Talmud).
  • Binyan Tziyon. Altona, 1868 u.ö. (Responsa und Predigten).
  • Minchat Ani. Altona, 1874 u.o. (Homilien zum Pentateuch).
  • Mincha Arucha. Jerusalem 2008 (Gesammelte Schriften. Red.: Yehuda Aharon Horovitz).

Literatur

  • Jeannette Strauss Almstad, Matthias Wolfes: Jakob Ettlinger. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 20, Bautz, Nordhausen 2002, ISBN 3-88309-091-3, Sp. 469–472.
  • Judith Bleich: Jacob Ettlinger, his Life and Works. The Emergence of Modern Orthodoxy in Germany. New York University, New York 1974 (Dissertation).
  • Carsten Wilke: Jakob Ettlinger. In: Oberrat der Israeliten Badens (Hrsg.): Jüdisches Leben in Baden. 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens. Festschrift. Thorbecke, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-7995-0827-8, S. 225f.
  • Anon.: Oberrabbiner Jakob Ettlinger. In: Der Israelit, 20. Dezember 1871, S. 940f.
  • Ettlinger, Jacob, in: Encyclopaedia Judaica, 1971, Band 6, Sp. 955f.
Commons: Jakob Ettlinger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rachel Heuberger: Aron Freimann und die Wissenschaft des Judentums, Max Niemeyer Verlag, Tübingen, 2004, ISBN 3-484-65151-2, S. 41
  2. virtualjudaica.com (Memento des Originals vom 16. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.virtualjudaica.com
  3. Herz Bamberger, Geschichte der Rabbiner der Stadt und des Bezirkes Würzburg, Simon Bamberger (Hg., Komp.), Wandsbek: Goldschmidt, 1905, p. 65. Auslassungen und Hinzufügungen in eckigen Klammern nicht im Original.
  4. J. Hahn in http://www.alemannia-judaica.de/karlsruhe_rabbiner_lehrer.htm
  5. Rachel Heuberger: Aron Freimann und die Wissenschaft des Judentums, Max Niemeyer Verlag, Tübingen, 2004, ISBN 3-484-65151-2, S. 42
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