Ismael Ivo
Ismael Ivo (geboren 17. Januar 1955 in São Paulo; gestorben 8. April 2021 ebenda)[1] war ein brasilianischer Tänzer und Choreograf, der viele Jahre in Deutschland, Italien und Österreich arbeitete. Spartenübergreifend bewegte sich Ivo zwischen traditionellem Modern Dance, Ausdruckstanz und zeitgenössischen Tanzformen.
Leben
Ivo wurde 1955 im Stadtteil Vila Prudente der Großstadt São Paulo geboren und wuchs im Stadtteil Vila Ema in bescheidenen Verhältnissen auf. Seine Mutter, die als Hausangestellte arbeitete, war alleinerziehend. Ivo interessierte sich bereits früh für Tanz und es gelang ihm, dank verschiedener Stipendien, Tanzschulen zu besuchen. Ihm gelang die Aufnahme ins Tanzensemble des Teatro de Dança Galpão in São Paulo. Später lud ihn der Choreograf Klauss Vianna ein, Teil der experimentellen Tanzgruppe des Theatro Municipal zu werden, wo er für ein Jahr blieb.[2]
Nach mehreren Auszeichnungen als bester Solotänzer in São Paulo folgte er 1983 der Einladung von Alvin Ailey und wurde Mitglied des Alvin Ailey Dance Centers in New York. Im Jahr 1985 übersiedelte Ivo nach Europa. Seither arbeitete er über zwei Jahrzehnte mit Akteuren der internationalen Tanz-, Musik- und Theaterszene wie Johann Kresnik, George Tabori, Heiner Müller, Usiho Amagatsu, Mina Yoo, Yoshi Oida, Koffi Koko, Marcia Haydée, der Fotografin Anno Wilms[3] und vielen anderen.
Ismael Ivo gründete 1984 gemeinsam mit Karl Regensburger das zum größten europäischen Tanzfestival gewachsene ImPulsTanz in Wien. Von 1987 bis 2006 war das Theaterhaus Stuttgart seine künstlerische Heimat.[4] Es gab zahlreiche Uraufführungen, wie zum Beispiel Francis Bacon von 1994, ein Tanzstück, in dem Ismael Ivo einige der Gemälde von Francis Bacon tänzerisch bearbeitete. Mit diesem Stück ist Ismael 2016 für ein Gastspiel nach Stuttgart zurückgekehrt.[5] 1995 tanzte er die viel beachtete Theaterhaus-Produktion Othello, ebenfalls eine Uraufführung. In Stuttgart arbeitete er auch mit Marcia Haydée, der Stuttgarter Tänzerin und Ex-Ballettdirektorin, zusammen.[4] Von 1996 bis 2005 leitete Ivo das Tanztheater des Deutschen Nationaltheaters in Weimar, von 2005 bis 2012 die Sektion Tanz der Biennale Venedig. Dort führte er den Goldenen Löwen der Biennale in der Gattung Tanz ein. In Italien gründete er 2009 das Ausbildungsprojekt „Contemporary Dance Research Center ARSENALE DELLA DANZA“, das ab 2013 in Wien und São Paulo unter dem Namen „Biblioteca do Corpo“ fortgeführt wurde. 2013 war Ismael Ivo Gastprofessor am Max-Reinhardt-Seminar der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
Von 2017 bis 2020 war Ismael Ivo Direktor des Balé da Cidade de São Paulo. Dort wurde er im November 2017 gemeinsam mit dem Dirigenten Roberto Minczuk zum Co-Intendanten des Theatro Municipal São Paulo, dem wichtigsten Theater und Opernhaus São Paulos, ernannt.[6] Ivo war Mitglied der Jury eines der weltweit größten Tanzwettbewerbe in Seoul, Korea (SIDC), und gehörte dem Beirat der Iwanson-Sixt-Stiftung zeitgenössischer Tanz an. Im Herbst 2020 wurde er Berater beim Fernsehsender TV Cultura.[6]
Ivo erlitt 2020 zwei Schlaganfälle, von denen er sich erholte.[7] Am 8. April 2021 verstarb Ivo im Alter von 66 Jahren an COVID-19 im Hospital Sírio-Libanês in São Paulo, wo er bereits über einen Monat hospitalisiert war.[8][9] Ismael Ivo wurde auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof in Berlin-Schöneberg bestattet.[10]
Auszeichnungen
- 2006: Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien
- 2010: Ordem do Mérito Cultural, höchste kulturelle Auszeichnung Brasiliens[11]
- 2017: Medaille von São Paulo und Trófeu Raça Negra Preis
- 2018: Verdienstorden Brasiliens
- 2019: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst[12]
- 2021: Österreichischer Kunstpreis für Darstellende Kunst (posthum)[13]
Weblinks
- ismael-ivo.com Offizielle Website des Künstlers
- Ismael Ivo (BR). Artist Archive. In: impulstanz.com. 24. April 2018, abgerufen am 21. Mai 2020.
- Ismael Ivo. Biographie. ecotopia dance productions, 2006, abgerufen am 21. Mai 2020.
- ImpulsTanz-Mitbegründer Ismael Ivo mit 66 Jahren verstorben, derstandard.de, 9. April 2021
Literatur
- Johannes Odenthal: Utopien des Körpers. Zum Tod des Tänzers und Choreografen Ismael Ivo, in: Tanz 5/2021, S. 16 f.
- Andrea Amort: Ewig in Bewegung. Der Mitbegründer von Impulstanz Ismael Ivo war mehr als ein Tänzer und Choreograf. Er nahm den Menschen die Scheu vor dem eigenen Körper. In: Falter 15/21, 14. April 2021, S. 31.
Einzelnachweise
- ImPulsTanz-Mitbegründer Ismael Ivo gestorben in: ORF.at, 9. April 2021
- Morre o coreógrafo Ismael Ivo, vítima da Covid-19. In: Veja. 8. April 2021, abgerufen am 9. April 2021 (brasilianisches Portugiesisch).
- Anno Wilms: Ismael Ivo - Körper und Tanz. Verlag: St. Gallen / Berlin / São Paulo, Edition diá, 1990. ISBN 3905482517 / ISBN 9783905482515
- Tim Schleider: Der Tänzer Ismael Ivo ist gestorben. In: Stuttgarter Zeitung. 9. April 2021, abgerufen am 25. April 2021.
- Ismael Ivo: Francis Bacon - Theaterhaus Stuttgart. Abgerufen am 25. April 2021.
- Ismael Ivo (BR). In: ImPulsTanz. Abgerufen am 9. April 2021.
- Juliene Moretti: Ismael Ivo, diretor do Balé da Cidade, sofre dois AVCs. In: Veja São Paulo. 3. Juli 2020, abgerufen am 9. April 2021 (brasilianisches Portugiesisch).
- Victor Dias: Coreógrafo Ismael Ivo morre de covid-19 em SP. In: Diário do Centro do Mundo. Abgerufen am 9. April 2021 (brasilianisches Portugiesisch).
- Morre de Covid, aos 66 anos, o bailarino e coreógrafo Ismael Ivo. Abgerufen am 10. April 2021 (brasilianisches Portugiesisch).
- Treffen der Superstars und Newcomer. In: Kronen Zeitung. 12. Juli 2021, S. 36.
- Ismael Ivo, O Sr. Embaixador – Cultura – Estadão. 20. November 2018, abgerufen am 9. April 2021.
- Hohe Auszeichnung für ImPulsTanz-Mitbegründer Ismael Ivo. 24. Juli 2019, abgerufen am 24. Juli 2019.
- Österreichischer Kunstpreis an Gelatin, Hundegger und Roisz. In: ORF.at. 5. August 2021, abgerufen am 5. August 2021.