Isan (Sprache)

Isan (thailändisch ภาษาอีสาน, RTGS Phasa Isan, Aussprache: [pʰaːsǎː ʔiːsǎːn]) ist ein Überbegriff für eine Reihe von Dialekten, die zu den südwestlichen Tai-Sprachen zählen und in der Nordostregion (Isan) Thailands gesprochen werden. Sie bilden ein Dialektkontinuum mit dem Thailändischen und dem Laotischen, stehen jedoch dem in Laos gesprochenen Lao näher als dem Zentral-Thai.[2] Es gibt keine Standardvarietät der „Isan-Sprache“, sondern eine Vielzahl lokaler, gegenseitig verständlicher Mundarten.[3] Isan wird hauptsächlich zur informellen, mündlichen Kommunikation verwendet. Wenn es geschrieben wird, dann in der Regel mit dem thailändischen Alphabet und nur äußerst selten mit der Tai-Noi-Schrift, einer Vorform der laotischen Schrift.

Isan

Gesprochen in

Thailand
Sprecher 15 Mio.
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in -
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

tai

ISO 639-3

tts

Verwendung

Isan ist die Erstsprache der laostämmigen Mehrheitsbevölkerung in den meisten Provinzen der Nordostregion (die Ausnahmen sind Nakhon Ratchasima, deren lokaler Dialekt Khorat-Thai dem Zentral-Thai näher steht, sowie Surin und die südlichen Teile von Buri Ram und Si Sa Ket, wo die Mehrheitsbevölkerung Khmer spricht).

Es hat jedoch keinen offiziellen Status, vonseiten der thailändischen Regierung wird es als Dialekt des Thailändischen betrachtet. Kommunikation mit Behörden findet ausschließlich auf Standard-Thai statt, das auch einzige Unterrichtssprache an staatlichen Schulen und Hochschulen ist. Es gibt kaum Massenmedien, die auf Isan erscheinen bzw. senden. Infolgedessen verbinden viele Zentralthailänder, aber auch einige Isan-Sprecher selbst, Isan mit einem geringen Sozialprestige. Wer nur Isan und nicht auch Standard-Thai spricht, gilt oft als ungebildet und rückständig. Insbesondere jüngere, besser gebildete, in Großstädten oder außerhalb der eigenen Region lebende Nordostthailänder vermeiden es, in der Öffentlichkeit oder in Gegenwart von Thailändern aus anderen Regionen, ihre Heimatsprache zu sprechen.[3]

Fast alle Isan-Sprecher praktizieren eine Diglossie: Standard-Thai in offiziellen Zusammenhängen (als „hohe“ Varietät), Heimatdialekt in privaten und informellen Situationen („niedere“ Varietät).[4][5] Auch Code-Switching, das heißt das Hin- und Herwechseln zwischen beiden Sprachen, teilweise sogar innerhalb eines Satzes, ist weit verbreitet.[3]

Andererseits verwenden Minderheitengruppen in Nordostthailand – etwa Phu Thai und nördliche Khmer – Isan als Zweitsprache und lingua franca zur Kommunikation mit Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung oder anderen Minderheiten als der eigenen.[6][7][8]

Klassifikation

Viele Linguisten betrachten Isan als eigene Sprache, auch wenn allgemein anerkannt ist, dass (Zentral-)Thai, Isan und Lao ein Dialektkontinuum bilden, also ohne scharfe Grenzen ineinander übergehen. Andererseits wird auch vertreten, dass Isan nur ein Dialekt bzw. eine Dialektgruppe, entweder des Laotischen oder des Thailändischen sei. Dem auf Sprachen Südostasiens spezialisierten Linguisten Nick Enfield zufolge, erfolgt die Abgrenzung von „Lao“, „Thai“ und „Isan“ eher aus subjektiven, politischen, historischen und sozialen Gründen als anhand linguistischer Merkmale. Daher sei es unmöglich, allein mit sprachwissenschaftlichen Methoden die Thesen, dass Isan eine eigene Sprache sei, dass Isan und Lao unterschiedliche Sprachen oder dieselbe Sprache oder dass Thai, Lao und Isan Dialekte einer einzigen Sprache seien, zu be- oder zu widerlegen.[9]

Vergleich mit dem Thailändischen und Laotischen

Identische Wörter (abgesehen vom z. T. unterschiedlichen Ton)
DeutschIsanLaotischThailändischDeutschIsanLaotischThailändisch
Sprache ภาษา, pʰáː sǎː ພາສາ, pʰáː sǎː ภาษา, pʰaː sǎː Stadt เมือง, mɯ´ːaŋ ເມືອງ, mɯ´ːaŋ เมือง, mɯːaŋ
Religion ศาสนา, sȁːt sáʔ nǎː ສາສນາ, sȁːt sáʔ nǎː ศาสนา sàːt sàʔ nǎː Regierung รัฐบาล, lāt tʰáʔ bàːn ຣັຖບາລ, rāt tʰáʔ bàːn รัฐบาล, rát tʰàʔ baːn
Himmel สวรรค์, sáʔ vǎn ສວັຣຄ໌, sáʔ vǎn สวรรค์, sàʔ wǎn gut gehen สบาย, sáʔ bàːj ສະບາຽ, sáʔ bàːj สบาย, sàʔ baːj
Kind เด็ก, dék ເດັກ, dék เด็ก, dèk glücklich sein ดีใจ dìː t͡ɕàːj ດີໃຈ, dìː t͡ɕàːj ดีใจ, di: tɕaːj
Straße ถนน, tʰáʔ nǒn ຖນົນ, tʰáʔ nǒn ถนน, tʰàʔ nǒn Sonne อาทิตย์, ʔaː tʰīt ອາທິຕຍ໌, ʔaː tʰīt อาทิตย์, ʔa: tʰít
Identische Wörter im Laotischen und Isan, unterschiedlich im Thai
DeutschIsanLaotischThailändischDeutschIsanLaotischThailändisch
nein บ่, bɔː ບໍ່, bɔː ไม่, mâj sprechen เว้า, vâw ເວົ້າ, vâw พูด, pʰûːt
wie viel ท่อใด, tʰɔ̄ː dàj ທໍ່ໃດ, tʰɔ̄ː dàj เท่าไหร่, tʰâw ràj zu tun เฮ็ด, hēt* ເຮັດ, hēt ทำ, tʰam
lernen เฮียน, hían ຮຽນ, hían เรียน, rian Glass จอก, t͡ʃɔ̏ːk ຈອກ, t͡ʃɔ̏ːk แก้ว, kɛ̂ːw
dort drüben พู้น, pʰûn ພຸ້ນ, pʰûn โน่น, nôːn Obst หมากไม้, mȁːk mâj ໝາກໄມ້, mȁːk mâj ผลไม้, pʰǒn láʔ máːj
zu viel โพด, pʰôːt ໂພດ, pʰôːt เกินไป, kɤn paj rufen เอิ้น, ʔɤˆːn ເອີ້ນ, ʔɤˆːn เรียก, rîːak
ein bisschen หน่อยนึง, nɔ̄ːy nɯ¯ŋ ໜ່ອຽນຶ່ງ, nɔ̄ːj nɯ¯ŋ นิดหน่อย, nít nɔ`ːj Haus, Zuhause เฮือน, hɯ´ːan ເຮືອນ, hɯ´ːan บ้าน, bâːn
absenken หลุด, lút ຫຼຸດ (ຫລຸດ), lút ลด, lót Wurst ไส้อั่ว, sȁj ʔua ໄສ້ອ່ົວ, sȁj ʔūa ไส้กรอก, sâj krɔ̀ːk
laufen ย่าง, ɲāːŋ ຍ່າງ, ɲāːŋ เดิน, dɤːn älteres Kind ลูกกก, lûːk kók ລູກກົກ, lûːk kók ลูกคนโต, lûːk kʰon toː
Frangipani ดอกจำปา, dɔ̏ːk t͡ʃam paː ດອກຈຳປາ, dɔ̏ːk t͡ʃam paː ดอกลั่นทม, dɔ`ːk lân tʰom Tomate หมากเล่น, mȁːk lēːn ໝາກເລັ່ນ, mȁːk lēːn มะเขือเทศ, mâʔ kʰɯ̌ːa tʰêːt
viel หลาย, lǎːj ຫຼາຍ, lǎːj มาก, mâːk Schwiegervater พ่อเฒ่า, pʰɔ̄ː tʰȁw ພໍ່ເຖົ້າ, pʰɔ̄ː tʰȁw พ่อตา, pʰɔ̑ː taː
aufhören,stopp เซา, sáw ເຊົາ, sáw พอ mögen มัก, māk ມັກ, māk ชอบ, tɕʰɔ̂ːp
viel Glück โซกดี, sôːk diː ໂຊຄດີ, sôːk diː โชคดี, tɕʰôːk diː lecker แซบ, sɛ̂ːp ແຊບ, sɛ̂ːp อร่อย, ʔàʔ rɔ`j
Spaß ม่วน, mūan ມ່ວນ, mūan สนุก, sàʔ nùk wirklich อิหลี, ʔīː lǐː ອີ່ຫຼີ, ʔīː lǐː จริง, tɕiŋ
elegant โก้, kôː ໂກ້, kôː หรูหรา, rǔː rǎː Kuh, Ochse งัว, ŋúaː ງົວ, ŋúaː วัว, wua

Literatur

  • James R. Chamberlain: Review of: Isan-Thai-English dictionary, by Preecha Phinthong, compiler. In: Mon-Khmer Studies. Bd. 21, 1992, ISSN 0147-5207, S. 247–249.
  • Richard Charles: Speak Isaan Thai. 2 Bände. 2nd edition. See Sip Publications, s. l. 2010, ISBN 978-974-618-645-2 (Bd. 1), ISBN 978-616-90284-0-6 (Band 2).
  • John Draper: Isan. The planning context for language maintenance and revitalization. In: Second Language Learning & Teaching. Band 4, wce.wwu.edu (PDF; 142 kB)
  • N.J. (Nick) Enfield: How to define ‘Lao’, ‘Thai’, and ‘Isan’ language? A view from linguistic science. (PDF; 256 kB) In: Tai Culture, Band 7, Nr. 1, S. 62–67.

Einzelnachweise

  1. Thai, Northeastern
  2. J. Draper: Isan: the planning context for language maintenance and revitalization (Memento des Originals vom 6. März 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.usq.edu.au 2004 (englisch) abgerufen am 4. Dezember 2011
  3. Duncan McCargo, Krisadawan Hongladarom: Contesting Isan-ness. Discourses of Politics and Identity in Northeast Thailand. (PDF) In: Asian Ethnicity, Band 5, Nr. 2, Juni 2004, S. 224–225.
  4. David Bradley: Languages of Mainland South-East Asia. In: The Vanishing Languages of the Pacific Rim. Oxford University Press, Oxford/New York 2007, S. 301–336, auf S. 312.
  5. Saowanee T. Alexander, Duncan McCargo: Diglossia and identity in Northeast Thailand: Linguistic, social, and political hierarchy. In: Journal of Sociolinguistics, Band 18, Nr. 1, Februar 2014, S. 60–86.
  6. S. Premsrirat: Thailand. Language Situation. In: Encyclopedia of language & linguistics. 2. Auflage. Band 1. Elsevier, Amsterdam u. a. 2006, S. 643.
  7. William A. Smalley: Linguistic Diversity and National Unity. Language Ecology in Thailand. University of Chicago Press, Chicago 1994, S. 200.
  8. Barbara Grimes: East Mon-Khmer Languages. In: William J. Frawley: International Encyclopedia of Linguistics. 2. Auflage. Band 1. Oxford University Press, Oxford / New York 2003, S. 488.
  9. N.J. (Nick) Enfield: How to define ‘Lao’, ‘Thai’, and ‘Isan’ language? A view from linguistic science. (PDF; 256 kB) In: Tai Culture, Band 7, Nr. 1, S. 62–67.
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