Intellekt
Der Intellekt (von lateinisch intellectus ‚Erkenntnisvermögen‘, ‚Einsicht‘, ‚Verstand‘) ist ein philosophischer Begriff. Er bezeichnet die Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen, und die Instanz im Menschen, die für das Erkennen und Denken zuständig ist. „Intellekt“ wird oft als Synonym für „Verstand“ verwendet, kann aber auch die Bedeutungen „Vernunft“, „Bewusstsein“ oder „Geist“ haben.
Begriffsgeschichte
In der Antike diente in der römischen Philosophie das Substantiv intellectus, das vom Verb intellegere („erkennen“, „verstehen“) abgeleitet ist, zur Übersetzung des griechischen Begriffs Nous. Der Nous spielte in der griechischen Philosophie, insbesondere bei Platon und Aristoteles und in den von ihnen gegründeten Philosophenschulen (Platonische Akademie, Peripatos), eine wichtige Rolle. Cicero nannte den Nous nicht intellectus, sondern bediente sich anderer Ausdrücke wie animus, mens, ratio und ingenium, aber bei Seneca und anderen Autoren der römischen Kaiserzeit war der Ausdruck intellectus geläufig. In der Spätantike verwendete Boethius intellectus als philosophischen Fachausdruck. In den Werken des Kirchenvaters Augustinus erscheint intellectus in der Bedeutung „vernünftige Einsicht“ und meist synonym mit ratio („Überlegung“, „Denkvermögen“, „Vernunft“, „Einsicht“). Der Sprachgebrauch von Augustinus und Boethius war für die Folgezeit wegweisend, da diese Autoren im Mittelalter Autoritäten hohen Ranges waren.
In der scholastischen Philosophie und Theologie des Mittelalters war intellectus ein zentraler Begriff, der vor allem von der Nous-Vorstellung des Aristoteles geprägt war. Gemäß dem aristotelischen Konzept unterschieden die mittelalterlichen Gelehrten zwischen dem intellectus agens, dem „tätigen“ oder „bewirkenden“ oder aktiven Intellekt und dem intellectus possibilis, dem „möglichen Intellekt“, den Aristoteles als „erleidenden Nous“ (nous pathētikós) bezeichnet hatte, weil er passiv ist und nur Einwirkungen erfahren kann. Einer falschen mittelalterlichen Etymologie zufolge, die von Autoren wie Thomas von Aquin und Meister Eckhart verbreitet wurde, sind intellegere und intellectus aus intus legere („inwendig lesen“) abgeleitet. Thomas versteht darunter das Erfassen des den Sinnen nicht zugänglichen „Inneren“ eines Dinges.[1] Für Meister Eckhart bedeutet intellectus ein inneres Erfassen von etwas in doppeltem Sinne: inwendig im Intellekt und inwendig in den Prinzipien des Erkenntnisobjekts.[2]
Ins Deutsche wurde das Wort aus dem Lateinischen als Fremdwort übernommen und bürgerte sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts ein. Herder verwendete 1797 noch die lateinische Form (Der reine Intellectus), bei Goethe ist das Wort schon eingedeutscht (Intellect). Das zugehörige Adjektiv intellektuell („geistig“) war schon im späten 18. Jahrhundert gebräuchlich; es war aus dem Französischen übernommen worden (intellectuel).[3]
Siehe auch
Literatur
- Reinhard Romberg: Intellekt. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4, Schwabe, Basel 1976, Sp. 435–438.
- Mildred Galland-Szymkowiak: Intellekt. In: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie, Band 2, Felix Meiner, Hamburg 2010, ISBN 978-3-7873-1999-2, S. 1115–1118.
- Herbert A. Davidson: Alfarabi, Avicenna, and Averroes on Intellect: Their cosmologies, theories of the active intellect, and theories of human intellect. New York/Oxford 1992.
Weblinks
Anmerkungen
- Albert Zimmermann: Glaube und Wissen. In: Andreas Speer (Hrsg.): Thomas von Aquin: Die Summa theologiae. Werkinterpretationen, Berlin 2005, S. 271–297, hier: 289.
- Udo Kern: „Gottes Sein ist mein Leben“, Berlin 2003, S. 47.
- Hans Schulz: Deutsches Fremdwörterbuch, Band 1, Straßburg 1913, S. 300.