Institut für Theorie des Staates und des Rechts
Das Institut für Theorie des Staates und des Rechts (ITSR) war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ein außeruniversitäres Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin-Mitte, das als Akademieinstitut zur Forschungsgemeinschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR gehörte.
Gegründet wurde das Institut am 31. Oktober 1972,[1] als Direktor fungierte Wolfgang Weichelt.[2] Dem ITSR gehörten 85 Mitarbeiter an, darunter 65 Wissenschaftler,[2] die sich insbesondere mit Grundlagenforschung in den Rechtswissenschaften beschäftigten.[3] Die politisch-ideologische Basis der Arbeit waren dabei die Ergebnisse der Babelsberger Konferenz von 1958, welche die marxistisch-leninistische geprägte Staats- und Rechtstheorie in der DDR bestimmten. Ab 1975 führte das Institut eine Reihe von Symposien zur Rechtstheorie mit internationaler Beteiligung durch (Leiter: Karl A. Mollnau).[4]
Strukturell gliederte sich das Institut in Bereiche für „Staats- und Verfassungstheorie“ (Leiter: Wolfgang Weichelt, Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR), „Rechtstheorie“ (Leiter: Karl A. Mollnau), „Analyse und Kritik des bürgerlichen Staates und Rechts und der bürgerlichen Staats- und Rechtsideologie“ (Leiter: Karl Heinz Röder, Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR), "Staats- und Rechtsgeschichte" (Leiter: Karl-Heinz Schöneburg), „Staats- und rechtstheoretische Fragen der Wirtschaftsleitung“ (Leiter: Uwe-Jens Heuer, Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR) sowie „Völkerrecht“ (Leiter: Bernhard Graefrath).[5][6]
In der Zeit der friedlichen Revolution in der DDR erfolgte Ende 1989 die Umbenennung in „Institut für Rechtswissenschaft“. Zum Direktor wurde im März 1990 Karl-Heinz Röder, zuvor stellvertretender Institutsdirektor und vorübergehend amtierender Institutsdirektor, gewählt.[7] Im gleichen Jahr wurde das Institut evaluiert und im Ergebnis zum Ende des Jahres 1991 aufgelöst.[7] Am Institut hatte das 1974 an der Akademie der Wissenschaften gegründete Nationalkomitee für politische Wissenschaften der DDR (Vorsitzender: Karl-Heinz Röder) seinen Sitz. 1975 wurde das Nationalkomitee Kollektivmitglied der Internationalen Vereinigung für Politische Wissenschaft (IPSA).[8]
Literatur
- Anweisung über die Gründung des Instituts für Theorie des Staates und des Rechts vom 30. August 1972, Vizepräsident Ulrich Hofmann, in: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften - bbaw Archiv -: VA 15205, Seite 147
- Inge Fiedler: Gründung des Instituts für Theorie des Staates und des Rechts an der Akademie der Wissenschaften der DDR, in: Wissenschaftliches Leben, Staat und Recht 1/1973, Seite 110–112
- Herwig Roggemann: Die DDR-Verfassungen. Einführung in das Verfassungsrecht der DDR - Grundlagen und neuere Entwicklung -, Berlin Verlag Arno Spitz, Berlin 1989
- Inga Markovits. Die Abwicklung. Ein Tagebuch zum Ende der DDR-Justiz, Verlag C.H. Beck, München 1993
- Jahrbuch 1990/91 der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Koordinierungs- und Abwicklungsstelle für die Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR (KAI-AdW), Akademie Verlag, Berlin 1994, Seite 149
- R. Dreier / J. Eckert / K.A. Mollnau / H. Rottleuthner (Hrsg.): Rechtswissenschaft in der DDR 1949–1971, Nomos, Baden-Baden 1996
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Autorenkollektiv (Hrsg. Institut für Theorie des Staates und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR):
- Marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie. Lehrbuch, Staatsverlag, Ost-Berlin, 1975,1980
- Wolfgang Weichelt (Hrsg.):
- Verfassung der DDR: Dokumente. Kommentar. Staatsverlag, Ost-Berlin 1969
- Der Staat im politischen System der DDR, Staatsverlag, Ost-Berlin 1986
- Karl A. Mollnau (Hrsg.):
- Rechtshandbuch für den Bürger, Staatsverlag, Ost-Berlin 1985
- Selbstverständnis der Rechtswissenschaft und sozialistischer Rechtsstaat, Neue Justiz 1/1990, Seite 2ff.
- Die Rechtsstaatsproblematik in der Rechtswissenschaft der DDR, in: Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft 1996, Heft 9, Seite 15–28
- Karl-Heinz Röder und Jörg Franke:
- Political Science Research in the German Democratic Republic, in: GERMAN DEMOCRATIC REPUBLIC, International Handbook of Political Science, edited by William G. Andrews, Greenwood Press, Westport, Connecticut 1982, Seite 178ff.
- Karl-Heinz Röder:
- Political Science in the German Democratic Republic, in: PS: Political Science and Politics, Washington, D.C., September 1989
- Karl-Heinz Schöneburg:
- Wolfgang Abendroth (1906–1985): Kein staats- und rechtstheoretischer Nekrolog, in: Staat und Recht 7/1987, Seite 571 ff.
- Karl-Heinz Schöneburg (Hrsg.):
- Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Rechtsphilosophie, Akademieverlag, Ost-Berlin 1987
- Uwe-Jens Heuer (Hrsg.):
- Wirtschaftsrecht. Lehrbuch, Staatsverlag, Ost-Berlin 1985
- Marxismus und Demokratie, Staatsverlag, Ost-Berlin 1989
- Bernhard Graefrath (Hrsg.):
- Probleme des Völkerrechts, Staatsverlag, Ost-Berlin 1985
- Menschenrechte und Kooperation, Staatsverlag, Ost-Berlin 1988
Einzelnachweise
- Rosemarie Will: Die juristische Fakultät in der DDR. In: Stefan Grundmann, Michael Kloepfer, Christoph G. Paulus, Rainer Schröder, Gerhard Werle (Hrsg.): Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. De Gruyter, Berlin und New York 2010, ISBN 978-3-89949-629-1, S. 797–848
- Institut für Theorie des Staates und des Rechts (ITSR) Berlin-Mitte. In: Werner Scheler: Von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zur Akademie der Wissenschaften der DDR: Abriss zur Genese und Transformation der Akademie. K. Dietz, Berlin 2000, ISBN 3-32-001991-0, S. 446
- Institut für Rechtswissenschaft (IfR), Berlin. In: Heinrich Best (Hrsg.): Sozialwissenschaften in der DDR und in den neuen Bundesländern: Ein Vademecum. Informationszentrum Sozialwissenschaften, Berlin 1992, ISBN 3-82-060083-3, S. 272
- Uwe-Jens Heuer: Die Rechtsordnung der DDR: Anspruch und Wirklichkeit. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1995, ISBN 3-78-903631-5, S. 558
- Jürgen Kocka, Renate Mayntz: Wissenschaft und Wiedervereinigung: Disziplinen im Umbruch. Akademie-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-05-003270-7, S. 199 (Fußnote 40)
- Jan Wielgohs: Graefrath, Bernhard. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, S. 318.
- Karl A. Mollnau, Heinz Mohnhaupt: Deutsche Demokratische Republik 1958–1989. Band 5 der Reihe: Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften (1944–1989): Einführung in die Rechtsentwicklung mit Quellendokumentation. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-46-503300-0, S. XXXVII–XXXIX
- Hubertus Buchstein, Gerhard Göhler: After the Revolution: Political Science in East Germany. PS: Political Science and Politics, Band 23, Nr. 4, 1990, S. 668–673