Imperiale Überdehnung
Imperiale Überdehnung (englisch: imperial overstretch) beschreibt die Tendenz mächtiger Staaten mit großem geographischem Einflussbereich, ihre materiellen und personellen Ressourcen an einer Vielzahl von Einsatzorten gleichzeitig einzusetzen und ihre Kräfte damit zu überfordern. Eine imperiale Überdehnung kann den beginnenden Niedergang eines Imperiums anzeigen. Paul Kennedy untersuchte in seinem Geschichtswerk Aufstieg und Fall der großen Mächte, das 1987 erschien, die ökonomische und militärische Entwicklung multinationaler Staaten seit der europäischen Renaissance. Kennedys zentrale These besagt, dass die Machtstellung von Staaten immer der Höhe ihrer ökonomischen Gesamtproduktion entspreche. Er beschreibt einen gleichbleibenden Verlauf von Aufstieg, Überdehnung, Erschöpfung und Abstieg. Daraus leitete er Prognosen ab: er sagte den Abstieg der Sowjetunion und der USA voraus, die ihren Zenit überschritten hätten, den Aufstieg Japans und Chinas und unter bestimmten Bedingungen auch den der EU.
Historische Beispiele
Im 6. Jahrhundert eroberte das byzantinische Reich ehemals römische Gebiete in Italien und Nordafrika von den Ost- und Westgoten zurück. Auf die hierdurch verursachte imperiale Überdehnung reagierte der oströmische Kaiser Maurikios mit der Gründung der Exarchate von Ravenna 584 und Karthago 590.
Imperiale Überdehnung drohte auch dem britischen Empire, das zur Zeit seiner größten Ausdehnung (1922) ein Viertel der Landfläche der Erde umfasste. Auch hier wurde das Problem durch Delegation von Macht und Verwaltungsaufgaben gelöst – in Indien etwa an lokale Fürsten, in Ägypten und Sudan an den Khediven von Kairo.
Weblinks
- Jens von Scherpenberg: Imperiale Überdehnung? Die USA und die steigenden Kosten des »Kriegs gegen den Terror«. (PDF; 111 kB) In: swp-berlin.org. September 2003 .