Ich steh an deiner Krippen hier
Ich steh an deiner Krippen hier ist ein bekanntes evangelisches und ökumenisches Weihnachtslied.
Inhalt
Den im Original fünfzehnstrophigen Text schuf der lutherische Theologe und Dichter Paul Gerhardt. Er wurde 1653 in Johann Crügers Gesangbuch Praxis Pietatis Melica veröffentlicht. An die Stelle des Wir der meisten Lieder der Reformationszeit tritt die Ich-Form. Dieses Ich ist jedoch in Paul Gerhardts Verständnis exemplarische Selbstaussage des kirchlichen Glaubens, nicht quasi-biografische Selbstdarstellung. Gerhardt folgt auch in diesem Lied einer Frömmigkeitsbewegung im orthodoxen Luthertum, die unter anderen von Johann Arndt angeregt wurde.[1] Obwohl das Lyrische Ich und das Jesuskind als getrennte Personen gedacht werden, wird eine Art Paarmystik angestrebt, eine Frömmigkeit, wie sie später für den Pietismus kennzeichnend wurde. Sie endet in diesem Lied mit dem Wunsch, dass das lyrische Ich selbst die Krippe sein möge, in der Jesus liegt. Der Text lebt von Kontrasten wie Größe – Kleinheit, Armut – Reichtum, wobei das scheinbar arme und schwache Kind in der Krippe als wahrhaft mächtig und reich erkannt wird, der Glaubende, der ihm begegnet, sich dagegen als armselig und leer erfährt, solange das Kind ihn nicht beschenkt und verwandelt.
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf verstärkte um die Mitte des 18. Jahrhunderts in einer siebenstrophigen Textbearbeitung im Sinne des Pietismus die subjektiven und erfahrungsbezogenen Akzente des Gerhardtschen Textes.
Das Evangelische Gesangbuch von 1993 enthält unter Nr. 37 neun von Paul Gerhardts 15 Strophen (1, 3, 4, 5, 7, 10, 11, 13 und 14) in behutsamer textlicher Überarbeitung, das Gotteslob unter Nr. 256 (GLalt 141) die Strophen 1, 3, 4 und 5. Das Mennonitische Gesangbuch enthält unter dem Titel Ich steh an deiner Krippe hier unter der Nr. 251 sieben Strophen (1, 3, 4, 5, 7, 10, 11, 13 und 14), Feiern & Loben unter Nr. 208 die Strophen 1, 3, 4, 5, 13 und 14.
Melodie
Als Melodieangabe steht im Erstdruck „Nun freut euch lieben Christen“. Gemeint ist die von Martin Luther 1529/1533 komponierte „ruhigere“ Melodie zu Nun freut euch, lieben Christen g’mein, die später mit dem Text Es ist gewisslich an der Zeit (EG 149) verbunden wurde. Mit dieser Melodie wurde Ich steh an deiner Krippen hier in zahlreiche ältere Gesangbücher aufgenommen und erscheint mit ihr auch in Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium von 1734.
1736 gab Georg Christian Schemelli in Leipzig ein Musicalisches Gesang-Buch heraus, für das Johann Sebastian Bach zu Paul Gerhardts Text eine arienartige, eher für die Privatandacht und den Solo-Gesang gedachte Melodie in c-Moll komponierte. Diese Melodie erlangte im 18. und vor allem 19. Jahrhundert große Volkstümlichkeit und fand schließlich auch in den Gemeindegottesdienst und die evangelischen Kirchengesangbücher Eingang. Im Gotteslob von 1975 wurde die ältere Melodie genutzt, während im neuen Gotteslob von 2013 auf die Bach-Melodie zurückgegriffen wird; auf die Luther-Melodie wird als Alternative hingewiesen.
Text
Originaltext 1653[2] | Evangelisches Gesangbuch |
1. JCh steh an deiner krippen hier / |
1. Ich steh an deiner Krippen[3] hier, |
2. Du hast mit deiner lieb erfüllt | |
3. Da ich noch nicht geboren war / |
2. Da ich noch nicht geboren war, |
4. Jch lag in tiefster todesnacht / |
3. Ich lag in tiefster Todesnacht, |
5. Jch sehe dich mit freuden an / |
4. Ich sehe dich mit Freuden an |
6. Vergönne mir / o Jesulein / | |
7. Wann offt mein hertz im leibe weint / |
5. Wann oft mein Herz im Leibe weint |
8. Wer ist der meister / der allhier | |
9. Wo nehm ich weißheit und verstand | |
10. O daß doch so ein lieber stern |
6. O daß doch so ein lieber Stern |
11. Nehmt weg das stroh / nehmt weg das heu / |
7. Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, |
12. Zur seiten wil ich hier und dar | |
13. Du fragest nicht nach lust der welt / |
8. Du fragest nicht nach Lust der Welt |
14. Eins aber hoff ich wirst du mir / |
9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, |
15. Zwar solt ich dencken / wie gering |
Literatur
- Christian Bunners: 37 – Ich steh an deiner Krippen hier. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Nr. 2. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-50321-0, S. 28–33 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
- Michael Fischer: Ich steh an deiner Krippen hier (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
- Ich steh an deiner Krippen hier im Liederprojekt von Carus-Verlag und SWR2
- Xaver Frühbeis: Wortreich vor dem Herrn: „Ich steh an deiner Krippen hier“. BR-Klassik, Mittagsmusik extra, 26. Dezember 2014
- Die Folge des Wochenliederpodcasts zum Lied
Einzelnachweise
- Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 2. Auflage. Mohr, Tübingen 1985, ISBN 3-16-144902-9, S. 110–113.
- Kürzel ausgeschrieben
- Die alte Dativform „Krippen“ (vgl. Deutsche Sprachlehre 1830) wurde im EG beibehalten, im Gotteslob (1975 und 2013) durch „Krippe“ ersetzt.