Honigwespen
Die Honigwespen (Masarinae) bilden eine Unterfamilie der Faltenwespen (Vespidae) in der Ordnung der Hautflügler. Als Ausnahme innerhalb der Wespen versorgen sie ihren Nachwuchs nicht mit erbeuteten Insekten, sondern mit aus Blüten gesammelten Pollen und Nektar. Celonites, die einzige Gattung, die auch Mitteleuropa erreicht, ist durch die aposematische schwarz-gelbe Warnfärbung der Wespen in Verbindung mit gekeulten Fühlern hier fast unverkennbar.
Honigwespen | ||||||||||||
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Pseudomasaris coquilletti | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Masarinae | ||||||||||||
Latreille, 1802 |
Merkmale
Honigwespen sind kleine bis mittelgroße solitäre Wespen mit einem sitzenden freien Hinterleib (Gaster), d. h. ein Stielchen (Petiolus) ist nicht ausgebildet (Unterschied zu vielen solitären Faltenwespen der Eumeninae). Eine Längsfaltung der Flügel (namensgebend für die Faltenwespen) ist bei den meisten Gattungen nicht ausgeprägt, sie tritt nur auf bei der Gattung Celonites (mit den einzigen mitteleuropäischen Vertretern) und der Pollenwespen (Quartinia).[1][2] Die Unterfamilie ist von anderen Faltenwespen an der Kombination folgender Merkmale unterscheidbar[3]: Die Marginalzelle M im Vorderflügel (die Zelle vor dem Flügelmal) ist zur Flügelspitze hin etwas vom Flügelrand abgerückt, dadurch ist die Radialader mindesten in gleicher Länge wie das Flügelmal vom Rand entfernt; das Mesoscutum des Rumpfabschnitts besitzt vor den Tegulae keinen Längskiel; der Femur der Mittelbeine hat niemals einen Basalring. Bei den meisten Arten ist außerdem charakteristisch, dass die äußeren (distalen) Segmente der Antennengeißel, meist die Segmente 8 bis 12 oder 13, eine Fühlerkeule ausbilden. Außerdem sind im Vorderflügel nur zwei Cubitalzellen ausgeprägt (nicht drei wie bei den meisten anderen Vespidae).[4]
Bei den meisten Honigwespen (der Tribus Masarini) sind, in Anpassung an die Ernährungsweise als Blütenbesucher, die Mundwerkzeuge durch Bildung eines Saugrüssels modifiziert; eine solche Saugrüsselbildung ist innerhalb der Faltenwespen einzigartig und konvergent zum Saugrüssel der Bienen evolviert. Anders als bei diesen sind an der Bildung des Rüssels einzig die Glossae des Labiums beteiligt. Der Saugrüssel ist bei manchen Arten, etwa der Pollenwespen, so lang, dass er im gestreckten Zustand die Körperlänge übersteigt, im Ruhezustand ist er schlingenförmig zusammengelegt in das Labium zurückgezogen. Es gibt aber auch etliche Arten mit kurzem oder ganz ohne Saugrüssel. Die Mandibeln sind nicht an der Nahrungsaufnahme beteiligt, sie werden etwa zum Graben und zum Nestbau eingesetzt.[5] Zum Pollensammeln zur Verproviantierung der Larven dienen spezielle Borstenreihen an der Stipes der Maxillen mit deren Laden (Lacinia und Galea).[6]
Lebensweise
Honigwespen sind solitär nistende Wespen mit Ausnahme von Trimeria howardi, die eine kommunale Lebensweise besitzt, bei der mehrere Weibchen ein gemeinsames Nest anlegen, aber jede nur ihren eigenen Nachwuchs versorgt.[7]
Weibchen bauen ein Nest, indem sie entweder in tonigem oder lehmigen (nur ausnahmsweise in sandigen)[2] Böden einen Erdbau graben. Dazu feuchten sie den Boden mit Wasser an und formen mit den Mandibeln eine kleine Erdkugel, die sie anschließend forttragen oder in eine turmartige Röhre um den Nesteingang herum aufschichten. Einige Pollenwespen nutzen leere Schneckenhäuser zur Nestanlage.[8] Andere nutzen Seide zum Nestbau im lockeren Sand, um die Sandkörner zusammen zu halten.[9][10] Viele Arten bauen stattdessen aus Lehm gemauerte, röhrenförmige Brutnester, die an Pflanzen oder an Steine angeheftet werden. Dazu trägt die Wespe Lehmkügelchen, die mit Speichel und Wasser angefeuchtet sind, zum entstehenden Nest, die sie anschließend zu halbmondförmigen Wandpartien verarbeitet. Zu den solche Lehmnester bauenden Arten gehören die auch in Mitteleuropa vorkommenden Celonites[11] und die nordamerikanische Pseudomasaris[12]. Honigwespen legen, wie andere Wespen, aber anders als Bienen, in eine fertige Brutzelle zunächst ein Ei und verproviantieren die Zelle erst anschließend. Nach der kurzen Eiphase werden fünf Larvenstadien durchlaufen, typischerweise in kurzer Zeit (nur einer bis zwei Wochen). Anschließend verpuppt sich die Larve in einem selbst gesponnenem Kokon. Die neu entstehende Wespe (Imago) überwintert meist innerhalb des Kokons und schlüpft erst im folgenden Frühjahr.[8]
Als Besonderheit innerhalb der Wespen verproviantieren Honigwespen ihr Nest, als Nahrung für die Larve, mit einer Mischung aus Pollen und Nektar aus Blüten. Viele Arten sind dabei spezialisiert auf nur eine oder wenige verwandte Pflanzengattungen (oligolektisch). Anders als bei den meisten Bienen wird die Nahrung intern, im Kropf, transportiert.[13] Die besonders artenreiche südafrikanische Fauna ist fast zur Hälfte spezialisiert auf eine einzige Familie, die Mittagsblumengewächse.[8][14] Die einzige nordamerikanische Gattung Pseudomasaris ist spezialisiert auf Wasserblattgewächse[12] und die Gattung Bartfaden (Penstemon) der Wegerichgewächse. Die mitteleuropäische Honigwespe sammelt nur an Lippenblütlern mit verkürzter Oberlippe.[11]
Verbreitung und Lebensraum
Honigwespen bevorzugen trockene, semiaride Lebensräume. Artenreich sind sie besonders in Regionen mit Mittelmeerklima. Die Honigwespen werden in Regionen mit kühleren Klimaten rasch seltener. Nur eine Art, Celonites abbreviatus, erreicht auch Mitteleuropa und ist auch hier selten und auf trockenwarme (xerotherme) Lebensräume beschränkt.[11][15] Bei weitem die meisten Arten leben in nur zwei Regionen, der Mittelmeerregion in Europa und Nordafrika (mehr als 60 Arten, davon 45 in der Gattung Celonites[16]) und dem Fynbos und der Karoo im Südwesten von Südafrika (etwa 145 Arten). In Nordamerika sind sie auf den Westen, vor allem Kalifornien, beschränkt (14 Arten). Etwa 23 Arten leben in Südamerika und knapp 30 Arten in Australien. In Asien fehlen die Honigwespen fast ganz, wenige Arten kommen in Westasien, im Anschluss an die mediterranen Vorkommen, vor.[14] In Mitteleuropa lebt nur eine Art (möglicherweise ist eine zweite ausgestorben[17]).
Phylogenie und Systematik
Die Familie umfasst nach heutiger Kenntnis etwa 300 Arten in 14 Gattungen.[18] Die Honigwespen wurden der Auffassung des britischen Forschers Owain W. Richards 1962 folgend früher meist als eigenständige Familie Masaridae mit drei Unterfamilien Masarinae, Gayellinae und Euparagiinae gefasst.[19] Eine Revision durch den amerikanischen Entomologen James Michael Carpenter 1982[20] fasste dann die früheren Familien Vespidae, Masaridae und Eumenidae in einer Familie Vespidae zusammen, von denen die Masarinae (wie die Euparagiinae) eine Unterfamilie sind. Diese Auffassung hat sich rasch durchgesetzt.
Innerhalb der Familie werden zwei Triben unterschieden:
- Masarini Latreille, 1802
- Gayellini Bradley, 1922[21] endemisch in der Neotropis, nördlich bis Mexiko. Mit zwei Gattungen, Gayella (in Patagonien) und Paramasaris (im tropischen Südamerika).
Nach genetischen Daten sind die Masarinae möglicherweise die Schwestergruppe der Unterfamilien Eumeninae, Vespinae und Polistinae zusammengenommen.[22] Dies unterscheidet sich gegenüber früheren Modellen vor allem in der Stellung der Stenogastrinae, die demnach nicht in diese Klade gehören würden.
Literatur
- Sarah K. Gess: The Pollen Wasps: Ecology and Natural History of the Masarinae. Harvard University Press, 1996, ISBN 978 0674281684, 340 Seiten.
Einzelnachweise
- Bryan N. Danforth, Charles D. Mitchener (1988): Wing folding in the Hymenoptera. Annals of the Entomological Society of America 81 (2): 342–349.
- Volker Mauss, Andreas Müller: Beobachtungen zur Lebensweise der Pollenwespe Quartinia canariensis Blüthgen, 1958 (Hymenoptera: Vespidae: Masarinae) in Fuerteventura (Kanarische Inseln, Spanien). In: Mitt. Ent. V. Stuttgart, Jg. 51, Heft 1, 2016, S. 12–13 (PDF).
- Henri Goulet, John T. Huber: Hymenoptera of the world: An identification guide to families. Centre for Land and Biological Resources Research, Ottawa 1993, ISBN 0-660-14933-8, S. 214, 216.
- James Chester Bradley (1922): The Taxonomy of the Masarid Wasps, Including a Monograph on the North American Species. University of California Publications, Technical Bulletins, College of Agriculture, Agricultural Experiment Station Entomology 1 (9), S. 369–464 (PDF download auf digitalcommons.usu.edu).
- Harald W. Krenn, Volker Mauss, J. Plant (2004): Die Mundwerkzeuge der Masarinae (Vespidae): Evolution eines Saugrüssels zur Nektaraufnahme bei Faltenwespen. Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (1.-3.10.2004), Kurzfassungen der Vorträge und Poster, S. 11–13.
- Volker Mauss, Kenneth Kuba, Harald W. Krenn: Evolution of the multifunctional mouthparts of adult Vespinae. Chapter 14. In: Harald W. Krenn (editor): Insect Mouthparts. Form, Function, Development and Performance. Springer, Cham 2019, ISBN 978-3-030-29653-7.
- James H. Hunt, Amy L. Toth: Sociality in Wasps. Chapter 4. In: D.R. Rubenstein, P. Abbot (editors): Comparative Social Evolution. Cambridge University Press, 2017. ISBN 978 1107043398.
- Sarah K. Gess, Friedrich W. Gess: Wasps and bees in southern Africa. SANBI Biodiversity Series 24. SANBI South African National Biodiversity Institute, Pretoria 2014, ISBN 978-1-919976-73-0.
- Pollenwespen-Gattung Quartinia produziert Seide, um ihre Nester in Wüstengebieten zu verfestigen. idw, 8. April 2021, eingesehen 13. April 2021.
- Dominique Zimmermann, Susanne Randolf, Volker Mauss: Morphological adaptations to silk production by adult females in the pollen wasp genus Quartinia (Masarinae, Vespidae) – a keystone character for ground nesting in dry sand habitats. In: Arthropod Structure & Development, Band 62, Mai 2021, Artikel 101045.
- Heiko Bellmann, Matthias Helb: Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos Naturführer. Franckh‐Kosmos‐Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 344006932X (Unterfamilie Masarinae auf S. 156–161).
- Vince Tepidino: Pollen Wasps. USDA Forest Service.
- Bryan N. Danforth, Robert L. Minckley, John L. Neff, Frances Fawcett: The Solitary Bees: Biology, Evolution, Conservation. Princeton University Press, 2019, ISBN 978 0691168982. S. 23–24.
- Sarah K. Gess (1992): Biogeography of the Masarine Wasps (Hymenoptera: Vespidae: Masarinae), with Particular Emphasis on the Southern African Taxa and on Correlations Between Masarine and Forage Plant Distributions. Journal of Biogeography , 19 (5), S. 491–503. JSTOR 2845768
- Volker Mauss, Reinhold Treiber: Bestimmungsschlüssel für die Faltenwespen (Hymenoptera: Masarinae, Polistinae, Vespinae) der Bundesrepublik Deutschland. DJN Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, Göttingen 1994, ISBN 3-923376-17-0.
- Volker Mauss (2013): Description of Celonites andreasmuelleri sp.n. (Hymenoptera, Vespidae, Masarinae) from the Middle East with a key to the Palaearctic species of the C.abbreviatus-complex of the subgenus Celonites s. str. Journal of Hymenoptera Research 31, S. 79–95. doi:10.3897/JHR.31.4235
- Volker Mauss, Rainer Prosi: First record of the pollen wasp Celonites rugiceps BISCHOFF 1928 (Hymenoptera, Vespidae, Masarinae) from Central Europe. In: Linzer biologische Beiträge. 45/1, Linz 2013, S. 697–701 (zobodat.at [PDF]).
- James Michael Carpenter (2001): Checklist of Species of the Subfamily Masarinae (Hymenoptera: Vespidae). American Museum Novitates no.3325, 40 Seiten. doi:10.1206/0003-0082(2001)325<0001:COSOTS>2.0.CO;2
- Owain Westmacott Richards (1962): A revisional study of the Masarid wasps (Hymenoptera, Vespoidea). British Museum (Natural History), London 1962.
- James Michael Carpenter (1982): The phylogenetic relationships and natural classificition of the Vespoidea (Hymenptera). Systematic Entomology 7, S. 11–38. doi:10.1111/j.1365-3113.1982.tb00124.x
- James Michael Carpenter (1988): The phylogenetic system of the Gayellini (Hymenoptera, Vespidae, Masarinae). Psyche 95, S. 211–242.
- Sarah Bank, Manuela Sanna, Christoph Mayer, Karen Meusemann, Alexander Donath, Lars Podsiadlowski, Alexey Kozlov, Malte Petersen, Lars Krogmann, Rudolf Meier, Paolo Rosa, Thomas Schmitt, Mareike Wurdack, Shanlin Liu, Xin Zhou, Bernhard Misof, Ralph S. Peters, Oliver Niehuis (2017): Transcriptome and target DNA enrichment sequence data provide new insights into the phylogeny of vespid wasps (Hymenoptera: Aculeata: Vespidae). Molecular Phylogenetics and Evolution 116, S. 213–226. doi:10.1016/j.ympev.2017.08.020