Hochverfügbarkeit
Hochverfügbarkeit (englisch high availability, HA) bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, trotz Ausfalls einer seiner Komponenten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (oft 99,99 % oder besser) den Betrieb zu gewährleisten. In Abgrenzung zur Fehlertoleranz kann es bei dem Betrieb im Fehlerfall zu einer Unterbrechung kommen.
Verfügbarkeit und Hochverfügbarkeit
Ein System wird als verfügbar bezeichnet, wenn es in der Lage ist, die Aufgaben zu erfüllen, für die es vorgesehen ist. Als Verfügbarkeit wird die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, dass ein System innerhalb eines spezifizierten Zeitraums funktionstüchtig (verfügbar) ist. Die Verfügbarkeit wird als Verhältnis aus ungeplanter (fehlerbedingter) Stillstandszeit (= Ausfallzeit) und gesamter Produktionszeit eines Systems bemessen:
oder auch:
Die genaue Definition von Hochverfügbarkeit kann variieren. Das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) gibt folgende Definition:
“High Availability (HA for short) refers to the availability of resources in a computer system, in the wake of component failures in the system.”[1]
Eine andere Definition der Hochverfügbarkeit lautet:
„Ein System gilt als hochverfügbar, wenn eine Anwendung auch im Fehlerfall weiterhin verfügbar ist und ohne unmittelbaren menschlichen Eingriff weiter genutzt werden kann. In der Konsequenz heißt dies, dass der Anwender keine oder nur eine kurze Unterbrechung wahrnimmt. Hochverfügbarkeit (abgekürzt auch HA, abgeleitet von engl. high availability) bezeichnet also die Fähigkeit eines Systems, bei Ausfall einer seiner Komponenten einen uneingeschränkten Betrieb zu gewährleisten.“
Hochverfügbarkeit und Verfügbarkeitsklassen
Die Frage, ab welcher Verfügbarkeitsklasse ein System als hochverfügbar einzustufen ist, wird je nach Definition der Verfügbarkeit unterschiedlich beantwortet.
Eine Verfügbarkeit von 99 % definiert im Allgemeinen keine Hochverfügbarkeit, sie wird allgemein heutzutage als grundlegend oder normal angesehen, zumindest bei qualitativ hochwertigen EDV-Geräten. Folglich wird von Hochverfügbarkeit erst ab 99,9 % oder höher gesprochen. Ob aber bereits 3*9 ausreichen oder erst 4*9 oder 5*9 ein System zum Hochverfügbaren System machen, ist quellen- und herstellerabhängig sowie unter dem jeweiligen Einsatzszenario zu bewerten. Im Allgemeinen kann ein System als hochverfügbar eingestuft werden, wenn seine jährliche Ausfallzeit im Bereich weniger Minuten (~99,999 % bzw. AEC-2) oder darunter liegt. Im Englischen spricht man auch von dial-tone availability (‚Wählton-Verfügbarkeit‘), da diese Hochverfügbarkeit für Festnetztelefonie erreicht wird.[3]
Berechnet man mit der obigen Formel die Verfügbarkeit im Zeitraum eines Jahres, so entspricht eine Verfügbarkeit von 99,99 % beispielsweise einer Stillstandszeit von 52,6 Minuten. Man benutzt nun üblicherweise die Anzahl der Neunen in der Prozentangabe, um die Verfügbarkeitsklasse zu kennzeichnen: so bedeutet das obige Beispiel mit 99,99 % die Verfügbarkeitsklasse 4.
Bei einer gegebenen maximalen Ausfallzeit folgt eine Übersicht der relevanten Klassen 2 bis 6, wobei ein Jahr mit durchschnittlich 365,25 Tagen, der Monat als 1/12 Jahr gerechnet wird:
- Verfügbarkeitsklasse 2
- 99 % ≡ 438 Minuten/Monat bzw. 7:18:18 Stunden/Monat = 87,7 Stunden/Jahr, d. h. 3 Tage und 15:39:36 h
- Verfügbarkeitsklasse 3
- 99,9 % ≡ 43:48 Minuten/Monat oder 8:45:58 Stunden/Jahr
- Verfügbarkeitsklasse 4
- 99,99 % ≡ 4:23 Minuten/Monat oder 52:36 Minuten/Jahr
- Verfügbarkeitsklasse 5
- 99,999 % ≡ 26,3 Sekunden/Monat oder 5:16 Minuten/Jahr
- Verfügbarkeitsklasse 6
- 99,9999 % ≡ 2,63 Sekunden/Monat oder 31,6 Sekunden/Jahr
Die rechnerische Verfügbarkeit bei einer Gesamtausfalldauer von einem Tag pro Jahr würde 99,73 % (fast VK3), von einer Stunde 99,989 % (praktisch VK4), von einer Minute 99,99981 % (fast VK6) und von einer Sekunde 99,9999968 % (VK7) betragen. Dies entspricht ziemlich genau den 3σ-, 4σ-, 5σ- und 6σ-Niveaus der Standardnormalverteilung.
Availability Environment Classification
Die Harvard Research Group (HRG) teilt Hochverfügbarkeit in ihrer Availability Environment Classification (AEC) in sechs Klassen ein.[4]
HRG-Klasse | Bezeichnung | Erklärung |
---|---|---|
AEC-0 | Conventional | Funktion kann unterbrochen werden, Datenintegrität ist nicht essenziell |
AEC-1 | Highly Reliable | Funktion kann unterbrochen werden, Datenintegrität muss jedoch gewährleistet sein |
AEC-2 | High Availability | Funktion darf nur innerhalb festgelegter Zeiten oder zur Hauptbetriebszeit minimal unterbrochen werden |
AEC-3 | Fault Resilient | Funktion muss innerhalb festgelegter Zeiten oder während der Hauptbetriebszeit ununterbrochen aufrechterhalten werden |
AEC-4 | Fault Tolerant | Funktion muss ununterbrochen aufrechterhalten werden, 24/7-Betrieb (24 Stunden, 7 Tage die Woche) muss gewährleistet sein |
AEC-5 | Disaster Tolerant | Funktion muss unter allen Umständen verfügbar sein |
Vereinbarter Zeitraum der Verfügbarkeit
Die Hochverfügbarkeit wird in Unternehmen häufig im Rahmen von Service Level Agreements (SLA) definiert, und stellt ein wesentliches Bewertungskriterium für IT-Services dar.
Viele hochverfügbare Systeme müssen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche online sein, also das ganze Jahr „rund um die Uhr“. Manche dieser Systeme müssen die Eigenschaft der Hochverfügbarkeit jedoch nur für einen bestimmten Zeitausschnitt haben: Handelssysteme der Deutschen Börse etwa brauchen nachts und an börsenfreien Tagen nicht hochverfügbar zu sein, sondern nur während der Handelszeiten. Die Hochverfügbarkeit bezieht sich bei diesen Systemen damit nur auf die Arbeitstage und/oder die Tageszeit, an denen es benötigt wird.
Voraussetzungen für hohe Verfügbarkeiten
Generell streben HA-Systeme danach, so genannte Single-Point-of-Failure-Risiken (SPOF) zu eliminieren (ein SPOF ist eine einzelne Komponente, deren Versagen zum Ausfall des gesamten Systems führt).
Ein Hersteller eines hochverfügbaren Systems muss dieses mit folgenden Merkmalen ausstatten:
- Redundanz kritischer Systemkomponenten
- fehlertolerantes und robustes Verhalten des Gesamtsystems
Typische Beispiele für Komponenten, die zum Erreichen einer erhöhten Fehlertoleranz eingesetzt werden, sind unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV; engl. uninterruptible power supply, UPS), mehrfache Netzteile, ECC-Speicher oder der Einsatz von RAID-Systemen. Weiter kommen Techniken zur Serverspiegelung oder auch redundante Cluster zum Einsatz.
Je höher die geforderte Verfügbarkeit ist, desto mehr Aufwand muss der Betreiber investieren in:
- schnell erreichbares Fachpersonal
- Ersatzteilverfügbarkeit
- vorbeugende Wartung
- qualifiziertes Fehlermeldungs- und schnelles Kommunikationssystem
Hochspezialisierte Systeme mit höchsten Verfügbarkeiten sind beispielsweise
- die Continuum Serien von Stratus
- die Integrity NonStop Serien bei HP, die aus der Übernahme von Tandem (1997) sowie der Digital Equipment Corporation (1998) über Compaq hervorgegangen sind
- generell Großrechner, z. B. jene der System z-Serie der Firma IBM
- Fernsprechvermittlungsstellen.
Siehe auch
- Failover
- Fehlermanagement
- Lastverteilung (Informatik)
- Performance Management
- Shared Risk Link Group (SRLG)
- Single Point of Failure
- Switchover
- Standby-Datenbank
Literatur
- Martin Wieczorek, Uwe Naujoks, Bob Bartlett (Hrsg.): Business Continuity. Springer, 2003, ISBN 3-540-44285-5.
- Marcus, Evan u. Stern, Hal: Blueprints for High Availability: Designing Resilient Distributed Systems. John Wiley & Sons, 2000, ISBN 0-471-35601-8.
- Floyd Piedad, Michael Hawkins: High Availability: Design, Techniques and Processes. Prentice Hall Ptr, 2000, ISBN 0-13-096288-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- High Availability (HA). (Nicht mehr online verfügbar.) IEEE Task Force on Cluster Computing, archiviert vom Original am 14. Juli 2010; abgerufen am 26. Oktober 2010 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Andrea Held: Oracle 10g Hochverfügbarkeit. Addison-Wesley, 2004, ISBN 3-8273-2163-8.
- Matthew Portnoy: Virtualisierung für Einsteiger. Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 1. Auflage 2012. ISBN 978-3-527-76023-7.
- HRG 2002, siehe auch Andrea Held: Hochverfügbarkeit: Kennzahlen und Metriken. (Nicht mehr online verfügbar.) In: TEC Channel. 6. Juni 2005, archiviert vom Original am 20. April 2008; abgerufen am 26. Oktober 2010. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.