Heike Groos
Heike Groos (* 3. August 1960 in Gießen; † 11. Dezember 2017) war eine deutsche Medizinerin, die unter anderem ihre Erlebnisse als Oberstabsarzt der Bundeswehr bei Einsätzen in Afghanistan als Buchautorin verarbeitete.
Leben
Nach dem Medizinstudium trat Heike Groos ihre erste Stelle als Assistenzärztin für Anästhesie im Bundeswehrkrankenhaus in ihrer Heimatstadt an. Da das Bundeswehrkrankenhaus in den dortigen zivilen Rettungsdienst integriert war, wurde sie für diesen ausgebildet. Groos verpflichtete sich als Soldatin auf Zeit für vier Jahre. Sie fuhr als Notärztin für die Bundeswehr, später dann für das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe, den Malteser Hilfsdienst, den Arbeiter-Samariter-Bund, war Notärztin bei Motocross- und Kickbox-Veranstaltungen und versah ihren Dienst auf Rettungsflügen mit Hubschraubern, Learjets sowie Kranken-Rückholtransporten für die Lufthansa.[1] Nach ihrem Ausscheiden aus dem militärischen Dienst arbeitete sie als selbständige Notärztin und Allgemeinmedizinerin.
Nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr im Jahr 2001 wurde sie 2003 erneut von der Bundeswehr rekrutiert und verbrachte in vier Einsätzen insgesamt zwei Jahre in Afghanistan, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Oberstabsarztes d.R.[2]
Groos war als Angehörige der ISAF-Truppen in Kabul, Feyzabad und Kunduz stationiert. Sie wanderte nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst mit drei ihrer fünf Kinder nach Neuseeland aus, wo sie eine Anstellung als Ärztin fand.
Verarbeitung der Afghanistan-Einsätze
Groos befand sich seit zwei Wochen in ihrem ersten Einsatz in Afghanistan, als am 7. Juni 2003 ein afghanischer Selbstmordattentäter einen Bundeswehrbus in die Luft sprengte. Der Bus hatte sich, vollbesetzt mit deutschen Soldaten, in der Jalalabad Road in Kabul, auf dem Weg zwischen dem Stützpunkt Camp Warehouse und dem Flughafen, befunden. Am Abend zuvor hatte Groos mit ihren Kameraden, die nach Deutschland zurückfliegen wollten, noch deren Abschied gefeiert. Vier von ihnen starben, darunter der Oberfeldwebel Carsten Kühlmorgen, 31 weitere wurden teilweise schwer verletzt. Dabei handelte es sich um den mit Abstand schwersten Zwischenfall der Bundeswehr in Afghanistan des Jahres, der zugleich als erster tödlicher Angriff auf deutsche Soldaten seit Ende des Zweiten Weltkriegs gilt.[3] Die getöteten Soldaten gehören dadurch zu den ersten Deutschen, die bei einem Anschlag in diesem Land starben.[4] Heike Groos leitete den Rettungseinsatz.
Während der weiteren sechs Monate ihres Dienstes in Afghanistan lehnte sie die angebotene psychologische Hilfe ab.[5] Das letzte Mal war Groos im Jahr 2007 als Oberstabsarzt in Afghanistan eingesetzt.
Als Folge der insgesamt vier Einsätze erkrankte sie in Neuseeland an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit schweren Depressionen.[6][7] Im Jahr 2009 begann sie, das Erlebte in einem Buch[8] niederzuschreiben und wollte damit, neben der Verarbeitung der eigenen Erlebnisse, auch über die "Schrecken und die Leiden der deutschen Soldaten in Afghanistan" sprechen.[9][10] Sie verlangte außerdem in ihrem Buch Ein schöner Tag zum Sterben von den Politikern sowie der Öffentlichkeit "einen Dialog mit den Soldaten und mehr Wertschätzung für deren Arbeit in Einsätzen".[11][12][13] Im Klappentext des Buches wird sie zitiert: „Ich habe vergessen zu weinen, dort in diesen gewaltigen Bergen des Hindukusch. Und dann habe ich vergessen, wie man weint.“
Mit Das ist auch Euer Krieg – Deutsche Soldaten berichten von ihren Einsätzen[14] folgte ihre zweite Veröffentlichung. Das Vorwort zum Buch ist von Roger Willemsen.[15] Es beinhaltet ihre eigenen Kriegserlebnisse sowie die Berichte von Soldaten und deren Angehörigen.[16] Groos selbst sagte zu diesem Buch, dass es Tabus breche und die Soldaten darin offen über ihre eigenen Gefühle sprächen. Die Veröffentlichung wurde, wie ihr erstes Buch, zu einem Bestseller und wird heute unter anderem bei der Bundeswehr als Ausbildungsschrift für Psychologen, Pfarrer und Ärzte verwendet.
Es folgten weitere Buchveröffentlichungen. In Du musst die Menschen lieben widmete sie sich dem Thema einer voll berufstätigen Mutter und Ärztin. Ich schreib dir, wenn ich tot bin erzählt die Geschichte ihrer besten Freundin, die an Krebs starb. In dem Roman Morgen fangen wieder hundert neue Tage an verarbeitet sie noch einmal in einer fiktiven Erzählung ihre Kriegserlebnisse als Soldatin.[17]
Bücher
- 2009: Ein schöner Tag zum Sterben, S. Fischer Verlag, ISBN 3596185025
- 2011: Das ist auch Euer Krieg – Deutsche Soldaten berichten von ihren Einsätzen, S. Fischer Verlag, ISBN 359618892X
- 2011: Du musst die Menschen lieben: Als Ärztin im Rettungswagen, auf der Intensivstation und im Krieg, Krüger-Verlag, ISBN 3810509248
- 2013: Morgen fangen wieder hundert neue Tage an, ISBN 1492345008
- 2013: Ich schreib Dir, wenn ich tot bin – oder: die Frauen-WG, ISBN 1492376671
Einzelnachweise
- Heike Groos: Buch: Ein schöner Tag zum Sterben. In: Die Zeit. 26. Oktober 2009, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- opus5 interaktive medien gmbh, http://www.opus5.de: S. Fischer Verlage – Groos, Heike. Abgerufen am 14. April 2018 (deutsch).
- Hauke Goos: Das Leben nach dem Tod. In: Der Spiegel 25/2008, 16. Juni 2008.
- Susanne Koelbl: Sterben für Kabul. In: Der Spiegel 47/2006, 20. November 2006.
- Deutscher Afghanistan-Einsatz: "Keine Friedensmission, sondern Krieg". In: Spiegel Online. 9. September 2009 (spiegel.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- - "Da sterben Menschen auf beiden Seiten und das kann man nicht schön reden". In: Deutschlandfunk. (deutschlandfunk.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- "Endlich weinen können". In: stern.de. 15. September 2009 (stern.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- Groos, Heike (Bundeswehrärztin) | Programm | SWR1 Baden-Württemberg. In: swr.online. (swr.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- 3sat.online: Vom Krieg gezeichnet. Abgerufen am 14. April 2018 (deutsch).
- - Mitbringsel aus dem Krieg. In: Deutschlandfunk Kultur. (deutschlandfunkkultur.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Heike Groos: Mehr Wertschätzung für Soldaten. (aerzteblatt.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- Julia Encke: Afghanistan: Die Stimmen der Soldaten. In: FAZ.NET. 16. September 2009, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 14. April 2018]).
- STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: "Frage mich, was wir dort verloren haben". In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 14. April 2018]).
- Heike Groos: Das ist auch euer Krieg!. Deutsche Soldaten berichten von ihren Einsätzen. (perlentaucher.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- Roger Willemsen: Roger Willemsen fragt: "Die Mütter der Taliban heulen auch". In: Die Zeit. 8. August 2013, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- mittelbayerische.de: Heike Groos lässt Soldaten erzählen. In: Mittelbayerische Zeitung. (mittelbayerische.de [abgerufen am 14. April 2018]).
- www.heikegroos.de. Abgerufen am 14. April 2018 (deutsch).