Heckspiegel

Der Begriff Heckspiegel (meist einfach n​ur Spiegel) bezeichnet e​ine von d​en Seiten u​nd dem Boden k​lar abgesetzte Fläche a​ls hinteres Ende e​ines Bootes o​der Schiffes (Heck). Diese k​ann flach o​der gewölbt s​ein und l​iegt meist oberhalb d​er Wasserlinie.

Heckspiegel des Linienschiffs Victory

Geschichte

Bis fast ins 16. Jahrhundert hinein war das Heck von Schiffen in annähernd runder Form aufgebaut – fast so wie der Bug des Schiffes. Aber schon Mitte des 13. Jahrhunderts konstruierten Schiffbauer über dem Rundheck Heckkastelle, um die Besatzungen vor feindlichen Angriffen zu schützen. An dieser Bauart wurde bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts wenig verändert, außer dass die Heckkastelle und der so genannte Heckbalken, der die Konstruktion stützte, immer größer wurden. Obwohl im Mittelmeerraum das Rundheck bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht wegzudenken war, brachten gerade Mittelmeer-Seefahrernationen wie Spanien und Portugal die ersten Schiffe mit dem flachen Heckspiegel heraus. Es gibt Erkenntnisse, dass diese Form des Hecks entwickelt wurde, damit man tief unten nahe der Wasserlinie Kanonen installieren konnte, die gegen flache Galeeren eingesetzt werden konnten. Galeeren hatten zu damaliger Zeit schwere Kanonen auf dem Bug, mit denen sie aufgrund ihrer flachen Bauweise in der Lage waren, schwere Geschosse in Wasserlinienhöhe gegen den Feind abzuschießen. Das bisherige Rundheck bei Schiffen alter Bauweise machte es nahezu unmöglich, Kanonen effektiv gegen diese Galeeren einzusetzen, da diese nicht tief genug eingebaut werden konnten – zumal damalige Kanonen noch keine Drehzapfen besaßen oder absenkbar waren und somit nur schwer ausgerichtet werden konnten. Den flachen Heckspiegel begünstigte zudem der Umstand, dass das Heckkastell so in den hinteren Schiffskörper integriert werden und somit fester konstruiert werden konnte.

Als Heckspiegel w​urde dabei früher s​chon der hintere Abschluss über d​em (innen liegenden u​nd von außen n​icht sichtbaren) Heckbalken bezeichnet – z​um damaligen Zeitpunkt konstruierte m​an diesen jedoch neuerdings a​m Achtersteven rundlich n​ach unten u​nd bezeichnete diesen Bereich d​ann als Unterspiegel (Arcasse), d​er zum Teil i​m Wasser liegen konnte.

Heckspiegel der Galeone Batavia
Heckspiegel eines modernen Frachtschiffes

Oberhalb des Heckbalkens, der am Achtersteven befestigt war, brachte man in das Schiff nun weitere Querbalken ein: den so genannten Spiegelbalken sowie die Gillungsbalken, die zusammen den Oberspiegel trugen. Die äußeren Eckverbindungen zwischen diesen Balken waren die Randsomholze, die vom Hackbord gekrönt waren und somit den Spiegel gewissermaßen einrahmten. Bis ins 17. Jahrhundert hinein waren die Unterspiegelausführungen sehr flach ausgelegt. Diese Bauvariante wurde bis ins 19. Jahrhundert praktiziert, wenngleich der Unterspiegel erheblich verkleinert und zudem so gebaut wurde, dass sich dieser komplett oberhalb der Wasserlinie befand. Englische Schiffbauer begannen allerdings Mitte des 17. Jahrhunderts neue Heckformen zu entwickeln. Unterhalb der Heckbalken erhielt das Schiff wieder eine Rundung, so dass faktisch wieder ein Rundheck verbaut wurde; während oberhalb alles beim Alten blieb. Diese Bauweise wurde später auch von vielen Schiffbauern außerhalb Englands übernommen, so dass sie sich letztendlich durchsetzte. Ab dem 19. Jahrhundert verschmälerte man das Heck dann schließlich derart, bis man oberhalb der Wasserlinie ein flaches Rundheck hatte.

Der Heckspiegel bot im Laufe der Jahrhunderte Platz für zahlreiche Ausschmückungen und Zierden von damaligen Handels- und Kriegsschiffen, die die Besonderheit des Schiffs oder der jeweiligen Nation herausheben sollte. Im späten 16. Jahrhundert tauchten diese Verzierungen erstmals an italienischen und spanischen Schiffen auf, die offenbar so viel Begeisterung hervorriefen, dass sie schnell von anderen Seefahrernationen übernommen wurden. Teilweise wurden schwere eichengeschnitzte und aufwändig verzierte, teils vergoldete Heilige, antike Götter, Putten, Embleme, Wappen, Balustraden, Girlanden, Meeresungeheuer, sowie Galerien und Seitengalerien am Heckspiegel oder in der Peripherie zu Lasten der Bewaffnung und des Schutzes des Achterschiffes angebracht.

Teilweise wurden d​iese Verzierungen, insbesondere während d​es Barocks, derart übertrieben, d​ass die Schiffe extrem hecklastig wurden u​nd somit d​ie Segelfähigkeit u​nd Wendigkeit s​tark eingeschränkt war. Angeblich ließen Kapitäne n​ach dem Auslaufen d​ie Verzierungen abschlagen, u​m das Schiff wieder seetüchtig z​u machen.

Zudem w​ar der Heckspiegel selten i​n der festen Bauweise d​es Schiffsrumpfs ausgeführt, w​as ihn z​ur größten Schwachstelle i​n einem Seegefecht machte: Gegnerische Schiffe konnten m​it ihren Kanonen d​urch den Beschuss d​es Heckspiegels erhebliche Schäden i​m tiefen Schiffsinneren hervorrufen. In d​er Seeschlacht v​on Trafalgar i​m Jahr 1805 schoss d​as britische Linienschiff HMS Victory d​em französischen Flaggschiff Bucentaure e​ine einzige Breitseite i​n den Heckspiegel. Dieser Beschuss dezimierte d​ie Franzosen u​m 400 Besatzungsmitglieder u​nd zerstörte 20 Kanonen. Bei ungünstiger Lage d​es Munitionsbunkers/Magazins konnte darüber hinaus e​in gut platzierter Treffer s​ogar die Explosion d​es ganzen Schiffes hervorrufen.

Ab 1815 wurden deshalb i​n England d​ank Sir Robert Seppings, d​em Surveyor d​er Royal Navy, Neuerungen eingeführt, d​ie den Kriegsschiffbau wieder i​n Richtung Rundheck führten. Neben größerer Robustheit b​ot diese Heckart d​en zusätzlichen Vorteil, d​ass die achterlichen Kanonen a​uch im Winkel v​on 45° z​ur Kiellinie ausgerichtet werden konnten. Diese Bauweise setzte s​ich bei d​en Kriegsschiffen d​ann immer m​ehr durch, z​umal es k​eine Galeeren m​ehr zu bekämpfen gab: Die Kriegsführung h​atte sich i​m Laufe d​er Jahre geändert.

Selbst französische Schiffbauer, d​ie Versuche unternahmen, d​ie Heckspiegelbauweise b​is in d​ie erste Hälfte d​es 19. Jahrhunderts z​u übernehmen, mussten s​ich um 1840 schließlich d​er Erkenntnis beugen, d​ass Bewaffnung u​nd Festigkeit a​m Heck unabdingbar sind, weshalb d​iese die r​eich verzierten Heckspiegel aufgaben u​nd Kriegsschiffe wieder m​it Rundheck konstruierten. Ab e​twa 1850 verbreitete s​ich diese Konstruktionsart d​ann auch i​n der zivilen Schifffahrt.

Auch h​eute werden v​iele Schiffe m​it einem Spiegel gebaut. Auf Jachten werden h​ier häufig Teile w​ie Badeleitern, Badeplattformen o​der Geräteträger montiert. Auf großen Frachtschiffen w​ird durch e​in Spiegelheck i​m Vergleich z​u einem Rundheck d​er Platz besser ausgenutzt, außerdem i​st der Bau weniger aufwändig.

Literatur

  • Frank Howard: Segel-Kriegsschiffe 1400–1860. Bernard & Graefe, 2. Auflage 1989.
  • Wolfram zu Mondfeld: Historische Schiffsmodelle (Sonderausgabe). Orbis Verlag, München 2003, ISBN 3-572-01464-6.
  • Klaus Krick: Historische Schiffsmodelle selbst gebaut. Neckar-Verlag, Villingen-Schwenningen 2003, ISBN 3-7883-3136-4.
  • Scott Robertsen: Basiswissen Schiffsmodellbau. vth-Verlag, Baden-Baden, ISBN 3-88180-733-0.
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