Haus Anker
Das Haus Anker, auch Anker-Haus genannt, ist ein unter Denkmalschutz stehendes Büro- und Geschäftshaus in der Friedrich-Wilhelm-Straße 51, in der Innenstadt von Braunschweig. Es wurde 1901/02 im Jugendstil errichtet.[1] Das Gebäude liegt in unmittelbarer Nähe zum Kohlmarkt, schräg gegenüber der ehemaligen Oberpostdirektion. Den Namen „Haus Anker“ trägt es erst seit Umbaumaßnahmen im Jahre 1921.[2]
Geschichte
Das Gebäude entstand nach einem Entwurf des Architekten Bruno Habrich (* 1862; † unbekannt) für die Kaufleute Leopold Katz und Georg Wolff.[1] Katz betrieb bis 1903 auf dem nahe gelegenen Kohlmarkt das Hamburger Engros-Lager Leopold Katz & Co.[3]
Der Stahlbetonbau galt bei Fertigstellung 1902 als bahnbrechend in seiner Modernität.[4] Er wurde seither mehrfach umfangreich umgestaltet. Ursprünglich als einer der wenigen markanten Jugendstilbauten der Stadt entstanden, war das Hauptmerkmal des mehrstöckigen Gebäudes, neben den rechts und links es begrenzenden massiven, turmartigen Eckrisaliten, eine über drei Etagen gehende, durchgängige vorgehängte Glasfassade. Die 40[5], wandhohen Fensterscheiben konnten in den oberen Etagen über Schwenkflügel geöffnet werden (s. Foto von 1913). Die die Fensterfront tragenden Pfeiler lagen verdeckt nach innen und waren somit ein frühes Beispiel einer Curtain-Wall-Konstruktion.[4] Diese großflächige Fassade bildete einen starken Gegensatz zur ausgeprägten Jugendstilornamentik.[2]
Relativ kurz nach Fertigstellung des als Kaufhaus für Herren- und Knabenbekleidung errichteten Gebäudes, zog der Kaufmann Wilhelm Klopp mit seinem Unternehmen Hamburger Engros-Lager Wilhelm Klopp & Co. ein und betrieb auch das (ehemalige Katz-)Geschäft Kohlmarkt 8 weiter.[6] Gleichzeitig betrieb er im Haus Friedrich-Wilhelm-Straße auch ein Fotoatelier. Wilhelm Klopp war zuvor wahrscheinlich in einer Filiale von Hamburger Engros-Lager Leopold Katz & Co. in der Friedrich-Wilhelm-Straße 1 beschäftigt.[7] Das Unternehmen Hamburger Engros-Lager hatte seinen Sitz in Berlin und gehörte dem jüdischen Kaufmann Adolf Jandorf, der unter dieser Firma zahlreiche Filialen in ganz Deutschland betrieb.[8]
1913 wurde das Haus an den Textilkaufmann Hermann Vick (1881–1956) vermietet. Das Kaufhaus Hermann Vick eröffnete am 29. August 1913.[9] 1921 kaufte Vick das Gebäude und ließ verschiedene bauliche Änderungen – vor allem an der Fassade – vornehmen; so wurde die Glasfassade durch Heinrich Johannes wieder entfernt und durch die noch heute zu sehende Steinfassade mit ihrer Ornamentik ersetzt. Lediglich der zentrale, oberste Teil des Gebäudes, der Segmentgiebel, entspricht noch weitgehend der Ursprungsbau von 1902.[2] Nur im Erdgeschoss befindet sich auch heute noch eine große Fensterfront.
Der Name „Haus Anker“, der auch als Schriftzug im zentralen Segmentgiebel zu sehen ist, stammt vom Anker-Verlag, einem Zeitungs- und Buchverlag, der in diesem Gebäude in den frühen 1920er Jahren seinen Sitz hatte. Seither trägt es den Namen „Haus Anker“.[2] Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich die Umgebung des „Hauses Anker“ erheblich. Auch die Hausnummerierung änderte sich. Die alte Hausnummer war 37, jetzt ist es 51. 1988 musste das Textilkaufhaus Vick seinen Betrieb einstellen. 1988–1990 wurde das Gebäude im Inneren zum Büro- und Geschäftshaus umgebaut und steht heute unter Denkmalschutz.
Fassade
Neben dem großen Schriftzug „Haus Anker“ im Gebäudemittelteil auf der Brüstung zwischen drittem und viertem Obergeschoss befinden sich in den Brüstungsfeldern zwischen erstem und zweitem Obergeschoss verschiedene Reliefs mit Darstellungen zweier Segelschiffe, eines Ankers (im Zentrum) und verschiedener Tiere – darunter Schildkröten und Insekten. Im dritten Obergeschoss sind an den Pfeilern vier allegorische Plastiken zu sehen: Die mit entsprechenden Symbolen ausgestatteten Putten stellen unter anderem Tugend und Fruchtbarkeit dar.
Im Gegensatz zu dieser Gestaltung war die Fassade im ursprünglichen Zustand in den acht Achsen zwischen den seitlichen Risaliten vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss vollständig in große, nur durch schmale Metallrahmen unterbrochene Schaufenster aufgelöst. Der Architekt folgte damit einem zeitgenössischen Trend im Warenhausbau, der wenige Jahre später durch strengere Brandschutz-Bestimmungen sein Ende fand.[10]
Impressionen
- Ansichtskarte von 1912
- Anker
- Segelschiff
- Putto
Literatur
- Elmar Arnhold, Sándor Kotyrba: Architektur im Kaiserreich. Braunschweig 1871–1918. Arnhold & Kotyrba, Koch-Druck, Halberstadt 2013, ISBN 978-3-942712-28-6, S. 34–35.
- Reinhard Bein: Zeitzeugen aus Stein, Band 2: Braunschweig und seine Juden. Döring Druck, Braunschweig 1996, ISBN 3-925268-18-9, S. 37–39.
- Harald Duin: Ein Warenhaus, wie es vergleichbare Städte nicht hatten. In: Braunschweiger Zeitung vom 23. Februar 2014 (Paywall)
- Wolfgang Kimpflinger: Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1.1.: Stadt Braunschweig. Teil 1. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland.) Hameln 1993, ISBN 3-87585-252-4, S. 97–98.
- Norman-Mathias Pingel: Haus Anker. In: Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Ergänzungsband. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1996, ISBN 3-926701-30-7, S. 61–62.
- Albert Sattler: Braunschweig. Stadt und Herzogtum. Festschrift zum Regierungsantritt des jungen Herzogspaares. Verlag Körner & Lauterbach, Chemnitz 1913, S. 178–179.
Weblinks
- 3 Foto vom „Haus Anker“ von vor 1906 auf bildindex.de
Einzelnachweise
- Wolfgang Kimpflinger: Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1.1.: Stadt Braunschweig. Teil 1, S. 98.
- Wolfgang Kimpflinger: Baudenkmale in Niedersachsen. Band 1.1.: Stadt Braunschweig. Teil 1, S. 99.
- Braunschweigisches Adreßbuch für das Jahr 1903. Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig 1903, S. 163.
- Elmar Arnhold, Sándor Kotyrba: Architektur im Kaiserreich. Braunschweig 1871–1918. S. 35.
- Norman-Mathias Pingel: Haus Anker. S. 61.
- Braunschweigisches Adreßbuch für das Jahr 1904. Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig 1904, S. 176.
- Braunschweigisches Adreßbuch für das Jahr 1902. Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig 1902, S. 163.
- Reinhard Bein: Zeitzeugen aus Stein, Band 2: Braunschweig und seine Juden. S. 37.
- Albert Sattler: Braunschweig. Stadt und Herzogtum. Festschrift zum Regierungsantritt des jungen Herzogspaares. Verlag Körner & Lauterbach, Chemnitz 1913, S. 178.
- Die großen Scheiben zersprangen unter Hitze, dadurch erhielt das Feuer mehr Sauerstoff und konnte in einigen Fällen über die Außenseite auf das nächsthöhere Geschoss übergreifen. (nach Paul Kick, Alphons Schneegans: Geschäfts- und Warenhäuser, Messpaläste, Banken. (= Handbuch der Architektur, 4. Teil, 2. Halbband, 2. Heft.) 2. Auflage, Leipzig 1923.)