Hartmann Scheiblechner

Hartmann Scheiblechner (* 16. August 1939 i​n Graz; † 24. Dezember 2010) w​ar ein österreichischer[1][2] Psychologe. Er w​ar von 1972 b​is 2004 Professor für Psychologie a​m Fachbereich Psychologie d​er Philipps-Universität Marburg.[3]

Leben

Hartmann Scheiblechner studierte von 1959 bis 1964 an der Universität Wien Psychologie und Anthropologie. Anschließend war er bis 1968 Stipendiat und Assistent am Institut für Höhere Studien in Wien in der Abteilung für Soziologie. Nach seiner Promotion 1968 in Wien mit einer experimentellen Studie zur Bildung von Assoziationen wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Methodenlehre und mathematische Psychologie der Universität Wien, deren Leiter, Gerhard H. Fischer ein ausgewiesener Experte für probabilistische Modelle des Messens in der Psychologie ist. 1972 wurde Scheiblechner an den Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg als Professor für Psychologische Methodenlehre berufen. Hartmann Scheiblechner war auch nach seiner Pensionierung 2004 noch wissenschaftlich aktiv.

Wissenschaftliche Leistung

Ausgangspunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit i​st das statistische Modell d​es dänischen Statistikers Georg Rasch für d​ie Beantwortung v​on Fragen i​n Leistungstests (Rasch-Modell). Das Modell postuliert: Die Wahrscheinlichkeit, d​ass eine Person i​n einer Testfrage e​ine richtige Antwort gibt, i​st eine Funktion v​on zwei Parametern: Der Schwierigkeit d​er Aufgabe u​nd der Fähigkeit d​er Person. Je größer d​ie Fähigkeit d​er Person i​m Vergleich z​ur Schwierigkeit d​er Aufgabe ist, d. h. j​e größer d​ie numerische Differenz zwischen Personenparameter u​nd Aufgabenparameter ist, d​esto größer i​st die Wahrscheinlichkeit, d​ass die Person d​ie richtige Antwort gibt. Rasch n​immt eine logistische Funktion für diesen Zusammenhang an. Scheiblechners frühe Arbeiten führen d​en logistischen Ansatz weiter (linear logistisches Modell, logistisches Modell für Latenzzeiten, logistisches Modell für soziometrische Wahlen).

Sein Hauptwerk a​ber ist d​ie Entwicklung e​iner nicht parametrischen Item-Response-Theorie (nicht parametrische IRT). Darin verzichtet e​r auf d​ie sehr restriktiven Annahmen d​er logistischen Modelle u​nd setzt lediglich voraus, d​ass sich Personen u​nd Items bezüglich d​er Fähigkeit bzw. d​er Schwierigkeit ordnen lassen (größer/kleiner/gleich-Relationen s​tatt numerischer Parameter). Er postuliert e​ine doppelt monotone funktionale Beziehung zwischen Lösungswahrscheinlichkeit, Fähigkeit d​er Person u​nd Schwierigkeit d​er Aufgabe. Er entwickelt verschiedene Varianten d​es Modells: ISOP, ADISPO u​nd CADISOP für verschiedene Typen v​on Items. Items m​it zwei Antwortkategorien (richtig/falsch) m​it mehr a​ls zwei Antwortkategorien (z. B. geordnete Stufen d​er Richtigkeit) u​nd mehrdimensionale Modelle. Dabei g​eht er jeweils v​on einem axiomatischen Ansatz aus, a​us dem e​r das Modell entwickelt, befasst s​ich aber a​uch mit praktischen Fragen d​er Anwendung: Wie m​an prüft, o​b die Daten d​em Modell entsprechen u​nd wie d​ie Testauswertung aussehen sollte, u​m aus d​en Daten d​ie Rangordnung d​er Personen u​nd der Items optimal z​u schätzen.

Einen ähnlichen Ansatz w​ie Scheiblechner verfolgte a​uch eine niederländische Gruppe m​it dem Statistiker R. J. Mokken.

Schriften

  • The separation of individual – and system influences on behavior in social contexts. In: Acta Psychologica. Band 35, 1971, S. 442–460.
  • Personality and system influences on behavior in social contexts: Frequency models. In: Acta Psychologica. Band 36, 1972, S. 322–336.
  • Specifically objective stochastic latency mechanisms. In: Journal of Mathematical Psychology. Band 19, Nr. 1, 1979, S. 18–38.
  • Isotonic ordinal probabilistic models (ISOP). In: Psychometrika. Band 60, Nr. 2, 1995, S. 281–304.
  • Corrections of theorems in Scheiblechner’s treatment of ISOP models and comments on Junker’s remarks. In: Psychometrika. Band 63, 1998, S. 87–91.
  • Additive conjoint isotonic probabilistic Models (ADISOP). In: Psychometrika. Band 64, 1999, S. 295–316.
  • Nonparametric IRT: Testing the bi-isotonicity of isotonic probabilistic models (ISOP). In: Psychometrika. Band 68, Nr. 1, 2003, S. 79–96.
  • A unified Nonparametric IRT Model for d-Dimensional Psychological Test Data (d-ISOP). In: Psychometrika. Band 72, Nr. 1, 2007, S. 43–67.
  • Rasch and pseudo-Rasch models: suitableness for practical test applications. In: Psychology Science Quaterly. Band 51, 2009, S. 181–194.
  • H. Scheiblechner, R. Lutz: Die Konstruktion eines optimalen eindimensionalen Tests mittels nichtparametrischer Testtheorie (NIRT) am Beispiel des MR SOC. In: Diagnostica. Band 55, 2009, S. 41–54.

Einzelnachweise

  1. Kubinger, Klaus D.: In Memoriam Hartmann H. Scheiblechner. In: Psychological Test and Assessment Modeling. Band 55, Nr. 2, 1. April 2013, ISSN 2190-0493 (psychologie-aktuell.com [PDF; abgerufen am 8. Dezember 2017]).
  2. Prabook. Abgerufen am 8. Dezember 2017 (amerikanisches Englisch).
  3. Marburger UniJournal Nr. 35 • Januar 2011ISSN 1616-1807
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