Haareis
Haareis, manchmal auch Eiswolle[1] genannt, besteht aus feinen Eisnadeln, die sich bei geeigneten Bedingungen auf morschem und feuchtem Totholz bilden können. Anders als Hydrometeore (zum Beispiel Raureifkristalle) entsteht Haareis aus dem im Holz enthaltenen Wasser, nicht aus Luftfeuchtigkeit.[2]
Ähnlich aussehende und häufig nicht genau unterschiedene Phänomene sind Bandeis (engl. ice ribbons, ice flowers) an Pflanzenstängeln und Kammeis (engl. needle ice) am Boden, die beide jedoch anders gebildet werden.
Entstehung
Wissenschaftlich ist die Entstehung des nur selten zu beobachtenden Haareises noch wenig erforscht. 1918 beschrieb der Meteorologe Alfred Wegener Haareis auf nassem Totholz.[3] Er vermutete einen „schimmelartigen Pilz“ als Auslöser, was jedoch von anderen Wissenschaftlern angezweifelt wurde, die rein physikalische Prozesse wie bei der Entstehung von Kammeis als Ursache annahmen.[4]
Eine biophysikalische Studie von Gerhart Wagner und Christian Mätzler bestätigte 2008 Wegeners Vermutung weitgehend.[5] Demnach wird Haareis durch das Myzel winteraktiver Pilze (u. a. Schlauch- und Ständerpilze) ausgelöst, deren aerober Stoffwechsel (Dissimilation) Gase produziert, die das im Holz vorhandene leicht unterkühlte Wasser an die Oberfläche verdrängen.[5] Dort gefriert es und wird durch nachdrängende, beim Austritt aus dem Holz ebenfalls gefrierende Flüssigkeit weitergeschoben.[5] Dies geschieht ausschließlich bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt, wenn das Wasser im Holz noch nicht gefroren ist, es an der geringfügig kälteren Umgebungsluft jedoch gefriert. Eine Randbedingung für die Haareisbildung ist außerdem hohe Luftfeuchtigkeit: Wenn die Luft nicht mit Wasserdampf gesättigt ist, sublimieren die feinen Eiskristalle kurz nach ihrer Bildung an der Holzoberfläche, so dass keine langen Haareiskristalle entstehen können.[5] Eine Reproduktion von Haareis ist in Versuchen solange möglich, wie das Pilzmyzel im Holzkörper nicht abgetötet wird.[5]
Literatur
- Gerhart Wagner, Christian Mätzler: Haareis – Ein seltenes biophysikalisches Phänomen im Winter. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. Bd. 62, Nr. 3, ISSN 0028-1050, 2009, S. 117–123.
- James R. Carter: Blüten und Bänder aus Eis. In: Spektrum der Wissenschaft. Nr. 1/2014, S. 36–45 (Artikelanfang frei abrufbar)
- D. Hofmann, G. Preuss, C. Mätzler: Evidence for biological shaping of hair ice. Biogeosciences Discussion, 12, 2015, 5293–5332, doi:10.5194/bgd-12-5293-2015
Weblinks
- Viele Beispiele von Haareis, auch welche, die auf Steinen, Gartenzäunen u. v. a. m. wachsen
- Geheimnisvolles Haareis, SRF-Beitrag mit Christian Mätzler, 4:49 min
Einzelnachweise
- Michael Streckfuß: Zuckerwatte im Wald. LWF, www.waldwissen.net. 2006. - Artikel nicht mehr abrufbar 5. Dezember 2020
- Gerhart Wagner: Haareis und Stängeleis. Zwei seltene winterliche Naturerscheinungen mit noch offenen Fragen. (PDF; 141 kB) Die Alpen, 11/2007. S. 64–67
- Alfred Wegener: Haareis auf morschem Holz. Die Naturwissenschaften 6/1, 1918. S. 598–601.
- Gerhart Wagner: Haareis – eine seltene winterliche Naturerscheinung. Was haben Pilze damit zu tun? (PDF; 111 kB) SZP/BSM 2005, S. 268–271.
- Gerhart Wagner, Christian Mätzler: Haareis auf morschem Laubholz als biophysikalisches Phänomen. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) Forschungsbericht Nr. 2008-05-MW. Institut für Angewandte Physik. Universität Bern. 6. September 2008. S. 1–31. (Hair Ice on Rotten Wood of Broadleaf Trees – a Biophysical Phenomenon, abstract and parts in English) (PDF-Download (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive))