Gyrator

Als Gyrator bezeichnet m​an in d​er Elektronik e​in Zweitor, d​as beliebige Impedanzen i​n ihre dualen Impedanzen transformieren kann. Das heißt, e​in Gyrator z​eigt bei kapazitiver Ausgangsbelastung e​in induktives Eingangsverhalten. Faktisch k​ann man d​amit eine Kapazität i​n eine Induktivität umwandeln u​nd umgekehrt. Ein Gyrator i​st ein spezieller Positiv-Impedanzinverter.

Prinzipschaltung eines Gyrators, der eine Induktivität simuliert. Die angegebenen Bauteilwerte im Ersatzschaltbild unten sind Näherungswerte für niedrige Frequenzen unter der Annahme R>>RL[1]

Allgemeines

Gyratoren werden a​ls aktive elektronische Schaltungen realisiert, d​ie Grundschaltung k​ann dabei d​er Negativimpedanzkonverter sein. Aber a​uch andere elektronische Schaltungen können gyratorisches Verhalten zeigen, w​ie beispielsweise gegengekoppelte Emitterstufen v​on Bipolartransistoren i​n bestimmten Arbeitspunktbereichen. Allerdings s​ind diese Gyratoren a​us Stabilitätsgründen n​ur bedingt brauchbar, d​a sich gerade i​n dieser Schaltung d​ie Temperaturdrift (Temperaturabhängigkeit d​er Transistoreigenschaften) negativ bemerkbar m​acht bzw. Einschränkungen i​m Arbeitsbereich bestehen. Prinzipiell können Gyratorschaltungen Kondensatoren u​nd Spulen m​it festen o​der variablen u​nd meist ungewöhnlich h​ohen Kapazitäts- o​der Induktivitätswerten h​oher Güte nachbilden, w​as sonst n​icht so einfach m​it den entsprechenden normalen Bauelementen machbar wäre. Die nachgebildeten Kapazitäten o​der Induktivitäten können j​e nach Gyratorschaltung n​ach Masse o​der auch schwebend i​n der d​en Gyrator umgebenden Anwendungsschaltung wirksam sein. Nachteilig i​st jedoch, d​ass ein bestimmter Arbeitsbereich (Spannung, Strom) s​owie ein n​ach oben eingeschränkter Arbeitsfrequenzbereich für d​iese nachgebildeten Kondensatoren o​der Spulen beachtet werden muss, d​er durch d​ie genutzten aktiven Gyrator-Bauelemente (Transistoren, Operationsverstärker) d​urch deren Grenzfrequenzen, Phasenverläufe, Betriebsspannungen, Ausgangsstromergiebigkeiten u​nd Gleichtaktarbeitsbereiche vorgegeben ist. Gyratoren s​ind daher a​uch meist n​ur im Kleinsignalbereich einsetzbar. Nachteilig k​ann sich d​as Eigenrauschen d​er verwendeten aktiven Bauelemente auswirken. Gyratoren können a​ber gut gemeinsam m​it ihrer umgebenden Anwendungsschaltung i​n elektronischen Schaltkreisen integriert werden.

Stabile Gyratoren werden i​n Form v​on zwei spannungsgesteuerten Stromquellen realisiert, d​ie aus z​wei Operationsverstärkern m​it Stromausgang (Transkonduktanzverstärker) bestehen.

In d​er Systemtheorie w​ird ein Übertragungssystem a​ls Gyrator bezeichnet, w​enn die Flussgröße a​m Ausgang proportional z​ur Potentialgröße a​m Eingang i​st und umgekehrt.

Erste Veröffentlichungen z​u Gyratoren machte Bernard Tellegen. Er prägte sowohl Begriff a​ls auch d​as Schaltzeichen dieses Bauelements.

Idealer Gyrator

Schaltzeichen eines idealen Gyrators

Das ideale Modell e​ines Gyrators i​st ein lineares Zweitor i​n dessen Kettenmatrix n​ur die Nebendiagonale w​ie folgt besetzt ist:

Das entspricht d​em System v​on Zweitorgleichungen (bei Annahme d​es symmetrischen Zählpfeilsystems)

Der Gyrationswiderstand (englisch gyration resistance) stellt den einzigen wählbaren Faktor dar, der auf die Invertierung Einfluss hat. An der Kettenmatrix kann man erkennen, dass ein Gyrator ein nichtumkehrbares Zweitor ist, denn für die Determinante gilt . Deshalb bezeichnet man den Gyrator in der Literatur oft als antireziprok. Außerdem sind die vor- und rückwärtigen Leistungsübersetzungen immer gleich 1. Der ideale Gyrator ist deshalb ein verlustloses passives Zweitor. Es ist das Gegenstück zum idealen Übertrager.

Wird am Ausgangstor L des Gyrators die (Last-)Impedanz angeschlossen, dann stellt sich entsprechend den Berechnungsmethoden der Zweitortheorie am Eingangstor E folgende (Eingangs-)Impedanz ein:

Auf diese Weise kann er beispielsweise eine Kapazität C in eine Induktivität umwandeln, denn es gilt:

Komplexer Gyrator

Ein Komplexer Gyrator findet b​ei der Systemanalyse v​on Übertragungssystemen Anwendung[2]. Der Zusatz "Komplex" bezieht s​ich hier a​uf die Besonderheit, d​ass die Flussgröße a​m Ausgang z​war proportional z​ur Potentialgröße a​m Eingang ist, jedoch e​ine zusätzliche Phasenverschiebung vorliegt. Gleiches g​ilt analog z​um Allgemeinen Gyrator a​uch in umgekehrter Richtung. Flussgrößen u​nd Potentialgrößen s​ind im komplexen Fall s​tets Wechselgrößen.

Ein Komplexer Gyrator i​st durch z​um Beispiel z​wei gekoppelte Induktivitäten realisierbar, welche jeweils m​it einem Serienresonanzkondensator beschaltet u​nd mit gemeinsamer Resonanzfrequenz angeregt werden.

Literatur

  • Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 12. Auflage. Springer, Berlin u. a., 2002, ISBN 978-3-540-42849-7.
  • Reinhold Paul: Elektrotechnik Grundlagenlehrbuch Band 2: Netzwerke. 3. Auflage. Springer, 1996, ISBN 978-3-540-55866-8.
Commons: Gyrators – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Gyrator – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Berndt, D. F.; Dutta Roy, S. C.: Inductor simulation with a single unity gain amplifier. In: IEEE (Hrsg.): Journal of Solid State Circuits. 1969, S. 161–162.
  2. Dominik Huwig: "Energieübertragung durch Nahfeldkopplung. etatronix.de, abgerufen am 15. März 2015. S. 47.
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