Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit ist ein Maß der Bereitschaft des Adressaten, die Aussage einer anderen Person als gültig zu akzeptieren. Erst im Weiteren wird der Person und ihren Handlungen Glauben geschenkt. Glaubwürdigkeit ist eine attributionale Eigenschaft, die anderen zugeschrieben wird. Vor allem die Rechtswissenschaften, Psychologie, Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft widmeten sich dem Thema in den letzten Jahrzehnten. Glaubwürdigkeit ist von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von Handlungsmotiven und spielt daher in der Öffentlichkeitsarbeit, Marktforschung und Meinungsforschung (Public Relations) eine wichtige Rolle.
Englische Ausdrücke sind Credibility oder Belief. Decken sich das angestrebte Bild und die Rezeption (das Fremdbild) bei der Zielgruppe nicht, spricht man von Credibility Gap (Glaubwürdigkeitslücke) oder Unglaubwürdigkeit.
Formulierung der Glaubwürdigkeit in verschiedenen Fachgebieten
Rhetorik nach Aristoteles
In der öffentlichen Rede (Rhetorik) hat schon Aristoteles die Glaubwürdigkeit eines Sprechers und seinen Charakter als eine Form der Beweisführung betrachtet. Aristoteles ordnete sie dem Ethos, der moralischen Integrität, einer Person zu. In Kontrast dazu sah er Logos (gedankliche Richtigkeit) und Pathos (emotionelle Überzeugungskraft).
Spieltheorie
Erst in jüngster Zeit wird versucht, Glaubwürdigkeit als solche auch in einen Kontext der Messbarkeit (Operationalisierung) zu stellen. Wichtige Grundlagen erarbeitet hier die Spieltheorie, die über Spielversuche die Glaubwürdigkeit beim Gegenspieler im Spielergebnis zu überprüfen und quantifizieren sucht. Glaubwürdigkeit bedeutet im spieltheoretischen Sinne die Überzeugung des Gegenspielers, dass die Ankündigungen tatsächlich eintreten. Eine der zentralen Erkenntnisse ist, dass „Glaubwürdigkeit verdient werden muß“.[1]
Sozialwissenschaft
Die aktuelle Sozialwissenschaft hat generell verschiedene Dimensionen der Glaubwürdigkeit gefunden. Berlo and Lemert[2] nennen drei:
- Kompetenz
- Vertrauenswürdigkeit
- Dynamismus
Rechtsbegriff
Glaubwürdigkeit als Rechtsbegriff bezeichnet die Vertrauenswürdigkeit eines Zeugen im Rahmen der richterlichen Beurteilung einer Zeugenaussage.
Im Gegensatz dazu steht die Glaubhaftigkeit der Aussage selbst, das heißt das Maß ihrer Fähigkeit, Vertrauen in ihre Richtigkeit zu erwecken oder aufrechtzuerhalten. Erst durch beide zusammen kann der Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage ermittelt werden.
Markt- und Meinungsforschung
Die Glaubwürdigkeit eines Produkts, einer Marke, eines Parteiprogramms oder Kampagne, beziehungsweise der Personen oder Institutionen, die sie vertreten, ist ein zentraler Faktor der Markt- und Meinungsforschung in Politik, Wirtschaft und anderen angewandten Gesellschaftswissenschaften.
Dabei gibt es zahlreiche Datensätze, in deren Rahmen die Glaubwürdigkeit miterhoben wird. Ein Beispiel ist die richtungsweisende Rochester-Studie (Politz 1960) über Zeitungsannoncen in der Saturday Evening Post:[3]
- Markenbekanntheit (brand familiarity) (Frage: „Wenn Sie an … denken, welche Marke oder Marken fallen Ihnen zuerst ein?“)
- Bekanntheit der Aussage (claim familiarity) (Frage: „Einmal abgesehen davon, ob sie daran glauben oder nicht, welche Aussagen über … sind Ihnen geläufig?“)
- Glaubwürdigkeit der Aussage (belief in claim) (Frage: „Was sind die Vorzüge von …?“)
Heute fasst man etwa drei Grundfaktoren Glaubwürdigkeit, Bekanntheit und Akzeptanz zusammen.
Presse und Internet
Durch die Presse und das Internet stehen Menschen eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung. Diese Informationen werden meistens nicht durch fachlich einschlägige Experten, sondern durch fachlich unzureichend qualifizierte Journalisten, soziale Netzwerke und personalisierte Suchmaschinen gefiltert. Hierdurch entstehen Filterblasen, welche Bestätigungsfehler massiv verstärken. Abhängig davon, welche Meinung man vertritt, lassen sich auch Quellen finden, welche diese Meinung scheinbar bestätigen.
Aufgrund dieser Verstärkung von Bestätigungsfehlern ist es besonders wichtig, die Glaubwürdigkeit von Informationsquellen beurteilen zu können. Allerdings gibt es hierfür keine generell gültige Methode, sondern lediglich eine Vielzahl von Indikatoren.
Indikator | Indikator für Glaubwürdigkeit | Indikator für fehlende Glaubwürdigkeit |
---|---|---|
Autor |
|
|
Herausgeber |
|
|
Format |
|
|
Quellenangaben |
|
|
Reproduzierbarkeit |
|
|
Aktualität |
|
|
Fehlschlüsse und kognitive Verzerrungen |
|
|
Kritik
Die Verwendung des Begriffs ‚Glaubwürdigkeit‘ durch die Medien als Kriterium zur Beurteilung von Politik und Politikern hat in den letzten Jahren inflationär zugenommen. Am Beispiel Richard von Weizsäckers wurde durch Roger Willemsen schon früh Kritik an diesem Schlagwort geübt:
„[…] nur auf staatstreuer Basis kann man ‚Glaubwürdigkeit‘ überhaupt als eine politisch relevante Kategorie verkaufen. Was soll es schließlich an einem Politiker zu glauben geben? Entweder heißt das, mit ihm stehen wir im Ausland gut da, sie nehmen uns nicht für das, was wir sind, dann ist seine Glaubwürdigkeit jene gelungene Irreführung, auf die wir offensichtlich angewiesen sind. Oder es heißt, daß man ihn über längere Zeit nicht beim öffentlichen Lügen erwischt hat, und das liegt auch bei Weizsäcker nur daran, daß man sich noch nicht die Mühe gemacht hat, all seine Reden zu vergleichen und ernst zu nehmen. So merkwürdig es nämlich ist: Wenn ein Politiker wirklich einmal von etwas erschüttert wäre und eine Sache rasch und einschneidend verändern wollte, würde man unweigerlich sagen: er ist für sein Amt nicht geeignet. Insofern ist ein Politiker per definitionem alles andere als glaubwürdig. Er sagt, er trauert, aber er trauert nicht, er sagt, er ist betroffen, aber betroffen ist er nicht. Er darf nie beim Wort genommen werden, denn er redet Fiktion, und mehr als jeder andere ist der Präsident das Produkt seiner eigenen Fiktion …“[4]
Literatur
- Friedrich Arntzen: Psychologie der Zeugenaussage. System der Glaubwürdigkeitsmerkmale. München 2007, ISBN 978-3-7910-1239-1.
- Günter Bentele: Der Faktor Glaubwürdigkeit. In: Publizistik. 33/1988, S. 406 ff.
- Kevin Riemer: Glaubwürdigkeit von NGOs. Akademische Verlagsgemeinschaft München 2015, ISBN 978-3-86924-624-6.
- Dzeyk, Waldemar: Vertrauen in Internetangebote. Eine empirische Untersuchung zum Einfluss von Glaubwürdigkeitsindikatoren bei der Nutzung von Online-Therapie- und Online-Beratungsangeboten. Dissertation. Universität zu Köln, 2005 (xpersite.de).
- Carl I. Hovland, Walter Weiss: The Influence of Source Credibility on Communication Effektiveness. In: Public Opinion Quartely. 15/1951, S. 635–650.
- Alexander Kirchner: Die sprachliche Dimension des Politischen. Studien zu Rhetorik und Glaubwürdigkeit, Würzburg 2000.
- Günter Köhnken: Glaubwürdigkeit. Untersuchungen zu einem psychologischen Konstrukt. München 1990.
- Lothar Laux, Astrid Schütz: „Wir, die wir gut sind“. Die Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung Glaubwürdigkeit. München 1996.
- Ute Nawratil: Glaubwürdigkeit in der sozialen Kommunikation. Opladen / Wiesbaden 1997.
- Patrick Rössler, Werner Wirth (Hrsg.): Glaubwürdigkeit im Internet. Fragestellungen, Modelle, empirische Befunde, München 1999.
Weblinks
- Glaubwuerdigkeitscheck.de, Glaubwürdigkeits-Check für Internetseiten sowie Empfehlungen für den Unterrichtseinsatz
- Glaubwürdigkeitsanalyse von Internetseiten, Überlegungen und didaktisches Konzept (Lehr- und Lernplattform des Nürnberger Kultur- u. Bildungsservers)
Einzelnachweise
- Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger – Strategisches Know-how für Gewinner. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-7910-1239-1, S. 140.
- David K. Berlo, James B. Lemert: A Factor Analytic Study of the Dimensions of Source Credibility. Paper presented at the 1961 convention of the SAA. New York.
- Alfred Politz: The Rochester Study. Eine Studie aus dem Jahre 1959. Hamburg (englisch: The Rochester Study. Alfred Politz Media Studies (Saturday Evening Post). 1960. Übersetzt von Hörzu-Service, o. J. [1960]). Zit. nach Rochester-Studie. In: Medialexikon. Focus medialine.de, archiviert vom Original am 11. Februar 2013; abgerufen am 5. September 2009.
- Roger Willemsen: Denn Dein ist das Reich. Richard von Weizsäcker. In: Gemeinsam sind wir unausstehlich. Die Wiedervereinigung und ihre Folgen. Edition Tiamat, Berlin 1990, S. 15/16.