Gerd Pieper (Architekt)
Gerd Pieper (* 6. November 1942 in Berlin) ist ein deutscher Architekt und Ingenieur.
Er hat bemerkenswerte Restaurant-Räume in Ost-Berlin gestaltet – neben den Gaststätten im Berliner Kaffeehaus am Alexanderplatz auch im Restaurant Moskau und für das erste Pekingrestaurant der DDR – hat parallel zum Neubau des Bettenhauses das Versorgungszentrum der Charité entworfen und war beteiligt an der Gestaltung der neuen Friedhofsbegrenzung für den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.
Leben und Werk
Nachdem Pieper, der in Berlin-Prenzlauer Berg in der Schwedter Straße 5 als Sohn einer Schneiderin zusammen mit zwei älteren Schwestern in einer 1½ Zimmer-Wohnung aufwuchs – der Vater blieb im Krieg vermisst – 1960 sein Abitur gemacht hatte, studierte er an der Hochschule für Bauwesen Cottbus und ab 1962 an der Hochschule für Bauwesen Leipzig, wo er 1966 das Diplom in der Fachrichtung Hochbau ablegte. Im selben Jahr beginnt er im Entwurfsbüro der Deutschen Reichsbahn eine Tätigkeit als Architekt und wechselt 1967 zur Gesellschaft für Betriebsberatung des Handels, einem Planungs- und Forschungsbüro für Handelsbauten und Gaststätten mit den unter Leitung von Siegfried Pasternak entwickelten Projekten Reko-Studie Interhotel Hotel Astoria Leipzig oder Küchenprojekt Appartementhaus Cottbus.
Im Jahr 1968 nimmt er im Bau- und Montagekombinat Ingenieurhochbau Berlin die Arbeit im Architektenkollektiv Heinz Aust und Dr. Walter Herzog auf. Hier begann Pieper seine Laufbahn mit der Mitarbeit an der Umbauung Fernsehturm Berlin und in ebensolcher Weise am Strahlenschutzzentrum Berlin-Karlshorst.
Ab 1972 arbeitete er an den Planungen für den Gastronomischen Teil und die Küchenbereiche des Palastes der Republik mit und steuerte die Gestaltung von speziellen Sechseck-Tischen für die Ballsaal- und Bankettbestuhlung bei. Ab 1978 war er in die Konzeption zum Neubau und Rekonstruktion der Charité involviert und übernahm die Entwurfsleitung für das neue Versorgungszentrum für 5.000 Essenteilnehmer – 2.000 Krankenhaus-Patienten und 3.000 Mitarbeiter bzw. Studenten.
Ein anspruchsvolles Projekt stellte für Gerd Pieper ab 1981 die Entwurfsleitung für die Einordnung von fünf Gaststätten in das 1930 bis 1932 von Peter Behrens errichtete Alexanderhaus am Alexanderplatz Nr. 2 – dem Sparkassengebäude – dar. Bei der Projektierung der fünf Gaststättenräume Moccabar, Kaffeehaus, Pizzastube, Palatschinkenbar und Suppenterrine, die es einprägsam zu gestalten galt, erschloss er neue unkonventionelle Möglichkeiten für Wanddekors – u. a. mit Textilmaterial und großformatigen Marmorpapier-Unikaten.
Um nicht nur im Versorgungs- und Gastronomie-Bereich zu wirken, widmete sich Pieper ein Jahr später zusammen mit seiner Kollegin Christa Frenzel der Entwurfsleitung für die Planung des 65 Meter hohen, am oberen Ende mit einer Auskragung konstruierten HLS-Turmes für die heizungs-, lüftungs- und sanitärtechnischen Untersuchungen der Bauakademie der DDR in Berlin-Hohenschönhausen.
Einen ganz besonderen Raum im architektonischen Wirken Gerd Piepers nimmt sein Engagement für die Neu-Einfriedung des Jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee (1983) an seiner Nord-Ost-Seite zur Indira-Gandhi-Straße ein. Anfang der achtziger Jahre hatten Vandalismus, Diebstahl und Frevel auf diesem bedeutenden Friedhof einen traurigen Höhepunkt erreicht. Für die Länge von 750 Meter galt es eine Friedhofsmauer zu errichten, deren Entwurf Zugangssicherheit, kultisch gestalterische und bauwirtschaftliche Aspekte miteinander zu verbinden versuchen musste. Da für eine Rekonstruktion der alten Einfriedungsmauer weder finanzielle noch bauhandwerkliche Ressourcen zur Verfügung waren und die Lösung unter den Innovationsvorgaben moderner Bautechnologien stand, steuerte Christa Frenzels und Gerd Piepers Entwurfsleitung eine Fertigteil-Bauweise an. Prägendes Gestaltungsmoment stellte eine Ornamentplatte mit einem stilisierten Menora-Motiv dar, wobei jeweils am Ende der sieben Leuchterarme eine kreisrunde Öffnung vorgesehen war, die den massiven Platten Gliederung und partielle Durchlässigkeit verliehen.
Solch innovativ gestaltete Fertigteil-Platten mit komplexerer Ornamentik zu projektieren, konnte Pieper nur wagen, weil er auf belastbare kollegiale Beziehungen zu Spezialgewerken des Bauwesens – hier vor allem zu Stuckateuren – und gute Kontakte zu besonderen Lieferbetrieben – hier sächsische Hersteller der Kunststoff-Formen für den Plattenguss – zurückgreifen konnte. Dazu gehörten auch Metallbetriebe, die die schmiedeeisernen Gitter-Elemente fertigten, welche den Achsen der Wegestruktur des Friedhofes da, wo sie auf die Außenmauer trafen, mit Ein- und Ausblicksmöglichkeiten architektonische Entsprechungen gaben. Alle kultisch-gestalterische Aspekte koordinierte Pieper mit der jüdischen Gemeinde von (Ost-)Berlin und dessen damaligen Vorsitzenden Dr. Peter Kirchner.
Nach der Entwurfsleitung für die Rekonstruktion des Restaurants Moskau(1984), bei der die Restaurants, das Tanzcafé sowie die vier Salons eine eigene, ihrer Unterschiedlichkeit gemäße räumliche Stimmung erhielten, und nach dem Neubau des Terrassencafés im Tierpark Berlin (1986) – einem bogenförmigen zweiflügligen Gebäudekomplex für mehr als 900 Gäste – übernahm Pieper im selben Jahr Planungsaufgaben in der südlichen Friedrichstraße von Berlin-Mitte. Er wurde mit der Entwurfsleitung für den Aufbau der Gebäuderuine Leipziger-Ecke-Friedrichstraße, Südost-Ecke, betraut – dem ehemaligen Kaufhaus Moritz Mädler, welches 1904 hier von Robert Leipnitz errichtet worden und am Ende des Zweiten Weltkrieges bis auf sein Stahlgerippe und das Untergeschoss schwer zerstört worden war.
Ziel der Rekonstruktion sollten Galeriemöglichkeiten für den staatlichen Kunsthandel und die Einrichtung eines ersten Peking-Restaurants der DDR sein. Nicht abgeschlossen wurde der ebenfalls zu dieser Zeit begonnene Baukomplex Haus der Gastronomie und Unterhaltung in der Friedrichstraße, für den Pieper die Entwurfsleitung übernommen hatte. Dieser Casino-Neubau an der Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße wurde nicht in Betrieb genommen und 1996 wieder abgerissen.
Nach 1990 gründete Gerd Pieper mit zwei Partnern ein Architekturbüro, rekonstruierte mehrere Wohn-Altbauten, die Bahnhöfe Wollankstraße, Karlshorst sowie Oranienburg und eröffnete am 21. Oktober 2003 in der Berliner Sredzkistraße 44 die Bistro-Kneipe Pieper,[1] für die er bis 31. Oktober 2005 als Inhaber und Schankwirt tätig war.[2] Nebenberuflich engagiert sich Gerd Pieper für den Amateur-Boxsport.[3]
Unter dem Titel Innenräume und Architekturen würdigt vom 15. September bis zum 11. November 2017 eine Kabinett-Ausstellung in der Berliner Galerie F92 das Lebenswerk des Architekten.[4]
Organisationen
- 1968 Mitglied im Bund der Architekten der DDR
- 1985 Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR – Sektion Formgestaltung
- 1990 Mitglied der Architektenkammer Berlin
- 1991 Mitglied im Bund Deutscher Architekten
Publikationen
- Grossküchen (zusammen mit Manfred Rohatsch, Fritz Lemme), 216 Seiten, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1971
- Die neuen Gaststätten im Einrichtungshaus am Alexanderplatz in: Architektur der DDR, 6/1983
- Proektirovanie predprijatij obščestvennogo pitanija (zusammen mit Manfred Rohatsch, Fritz Lemme), Strojizdat Moskva 1985
- Neue Innengestaltung des Restaurants „Moskau“ in Berlin in: Architektur der DDR, April 4/1985, Seite 224–228
- Neue Friedhofsbegrenzung für den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee in: Architektur der DDR, April 4/1985
- Berlin, Unter den Linden (zusammen mit Gerd Zeuchner), Holti-Agentur (Berlin, Ost), 1990
- Pekingrestaurant in Berlin in: Architektur (vorher Architektur der DDR) 8–9/1990, Verlag für Bauwesen Berlin, 1990
Weblinks
Einzelnachweise
- Thomas Leinkauf: Im Pieper am Kollwitzplatz in: Berliner Zeitung vom 15. November 2003
- Marc Neller: Die Unvertriebenen // Wenn es kalt wird, müssen die Gäste eben reingehen. Das schadet aber nicht, denn im Bistro "Pieper" finden sie, was in Prenzlauer Berg selten geworden ist: eine Wärme, die kein Heizpilz der Welt erzeugen kann. in: Tagesspiegel vom 21. September 2008, Seite 3
- Jutta Voigt: Lucky Punch - Künstler, Champions, Proletarier - richtige Männer hauen ein Leben lang auf Sandsäcke in Berliner Zeitung vom 23. Oktober 2004, S. 1
- siehe Abdruck der Eröffnungsrede in: Matthias Thalheim: Fatzer im Radio - Begegnungen seltener Natur, S. 331–336, Verlag epubli, Berlin 2019, ISBN 978-3-750260-96-2