Georg Kleist
Georg von Kleist, auch Jürgen von Kleist, (* um 1435; † 1508[1][2]) war ein herzoglich pommerscher Rat und Kanzler.
Kleist war ein Abkömmling der Tychow-Dubberowschen Linie[3][4] der in Hinterpommern alteingesessenen und weitverzweigten Familie Kleist, die dort seit dem Mittelalter nachweisbar ist, über umfangreiche Ländereien verfügte, einflussreich war und mehrere Persönlichkeiten hervorgebracht hat, die in hohen Staatsämtern tätig waren.
Leben
Er war der ältere von zwei Söhnen des Tessen von Kleist († vor 1477) auf Dubberow und einer geborenen von Damitz.[5] Georg Kleist wurde erstmals 1477 zusammen mit seinem Bruder Peter und weiteren Verwandten in der Gesamtbelehungsurkunde vom 13. April 1477 erwähnt.[6] Er gehörte seit 1478 zu den unterzeichnenden Zeugen auf Urkunden des Herzogs Bogislaw X., ab 1479 wurde er darauf mit „vonnse Schruier“ (unser Schreiber) oder „unse house-schruyer“ (unser Hausschreiber) gekennzeichnet. 1482 wurde er Notar und bald darauf Rat des Herzogs und dessen ‚rechte Hand‘.[7] Dieser verkaufte ihm 1483 Schloss und Stadt Zanow sowie die zugehörigen Dörfer und Gewässer. Bogislaw X. hatte seinem Ratgeber Kleist auch die Stelle des Archidiakonus von Stargard in Pommern als Sinekure beschafft.[7][8] Am 3. April 1486 wurde er zum Vogt des Amtes Rügenwalde mit Sitz im Schloss der Stadt bestellt, wo er auch als Lehnrichter tätig war. 1490 kaufte Kleist eine Hälfte des Dorfes Krolow.[9][10]
1486 nahm er an der Heerfahrt von 800 Vertretern der pommerschen Ritterschaft und der Städte anlässlich der Verlobung von Bogislaws X. Schwester Katharina mit Heinrich I. von Braunschweig-Wolfenbüttel teil.[11] Als Bogislaw um 1490 den Entschluss gefasst hatte, sich in zweiter Ehe mit Prinzessin Anna von Polen zu vermählen, und in Stettin eine entsprechend repräsentative Residenz erbauen lassen wollte – das spätere Stettiner Schloss – geriet er wegen des hierfür benötigten Baugeländes mit den Räten der Stadt Stettin in Streit. Gemeinsam mit den fürstlichen Räten Werner von der Schulenburg und Henning[12] Steinwehr vermittelte Kleist im Winter 1490/1491[13] im Streit zwischen Bogislaws X. und der Stadt Stettin und erreichte einen Vergleich.
Anfang 1491 wurde er zum Kanzler ernannt. Er nahm an Verhandlungen mit Brandenburg wegen der pommerschen Lehnsfrage teil und war am Abschluss des Vertrags von Pyritz 1493 beteiligt. Neben der Vogtei Rügenwalde übernahm er 1494 die Vogteien Stolp und Schlawe sowie Schloss und Land Bütow. 1496 verhandelte er erfolglos in Sandomir mit dem polnischen König Johann I. wegen der Lande Lauenburg und Bütow. Während der Reise Herzog Bogislaw X. ins Heilige Land von 1496 bis 1498 war Kleist Statthalter in Pommern. Als der Herzog bei seiner Rückkehr mit Johannes von Kitscher, Petrus von Ravenna und dessen Sohn Vincentius neue Berater mitbrachte, zog Kleist sich aus dem Staatsdienst zurück. Ende 1498 übertrug ihm Bogislaw X. Schloss, Stadt und Land Usedom. Im Jahr 1499 belehnte Herzog Bogislaw X. seinen Rat Jürgen Kleist mit dem Rittergut Ruschütz im Kreis Stolp, das die Gebrüder Martin und Tetzlaff Puttkamer von Angehörigen der Familie Damerow gekauft hatten.[14] Bis Mitte 1501 war er noch als Kanzler tätig. 1504 verhandelte er erneut wegen Lauenburg und Bütow mit Polen. 1506 trat er als Zeuge einer Beurkundung in Rügenwalde und letztmals am 9. März 1507 in Stolp auf.
Dem Verfasser einer Geschichte des Geschlechts von Kleist, Heinrich Kypke zufolge, wurde in verschiedenen Familienurkunden irrtümlich 1518 als Sterbejahr angegeben, weshalb diese Angabe in verschiedenen historischen Schriften erscheint.[15] Nach dem 1509 zwischen seiner Witwe und dem Herzog geschlossenen Tauschvertrag wegen der Stadt Zanow starb Georg Kleist 1508.[1]
Kleists Unerschrockenheit hat zu einer pommerschen Legendenbildung geführt. Danach sei Kleist einmal während einer Fahrt nach Usedom über die Swine in ein dem Fegefeuer vergleichbares Unwetter geraten und habe, obwohl seine mitreisenden Knechte bereits Gespenster sahen, seinen Weg unbeirrt fortgesetzt.[16]
Familie
Georg von Kleist war mit Anna, der Tochter des Landvogts zu Stolp, Hans von Stojentin, verheiratet. Der Ehe entstammten drei Töchter und ein Sohn. Seine Tochter Anna heiratete den herzoglichen Kanzler und Hofmarschall Jacob von Wobeser.
Literatur
- Heinrich Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. Dritter Theil, Zweite Abtheilung, enthaltend die Biographien der Tychow-Dubberower Linie. Trowitsch und Sohn, Berlin 1882, S. 4–21 (online)
- Roderich Schmidt: Das historische Pommern. Personen – Orte – Ereignisse. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 2007, ISBN 978-3-412-27805-2, S. 479–484 (online).
Einzelnachweise
- Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. 3,2; Berlin 1882, S. 21 (online).
- Redaktion: Kleist, von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 10 (Digitalisat). (Erwähnung im Familienartikel)
- Hermann Wagener: Staats- und Gesellschafts-Lexikon. 11. Band, Berlin 1862, S. 356–359, insbesondere S. 358.
- Julius Theodor Bagmihl: Pommersches Wappenbuch. Stettin 1854, S. 100-101.
- Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. 3,2; Berlin 1882, S. 4 (online).
- Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. 3,2; Berlin 1882, S. 6 (online).
- Hans Branig: Geschichte Pommerns. Teil 1: Vom Werden des neuzeitlichen Staates bis zum Verlust der staatlichen Selbständigkeit 1300–1648. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 1997, ISBN 3-412-07189-7, S. 68.
- Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. 3,2; Berlin 1882, S. 7 (online).
- Ludwig Wilhelm Brüggemann: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogtums Vor- und Hinterpommwern. Teil II, Band 2, Stettin 1784, S. 874.
- Robert Klempin: Diplomatische Beiträge zur Geschichte Pommern aus der Zeit Bogislafs X. Berlin 1859, S. 153.
- Kypke: Geschichte des Geschlechts von Kleist. 3,2; Berlin 1882, S. 9 (online).
- Henning, nicht Heinrich, vgl. z. B. Paul Friedeborn: Historische Beschreibung der Alten Stadt Stettin in Pommern. Alten Stettin 1613, S. 160: Liste der Kanzler Bogislaws X. 1474–1523
- Fr. Thiede: Chronik der Stadt Stettin. Stettin 1849, S. 364 unten
- Julius Theodor Bagmihl: Pommersches Wappenbuch. Band 4, Stettin 1859, S. 103-104.
- Das von Kypke als falsch gekennzeichnete Todesjahr 1518 findet sich in älterer Literatur, wie zum Beispiel bei Christian Friedrich Wutstrack: Kurze historisch-geographisch-statistische Beschreibung von dem königlich-preußischen Herzogtum Vor- und Hinterpommern. Stettin 1793, S. 115. oder Karl Friedrich Pauli: Allgemeine preußische Staatsgeschichte. Band 6, Halle 1765, S. 351, § 244
- Nicolaus von Klemptzen: Vom Pommernlande und dessen Fürsten Geschlecht-Beschreibung. Stralsund 1771, S. 184-185.