Georg Friedrich Grotefend
Georg Friedrich Grotefend (* 9. Juni 1775 in Münden; † 15. Dezember 1853 in Hannover) war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Altertumsforscher. Er begann mit der Entzifferung der Keilschrift.
Leben und Wirken
Georg Friedrich Grotefend war ein Bruder des Generalsuperintendenten Johann Gregor Grotefend (1766–1837), Vater des Historikers Karl Ludwig Grotefend (1807–1874) und Großvater des Archivars und Chronologen Hermann Grotefend (1845–1931).
Grotefend besuchte bis zu seinem 16. Lebensjahr die Lateinschule seiner Heimatstadt, danach das Pädagogium in Ilfeld. Ab 1795 studierte er in Göttingen Philologie und Theologie. Noch während seines Studiums wurde er 1797 Collaborator am Gymnasium in Göttingen (heute Max-Planck-Gymnasium). 1803 kam er als Prorektor an das Städtische Gymnasium (heute Lessing-Gymnasium) in Frankfurt am Main, dessen Konrektor er von 1806 bis 1821 war. Im Jahr 1812 hatte er zudem die Professur für klassische Literatur am Lyceum Carolinum inne, einer im selben Jahr von Großherzog Karl Theodor von Dalberg in Frankfurt gegründeten Landesuniversität, wo er bis zum Jahr 1814 blieb. 1819 gehörte er zu den Gründern der Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde, die sich mit der Herausgabe der Monumenta Germaniae Historica befasste. Schließlich wurde er 1821 Schulleiter des Lyzeums in Hannover.
Im Nachlass der Brüder Grimm befinden sich zehn Briefe Grotefends an Jacob Grimm aus der Zeit zwischen 1818 und 1821; sie betreffen einen Meinungsaustausch über die gotische Sprache.[1] Im Jahre 1806 heiratete er die reiche Kaufmannstochter Christel Bornemann, mit der er fünf Söhne und zwei Töchter hatte.
Entzifferung der altpersischen Keilschrift
Ausgangspunkt für Grotefends erste Entzifferung von zehn Zeichen der persischen Keilschrift binnen weniger Wochen im Jahr 1802 in Göttingen war eine Wette, bei der er den Standpunkt vertrat, es sei möglich, ein vollkommen unbekanntes Schriftsystem aus sich selbst heraus zu entziffern.
Für seine Aufgabe nahm er sich eine von Carsten Niebuhr angefertigte Kopie von Inschriften aus dem Darius-Palast in Persepolis vor. Von dem dänischen Altertumsforscher Bischof Munter war kurz zuvor der Begriff für König als schrägliegender Keil erkannt worden. Als Griechischlehrer kannte Grotefend das historische Umfeld sowie die Namen der persischen Könige dieser Zeit. Es war ihm auch aus griechischer Überlieferung bekannt, dass die Königsnamen immer im Zusammenhang mit dem Namen des Vorgängers verzeichnet waren. Bei seiner Suche ging er von jener Form der Königsnamen aus, die einige Jahre zuvor von dem französischen Orientalisten Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron mit seiner Übersetzung des altiranischen „heiligen Buches“ Avesta veröffentlicht worden waren. Grotefend stellte fest, dass die Könige in der ihm vorliegenden Inschrift weder Kyros I. noch Kambyses I. sein konnten, da beide Namen mit dem gleichen Schriftzeichen begannen, das erste Zeichen dagegen verschieden war. Auch konnte es sich nicht um Kyros und Artaxerxes I. handeln, da der erste Name zu kurz und der zweite zu lang war. „Es blieben also nur Darius und Xerxes übrig“. Tatsächlich war nicht der Name des Thronfolgers Xerxes I., sondern der seines Vorgängers Darius I. mit dem Königstitel gekennzeichnet.[2]
Die Leistungen Grotefends blieben zunächst nur einem kleinen Gelehrtenkreis um die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften bekannt, deren Mitglied[3] er 1820 wurde. Seine Entdeckung publizierte er erst im Jahr 1837. Der Philologe Wilhelm Meyer machte 1893 im Nachrichtenorgan der Gesellschaft Grotefends Dokumente einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.[4]
Grotefend lieferte auch das Vorwort zu Friedrich Wagenfelds Übersetzung einer griechischen Handschrift von Sanchuniathons Urgeschichte der Phönizier (Hannover 1836), die sich aber wenig später als erfundene Quelle erwies. Im Jahr 1847 wurde Grotefend als korrespondierendes Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.[5]
Tod und Nachleben
Georg Friedrich Grotefend ging 1849 als Schulleiter in den Ruhestand. Er war Ehrenbürger der Stadt Hannover und starb dort am 15. Dezember 1853. Er ist auf dem Gartenfriedhof (Marienstraße) begraben.
Sowohl in seiner Geburtsstadt Hann. Münden, in Frankfurt-Eckenheim, in Hamburg-Iserbrook, in Hildesheim, in Göttingen und in Hannover wurden Straßen nach ihm benannt. Das Gymnasium seiner Geburtsstadt trägt seit 1976 seinen Namen. Eine Göttinger Gedenktafel erinnert an ihn.[6]
Seine Leistungen für das Lyzeum in Hannover, für das er über 50 Jahre tätig war, kommemoriert eine Medaille, die 1848 für ein doppeltes Jubiläum geprägt wurde. Der lokale Medailleur Heinrich Brehmer fertigte die bronzene Medaille einerseits für den langjährigen Direktor der Schule, andererseits aufgrund des 500-jährigen Bestehens des Lyzeums. Die Vorderseite ist Grotefend gewidmet, die Rückseite der Schule. Gerade diese Seite ist interessant, da sie eine Anspielung auf die Stadtwerdung und den Ursprung der Schule der Stadt Hannover darstellt.[7]
Schriften
- Über die Erklärung der Keilschriften, und besonders der Inschriften von Persepolis. In: Beylagen zu Heeren: Ideen über die Politik den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der alten Welt. S. 931–960. Göttingen 1805. (Google-Books)
- Anfangsgründe der deutschen Prosodie. (Gießen 1815)
- Lateinische Grammatik. 2 Bde. (Frankfurt am Main 1823–1824)
- Neue Beiträge zur Erläuterung der persepolitanischen Keilschrift. (Hannover 1837) (Google-Books)
- Rudimenta linguae umbricae. 8 Hefte (Hannover 1835–1838)
- Rudimentae linguae oscae. (Hannover 1839)
- Zur Geographie und Geschichte von Altitalien. 5 Hefte (Hannover 1840–1842)
Literatur
- Hermann Grotefend: Grotefend, Georg Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 763–765.
- Dietz-Otto Edzard: Grotefend, Georg Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 164 f. (Digitalisat).
- Wilhelm Rothert: Allgemeine Hannoversche Biografie, Band 2: Im Alten Königreich Hannover 1814–1866; Hannover: Sponholtz, 1914, S. 186 ff.
- Dietmar Vonend: Denkmalportrait in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4/2017, S. 286
Weblinks
- Literatur von und über Georg Friedrich Grotefend im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Georg Friedrich Grotefend im Internet Archive
Einzelnachweise
- Wilhelm Schoof: Georg Friedrich Grotefend und Jacob Grimm. In: Werratalverein Eschwege e.V. (Hrsg.): Das Werraland. Heft 2. Eschwege 1957, S. 27–28.
- Sayce, The Archaeology of the Cuneiform Inscriptions, p 11f
- Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 97.
- Entzifferung von Keilschriften aus Persien - Göttinger Kostbarkeiten: Handschriften, Drucke und Einbände aus 10 Jahrhunderten, abgerufen 26. Mai 2009
- Mitglieder der Vorgängerakademien. Georg Friedrich Grotefend. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 31. März 2015.
- Walter Nissen, Christina Prauss, Siegfried Schütz: Göttinger Gedenktafeln. Ein biografischer Wegweiser. Vandenhoeck & Ruprecht, 2002, S. 89. ISBN 3-525-39161-7
- Stefan Krmnicek, Marius Gaidys: Gelehrtenbilder. Altertumswissenschaftler auf Medaillen des 19. Jahrhunderts. Begleitband zur online-Ausstellung im Digitalen Münzkabinett des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen (= Von Krösus bis zu König Wilhelm. Neue Serie, Band 3). Universitätsbibliothek Tübingen, Tübingen 2020, S. 82 f. (online).