Gawril Krastewitsch
Gawril Baew Krastewitsch auch Gawril Pascha genannt (auch Gavril Baev Krastevič transkribiert, bulgarisch Гаврил Баев Кръстевич, geboren als Gandju Baew Krastew (bulgarisch Гандю Баев Кръстев); * 1817 oder 1822[1] in Kotel; † 16. November 1898 in Istanbul), war ein Phanariot, bulgarischer Herkunft, Aktivist der Bulgarischen Nationalen Wiedergeburt, Hoher Osmanischer Beamter und nach Aleksandar Bogoridi zweiter und letzter Generalgouverneur der nach dem Berliner Kongress geschaffenen osmanischen Provinz Ostrumelien.
Leben
Ausbildung, erste Staatsämter, Kampf um Bulgarische Sprache und Kirche
Gawril Krastewitsch wurde 1817 oder 1822 in Kotel geboren. Als Jugendlicher besuchte Gawril die griechischsprachige Elementarschule in Kotel, wo auch schon Sophronius von Wraza und Stefan Bogoridi gelernt haben. Er ging 1831 nach Karlowo um bis 1835 an der Schule des bekannten Pädagogen und Reformer des bulgarischen Schulwesens Rajno Popovic zu lernen. Wegen seiner guten Noten bekam er ein Stipendium von Stefan Bogoridi. Gawril siedelte daraufhin nach Zarigrad (Stadt der Zaren/Sultane=Konstantinopel, heute Istanbul) wo er ab 1835 seine schulische Ausbildung am berühmten griechischen Fener-Kolleg fortführte. In dieser Zeit wohnte er bei den Bogoridis und mit dessen finanzieller Hilfe schrieb er sich 1838 nach dem Abschluss des Kollegs 1837 für ein Jurastudium an der Sorbonne in Paris ein.
Nachdem er 1844 sein Studium in Frankreich beendete, arbeitete er für Stefan Bogoridi. Er wurde schnell sein Sekretär und ab 1846 sein Stellvertreter als Verwalter der Insel Samos. Ab 1850 nahm er hohe Positionen in der Rechtsbehörde des osmanischen Reiches an. 1869 veröffentlichte Krastewitsch in Konstantinopel die Bulgarische Geschichte nach Krastewitsch.[2]
In Istanbul nahm Knjaz Gawril Krastewitsch am Kampf für eine unabhängige bulgarische Kirche teil. So rief er 1852 mit einem Artikel in der Zeitung Zarigradski westnik die Bulgarische Bevölkerung auf, in den bulgarischen Schulen im Reich die Griechische Sprache durch die Muttersprache Bulgarisch zu ersetzen.[3] Auf seine Vorschläge wurde die Satzung (Ustaw) des 1870 in Istanbul gegründeten Bulgarischen Exarchats verfasst. Auch am weiteren Aufbau der Kirche nahm er teil.
Von Istanbul aus schrieb Krastewitsch regelmäßig in mehreren bulgarischen Zeitungen und Zeitschriften. So übernahm er 1859 von Iwan Bogorow die Redaktion der Zeitschrift Bulgarische Büchereien (bulgarisch Български книжници) als der Herausgeber Dimitar Mutew erkrankte. In der Zeitschrift veröffentlichte Krastewitsch Aufrufe für die Kirchenfrage, in denen er mit juristischen, historischen und theologischen Argumenten das Recht der Bulgaren auf eine eigene Kirchenhierarchie begründete. In diesen Zusammenhang schrieb er eine Bulgarische Geschichte (bulg. „История българска“), welche er auf den Seiten der Zeitschrift publizierte.[4]
Ab 1871 war er Mitglied und ehrenamtlicher Vorsitzender der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.
An der Spitze Ostrumeliens
Als nach dem Berliner Kongress die osmanischen Provinz Ostrumelien als Ergebnis des Russisch-Osmanischen Krieges (1877–1878) errichtet wurde, wurde Gawril Krastewitsch zwischen 1879 und 1884 Direktor für Auswärtiges und Generalsekretär des Gouverneurs der Provinz Aleko Bogoridi, Sohn seines Ziehvaters Stefan Bogoridi. Die Provinz grenzte im Norden an das de-facto unabhängige Fürstentum Bulgarien und als Generalsekretär leitete Krastewitsch auch die Direktion des Innern (Innenministerium) für die nächsten fünf Jahre, die für die Grenzsicherung zuständig war. Außenpolitisch unterhielt er gute Beziehungen zum Russischen Kaiserreich. Letzteres übte seinen Einfluss auf die osmanische Regierung, um Krastewitsch im April 1884 als Nachfolger von Bogoridi zum Generalgouverneur der Provinz zu ernennen.
Als Generalgouverneur verfolgte Krastewitsch weiterhin eine russlandfreundliche Politik, er ernannte mit Natscho Natschow einen von St. Petersburg empfohlenen Direktor für innere Angelegenheiten, rekrutierte einen russischen Offizier in der Leitung der Miliz, und favorisierte die oppositionelle prorussische Volkspartei gegen der Liberalen Partei. Einige Monate nach seinem Amtsantritt als Gouverneur löste Krastewitsch die liberal dominierte Regionalversammlung und den Ständigen Ausschuss auf und organisierte Neuwahlen, die von Volkspartei mit absoluten Mehrheit gewonnen wurden. Anschließend wurden die gesamte Direktion (Provinzregierung) und die anderen Leitungsgremien der Provinz durch Mitglieder der Volkspartei ersetzt.
Als Osmanischer Provinzgouverneur konnte Krastewitsch die seit der Gründung der BGRZK Anfang 1885 zunehmende der Agitation für die Vereinigung Ostrumeliens mit dem Fürstentum Bulgarien jedoch nicht entgegenwirken. Gewarnt vor einem möglichen Staatsstreich, weigerte er sich vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und stoppte ein Telegramm der Direktionsleiter an die osmanische Regierung, womit sie letztere über bevorstehende öffentlichen Unruhen informieren wollten. Als Gouverneur blieb Krastewitsch im Amt, bis er am Abend des 5. Septemberjul. / 17. September 1885greg. durch einen Offiziersputsch der Miliz gestürzt wurde. Am nächsten Tag setzte sich eine Interimsregierung unter der Führung von Georgi Stranski zusammen, der aber auch weitere bekannte Persönlichkeiten wie der BGRZK wie Sachari Stojanow, Sawa Mutkurow oder Kosta Panica angehörten und erklärte die sofortige Vereinigung mit dem Fürstentum Bulgarien unter Fürst Alexander von Battenberg.[5]
Berühmt ist Krastewisch auch wegen seines Ausspruchs „Jungs, ich bin auch ein Bulgare“ bei seiner Festnahme während des Offiziersputschs.
Nach der Vereinigung ging er nach Istanbul zurück. Dort starb er am 16. November 1898.
Literatur
- Sachari Stojanow: Die Unterjochung des Gawril Pascha, 6. September 1885 (bulg. Заробването на Гаврил паша, 6-ти септември 1885 г)
- Wolf Oschlies: Krŭstevič, Gavril Baev, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. München 1976, S. 516 f.
- Petar Angelow: Istorija na Balgarija (aus dem bulg. Geschichte Bulgariens). SOFI-R, Sofija 2003, Band 1: ISBN 954-638-121-7, Band 2: ISBN 954-638-122-5
- Simeon Radew: Die Erbauer des modernen Bulgariens (aus dem Bulg. "Строителите на съвременна България), Verlag Захарий Стоянов, 2004, Band 1 ISBN 978-954-739-303-5 und Band 2 ISBN 978-954-739-0
- Hans-Joachim Böttcher: Prinz Alexander von Battenberg, 1857-1893, Im Strudel europäischer Politik und des Herzens. Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2021, ISBN 978-3-944487-84-7. S. 221, 226
Einzelnachweise
- Geburtsjahr 1822 laut Artikel Krestovič, Gabriel in: Meyers Konversations-Lexikon, 5. Aufl. 1895, Bd. 10, S. 691
- Online-Version des Buches bei books.google.com
- Tontscho Schetschew: Gawril Pascha oder Krastewitsch (aus dem Bulg. Гаврил паша или Кръстевич) in.: Die Bulgarischer Osteraktion oder die bulgarische Leidenschaften (aus dem Bulg. Българският Великден или страстите български), Sofia, 1976, S. 262 – 263
- Wena Politowa-Denewa: Die Entwicklung des bulgarischen Zeitschriftenwesens von ihren Anfängen bis 1878., Zeitschrift für Südost-Forschungen 6 (1941), S. 415ff, Aufsatz als PDF
- Simeon Radew: Die Erbauer des modernen Bulgariens, Band I, S. 503 – 504
Weblinks
- Biographie und weitreichende Information über das Leben von Gawril Krastewitsch auf der Seite www.pravoslavieto.com (bulg.)
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Aleksandar Bogoridi | Generalgouverneur von Ostrumelien 1884 – 6. September 1885 | — |