Gauer-Henry-Reflex
Der Gauer-Henry-Reflex (nach Otto Gauer (1909–1979) und James Paget Henry (1914–1996)[1]) beschreibt in der Medizin einen Mechanismus, der über die Dehnung des Herzgewebes das Blutvolumen reguliert.[2]
Funktionsprinzip
Barorezeptoren im Herzen, vor allem im rechten Herzvorhof (Typ-B-Vorhofrezeptoren), werden bei Anstieg des Füllvolumens gedehnt. Vermittelt über Afferenzen des Nervus vagus wird von der Hypophyse weniger Antidiuretisches Hormon (ADH) ausgeschüttet. ADH bewirkt in der Niere eine gesteigerte Wasserrückresorption, indem im distalen Tubulus und vor allem im Sammelrohr Aquaporine in die luminale Membran eingebaut werden, durch die Wasser aus dem Harn ins Nierenmark und von dort ins Blut diffundiert. Durch die verminderte ADH-Ausschüttung wird also das Blutvolumen verringert. Dadurch werden auch die B-Sensoren weniger gedehnt, wodurch die Hemmung der ADH-Ausschüttung wieder abnimmt.
Eine ähnliche Funktionsweise (aber eine gegenteilige Wirkung wie ADH) hat das atriale natriuretische Peptid (ANP), das bei deren Dehnung von den Herzmuskelzellen selbst ausgeschüttet wird und die Natriumausscheidung erhöht, was eine vermehrte Wasserausscheidung zur Folge hat.
Diese beiden Mechanismen werden in der Medizin mit dem eingängigen Merksatz „Vorhof voll – Blase voll“ beschrieben: Vermehrte Füllung des Vorhofs hat vermehrte Blasenfüllung zur Folge.
Ein vergrößertes Herzzeitvolumen führt zu einer vergrößerten Glomerulären Filtrationsrate mit vermehrter Bildung von Primärharn. Jetzt wird Wasser durch ADH vermehrt und durch ANP vermindert tubulär rückresorbiert. Dadurch steigt beziehungsweise sinkt das Blutvolumen mit gegenteiliger Wirkung auf die Urinbildung.
Beispiele
Der Gauer-Henry-Reflex ist zum Beispiel beim Baden zu beobachten: Beim Aufenthalt im Wasser tritt Harndrang ein. Der Wasserdruck führt dazu, dass das Blut, das normalerweise von der Schwerkraft in die Venen des Beins und des Unterleibs „gezogen“ wird, im ganzen Kreislauf zirkuliert, was einer zentralen Druckerhöhung gleichkommt.
Während des Countdowns sind Astronauten im Space Shuttle und anderen Raumfähren teilweise mehrere Stunden auf ihren liegenden Sitzen festgezurrt. Diese Körperhaltung hat zur Folge, dass Blut aus den Beinen in den Oberkörper fließt. Da ein Toilettengang in dieser Situation nicht in Frage kommt, tragen die Astronauten während der Startprozedur spezielle Windeln. In der Schwerelosigkeit greift derselbe Mechanismus wie beim Aufenthalt im Wasser.
Des Weiteren kann auch der Gauer-Henry-Reflex durch vermehrtes Trinken ausgelöst werden, da hierbei das Blutvolumen größer wird, was die Vorhofmyozyten und Barorezeptoren vor allem im rechten Vorhof reizt und somit zu verringerter ADH-Freisetzung und vermehrter ANP-Freisetzung führt.
Literatur
- Schmidt, Lang, Thews: Physiologie des Menschen. 29. Auflage, Springer 2005
Einzelnachweise
- International Space Hall of Fame
- JP Henry, OH. Gauer, JL.Reeves: Evidence of the atrial location of receptors influencing urine flow. In: Circ Res., 1956 Jan, 4(1), S. 85–90, PMID 13277115.