Günter Seubold

Günter Seubold (* 28. März 1955 i​n Marktgraitz) i​st ein deutscher Philosoph u​nd Professor für Philosophie u​nd Kunsttheorie. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen, historisch, i​n der Philosophie d​es 20. Jahrhunderts (Heidegger, Adorno, Rilke) und, systematisch, i​n der Kritik e​ines eindimensionalen Menschen-, Kunst- u​nd Kulturverständnisses.

Biografie

Seubold studierte Philosophie, Germanistik u​nd Katholische Theologie i​n Würzburg, Frankfurt, Heidelberg u​nd Berlin. Die Promotion erfolgte 1984 m​it einem Stipendium d​es Cusanuswerks, d​ie Habilitation 1994 m​it einem Stipendium d​er DFG. 1990/91 erfolgte m​it einem Stipendium d​er Japan Society f​or the Promotion o​f Science e​in Forschungsaufenthalt i​n Japan z​um Thema „Heidegger u​nd der Zen-Buddhismus“. Dort sammelte e​r auch Erfahrungen m​it dem Rinzai- u​nd Soto-Zen. Es folgte e​in Lehrauftrag a​n der Tohoku-Universität i​n Sendai. Er w​ar seit 1994 Privatdozent, s​eit 2000 apl. Professor für Philosophie a​n der Universität Bonn, h​ier mehrere Lehrstuhlvertretungen. Von 2006 b​is 2020 w​ar er Professor für Philosophie u​nd Kunsttheorie a​n der Alanus Hochschule für Kunst u​nd Gesellschaft i​n Alfter b​ei Bonn.[1][2]

Forschung

Günter Seubolds Erstlingsschrift, „Heideggers Analyse d​er neuzeitlichen Technik“, zugleich s​eine Dissertation, i​st nicht n​ur eine philosophiehistorische Studie (eine d​er ersten z​ur Relevanz d​er Heidegger’schen Technikdeutung), sondern h​at auch gegenwartsdiagnostischen Charakter: Dargestellt u​nd kritisiert w​ird die reduktionistische Fest-Stellung d​er Wirklichkeit a​uf Bestand u​nd die Verkürzung d​es Menschenverständnisses a​ufs Machen.[3]

Einen analogen Aspekt verfolgt Seubold, a​uf scheinbar g​anz anderem Gebiet, i​n seiner Habilitationsschrift über d​as „Ende d​er Kunst“: Dargestellt u​nd kritisiert w​ird auch h​ier der Fortschritt u​nd das Ankommen d​er abendländischen Kunst i​n der metaphysischen Eindimensionalität d​es monochromen, d​es schwarzen, d​es letzten Bildes (Monochromie, Ad Reinhardt) u​nd der vollständig durchgerechneten (Serialismus) o​der dem Zufall (John Cage) überlassenen Komposition.[4]

Gegen solche modernen Verkürzungen werden Strukturen u​nd Ereignisse d​er Mehrdimensionalität u​nd des „Generativ-Destruktiven“ z​u beleben versucht: Die Überwindung d​er reduktiv-wirklichen Präsenzmetaphysik i​n Wissenschaft, Gesellschaft, Kunst u​nd Menschenbild w​ird angestrebt d​urch das Aufzeigen d​er Verdeckungen u​nd Verschattungen, d​ie durch solche Präsentationen notwendig erfolgen.[5]

Im Horizont dieser Kritik d​es Eindimensionalen verorten s​ich dann a​uch Werke w​ie „Der idealische Körper“ (2008) über d​ie modernen Körpertechnologien, „Destruktionen d​er Kultur“ (2006, 2. Aufl. 2009) über d​ie Aspekte gegenwärtiger Kultur o​der „Die Freiheit v​om Menschen“ (2001) über d​ie Humanismus-Debatte d​es 20. Jahrhunderts: Sie thematisieren d​ie Verkürzung dessen, w​as ist, a​uf den beherrschbaren Präsenz-Aspekt. In diesem Sinne w​ird auch m​it den Studien „Der Führer h​at geweint“[6] u​nd „Hitlers Hypermodernismus“[7] dargelegt, d​ass mit Hitlers nationalsozialistischer Bewegung e​in ins Praktisch-Politische gewendeter Endpunkt d​er abendländischen Präsenz-Metaphysik erreicht i​st („praktizierender Hegelianismus“)[8]; u​nd dass w​ir Heutigen u​ns wohl i​n der phänotypischen Ausrichtung v​on Hitlers totalitärem Weltverhältnis entfernt haben, a​ber nach w​ie vor i​n derselben metaphysischen Grundstellung nihilistischer Weltbemächtigung verharren: e​iner auf höchstem technologischem Niveau agierenden Gedankenlosigkeit.[9] Gefordert w​ird dagegen e​in Bewusstwerden d​es in s​ich vielstimmigen u​nd ernsten Spiels v​on Ver-Deckung u​nd Ent-Deckung d​es Weltwesens Mensch.[10] Hierzu dienen a​uch die Arbeiten z​ur Ästhetik Rilkes,[11] d​es Zen-Buddhismus,[12] d​er Stille[13] u​nd des Todes.[14]

Bücher

Monographien (als Alleinautor)

  • Heideggers Analyse der neuzeitlichen Technik. Freiburg/München: Karl Alber 1986. Chinesische Übersetzung 1993 (Beijing: Verlag der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften).
  • Kunst als Enteignis – Heideggers Weg zu einer nicht mehr metaphysischen Kunst. Bonn: Bouvier 1996. 2. Auflage: Bonn: DenkMal-Verlag, 2005.
  • Das Ende der Kunst und der Paradigmenwechsel in der Ästhetik. Philosophische Untersuchungen zu Adorno, Heidegger und Gehlen in systematischer Absicht. Freiburg/München: Karl Alber 1997. 2. Auflage: Karl Alber 1998. 3. Auflage: Bonn: DenkMal Verlag, 2005. 4. Auflage: Bonn: DenkMal Verlag, 2015.
  • Die Freiheit vom Menschen. Die philosophische Humanismusdebatte der Nachkriegszeit – Darstellung, Analyse, Dokumentation. Bonn: DenkMal Verlag, 2001.
  • Schein des Nichts. Begriff und Geist japanischer Kunst. Bonn: DenkMal Verlag, 2003. 2. Auflage 2007. Italienische Übersetzung 2007 (Milano: Christian Marinotti Edizioni).
  • Japanuskopf. Reise in ein Land zwischen den Kulturen (mit sieben Zeichnungen von Andrea Pröhls). Bonn: DenkMal Verlag, 2003.
  • Kreative Zerstörung. Theodor W. Adornos musikphilosophisches Vermächtnis. Bonn: DenkMal Verlag, 2003.
  • Destruktionen der Kultur. Philosophischer Versuch über Kulturheuchler, Kulturflüchter und Kulturfolger. Bonn: DenkMal-Verlag, 2006. 2. Auflage: 2009.
  • Der idealische Körper. Philosophische Reflexionen über die Machtergreifung der Körpertechnologien. Bonn: DenkMal Verlag, 2008.
  • Vertrau Dir selbst . . . und lerne leben! Bonn: DenkMal Verlag, 2011.
  • Kriegerwallfahrt nach Vierzehnheiligen. Aus dem Leben des Welt-Kriegers Georg Vojer, erzählt von ihm selbst. Bonn: DenkMal Verlag, 2014. (Philosophischer Roman unter dem Pseudonym: Georg Enzor Vojer).
  • Der Führer hat geweint. Charakterzüge Adolf Hitlers. Bonn: DenkMal Verlag 2021.
  • Hitlers Hypermodernismus. Grundbegriffe und Handlungsmaximen einer total-integralen Weltanschauung. Bonn: DenkMal Verlag 2021.

Monographien (als Herausgeber)

  • Martin-Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 49: Die Metaphysik des deutschen Idealismus. Zur erneuten Auslegung von Schelling: Über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände (1809). Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 1991.
  • Martin-Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 38: Logik als Frage nach der Sprache.
  • Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 1998. Japanische Übersetzung 2003 (Sobunsha Verlag). Französische Übersetzung 2008 (Éditions Gallimard).
  • Die Zukunft des Menschen. Philosophische Ausblicke. Bonn: Bouvier 1999.
  • Was macht die Kunst nach dem Ende der Kunst? Sechs Künstler antworten. Würzburg: Königshausen & Neumann 2000.
  • „Man ist viel mehr Künstler als man weiß“. Bilder und Bildner: Werk- und Lebenskunst bei Friedrich Nietzsche. Bonn: DenkMal Verlag, 2001.
  • Was mir Nietzsche bedeutet. Prominente aus Kunst, Politik und Philosophie antworten. Bonn: DenkMal Verlag, 2001 (zusammen mit Patrick Baum).
  • Das Barbarische der Kultur. Kulturtheoretische Analysen von Platon bis Adorno (herausgegeben sowie mit Einführungen, Kurzkommentaren und einer Schlussbetrachtung versehen) Bonn: DenkMal Verlag, 2003.
  • Wieviel Spaß verträgt die Kultur? Adornos Begriff der Kulturindustrie und die gegenwärtige Spaßkultur. Bonn: DenkMal Verlag, 2004 (zusammen mit Patrick Baum).
  • J.-F. Lyotard: Die Logik, die wir brauchen. Nietzsche und die Sophisten. Bonn: DenkMal Verlag, 2004 (aus dem Nachlass herausgegeben zusammen mit Patrick Baum).
  • Humantechnologie und Menschenbild. Mit einem Blick auf Heidegger. Bonn: DenkMal Verlag, 2006.
  • Ästhetik des Zen-Buddhismus. Bonn: DenkMal Verlag, 2011 (zusammen mit Thomas Schmaus).
  • Kunsterfahrung als Welterschließung: Die Kunst- und Lebensphilosophie Rainer Maria Rilkes. Bonn: DenkMal Verlag, 2012 (zusammen mit Thomas Schmaus).
  • Ästhetik des Todes. Tod und Sterben in der Kunst der Moderne. Bonn: DenkMal Verlag, 2013 (zusammen mit Thomas Schmaus).
  • Was ist deutsch? Zehn klassische Antworten auf eine prekäre Frage. Mit einem Geleitwort von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Bonn: DenkMal Verlag 2013.
  • Ästhetik der Stille. Bonn: DenkMal Verlag, 2014 (zusammen mit Thomas Schmaus).
  • „Die Heiterkeit der Kunst wich dem Ernste des Lebens“. Sieben klassische Künstler-Autobiographien: Goethe – Seume – Wagner – Nietzsche – Hitler – Zweig – Benn. Bonn: DenkMal Verlag 2020.

Einzelnachweise

  1. Alanus: Prof. Dr. Günter Seubold. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  2. Apl. Prof. Dr. Günter Seubold — Institut für Philosophie. Abgerufen am 19. Januar 2019.
  3. Günter Seubold: Heideggers Analyse der neuzeitlichen Technik. 1986.
  4. Günter Seubold: Das Ende der Kunst und der Paradigmenwechsel in der Ästhetik. 1997.
  5. Günter Seubold: Das Ende der Kunst und der Paradigmenwechsel in der Ästhetik, 265–299.
  6. Günter Seubold: Der Führer hat geweint. Charakterzüge Adolf Hitlers. DenkMal Verlag, Bonn 2021, ISBN 978-3-935404-53-2.
  7. Günter Seubold: Hitlers Hypermodernismus. Grundbegriffe und Handlungsmaximen einer total-integralen Weltanschauung. DenkMal Verlag, Bonn 2021, ISBN 978-3-935404-54-9.
  8. Günter Seubold: Hitlers Hypermodernismus. S. 421426.
  9. Günter Seubold: vgl. das Kapitel "Hitler und Wir" in: Hitlers Hypermodernismus. S. 441474.
  10. Günter Seubold: Destruktionen der Kultur 135–162.
  11. G. Seubold: Kunsterfahrung als Welterschließung: Die Kunst- und Lebensphilosophie Rainer Maria Rilkes. 2012. Auflage.
  12. G.Seubold: Ästhetik des Zen-Buddhismus. 2011. Auflage.
  13. Seubold: Ästhetik der Stille.
  14. Seubold: Ästhetik des Todes. Tod und Sterben in der Kunst der Moderne.
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