Fritz Burr
Fritz Burr (* unbekannt; † 1949 in Degernau) war ein deutscher Ingenieur und Unternehmensgründer. Um 1900 war Burr noch Mitarbeiter des Grafen Ferdinand von Zeppelin in Friedrichshafen. Er machte sich mit von Zeppelins Unterstützung selbstständig und erwarb 1902 in Wutöschingen die „Mahlmühle“ zur Energiegewinnung für die Gründung einer Metallgießerei. 1909 konnte er diese mit Unterstützung der Firma Gebr. Guilini, Ludwigshafen, in ein Walzwerk zur Aluminiumverarbeitung umrüsten. 1914 verkaufte er seinen Anteil am Werk dem Grafen Georg Giulini, der es in Aluminium-Werke Wutöschingen umfirmierte.
Leben
Mitarbeiter des Grafen Zeppelin
Als Mitarbeiter von Zeppelin war Burr Technischer Leiter des Erstflugs des Zeppelins LZ 1 über dem Bodensee.[Anm 1]
Zeppelin hatte seine Mannschaft ausgewählt: „Neben ihm waren Baron Konrad von Bassus und Ingenieur Fritz Burr in der einen Gondel“: Es musste wegen „der drohenden Gefahr des Ueberschlagens alsbald durch Stoppen und Rückwärtslauf der Schrauben begegnet werden. Von da ab bestand das ganze Fahren in einem Wechsel von Vor- und Rückwärtsgang der Schrauben, um damit zu große Neigung zu hemmen.“ (Protokollbericht des Grafen). Zeitungsbericht: „Nachdem der Ballon kurze Zeit festgehalten, stieg er rasch in die Höhe von 3–400 Meter und führte verschiedene Schwenkungen aus, so daß das Publikum über den großartigen Anblick in freudigste Stimmung versetzt wurde.“ (Extra-Seeblatt, 3. Juli 1900).[1]
Lebensleistung
Burrs weitere Aktivitäten gestatten die Annahme, dass er im Einvernehmen mit von Zeppelin die Möglichkeit, den Werkstoff Aluminium für den Bau der Zeppeline zu nutzen, erkundete. Kurze Zeit war er als Betriebsleiter im Aluminiumwerk von Carl Berg in Eveking tätig. Berg war Luftschiffbauer und belieferte von Zeppelin. Burrs Absicht war, sich selbstständig zu machen und so „suchte er nach einem Ort, an dem er aus Wasserkraft elektrischen Strom erzeugen könnte. Auf der Suche […] gelangte er nach Wutöschingen, wo er im Jahre 1902 die alte ‚Mahlmühle‘ erwarb.“[2]
„Er richtete im Jahr 1902 in Wutöschingen eine Formgießerei ein, in der zunächst Messing- und Rotgussteile und ab 1904 auch Aluminiumguss hergestellt wurden.“[Anm 2]
Da Burr vorerst Überkapazitäten an Strom produzierte, verhandelte er mit Gemeinden der Umgebung zu deren Elektrifizierung, doch nur Wutöschingen ging darauf ein. Mittlerweile gab es jedoch Fortschritte in der Aluminium-Herstellung:
„In Zusammenarbeit mit seinen alten Freunden, dem Grafen Zeppelin und Ingenieur Dürr vom Luftschiffbau Zeppelin, plante Burr nun die Herstellung von Aluminiumprofilen für Luftschiffe. Diesen Vorschlag hatte Zeppelin gemacht und für den Aufbau der Fabrikation 40.000 Mark angeboten. Die Profile sollten aus Aluminiumbändern gezogen und später vielleicht auch direkt gepresst werden.“
Standortentscheid
Auf der Suche nach einem Lieferanten für Aluminiumbänder (das Strangpressverfahren war noch kaum entwickelt) kam Burr mit dem Verkaufsleiter der Firma Gebr. Giulini in Ludwigshafen in Kontakt. Der Inhaber, Georg Giulini, der den Ausgangsstoff für die Aluminiumherstellung produzierte (kalzinierte Tonerde), beabsichtigte, selbst die Aluminiumfabrikation aufzunehmen und bot Burr an, „die Leitung eines in Ludwigshafen projektierten Werkes zu übernehmen.“
„Burr konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, nach Ludwigshafen überzusiedeln. Bei Dr. Georg Giulini dagegen stieß der Gedanke, in Wutöschingen ein Walzwerk zu erstellen, anfangs auf volle Ablehnung. Nach mehreren Besuchen Burrs in Ludwigshafen kamen schließlich die Verhandlungen im Jahre 1909 zum Abschluss.“
Burr erlangte von Giulini die Unterstützung für den Bau seines eigenen Walzwerkes in Wutöschingen. Das Werk wurde 1910 in Betrieb genommen und beschäftigte „zwischen 60 und 70 Arbeiter. Die Monatsproduktion lag bei 60 Tonnen.“
- Erste Produktionsjahre
Bereits 1912 reichte der selbst erzeugte Strom nicht mehr aus. In Waldshut war am 1. Juli 1900 ein Elektrizitätswerk in Betrieb genommen worden und dieses Werk war in der Lage, „den angeforderten Strom zu liefern, weil man ab 1911 vom 2. Großkraftwerk am Hochrhein in Laufenburg Strom geliefert bekam.“ Giulini finanzierte eine Stromleitung „von Waldshut nach Wutöschingen [..]. Diese elektrische Freileitung, deren Leitungsdrähte ganz aus Aluminium bestanden, war die erste derartige Leitung in Baden.“[3]
Auch die Verkehrsanbindungen versuchte Burr zu verbessern und er erwarb angrenzende Grundstücke.
Verkauf der Firma und weitere Tätigkeit
Das Werk lief unter der Firmenbezeichnung Fritz Burr und die Betriebsleitung lag in seinen Händen. Die Versorgung mit Hütten-Aluminium übernahm ein Werk Giulinis und auch „der Vertrieb der Wutöschinger Halbfabrikate erfolgte ausschließlich durch die Abteilung ‚Aluminium‘ bei Giulini in Ludwigshafen. […] Schwierigkeiten lagen vor allem in den Besitzverhältnissen, da die maschinellen Einrichtungen von Giulini aufgestellt werden sollten, während der Grund und Boden und die Gebäude Burr gehörten.“[4] Da Burr in der fortgesetzt expansiven Marktlage keine Investitionen vornehmen konnte, einigten sich die ungleichen Partner: 1914 verkaufte Fritz Burr sein Werk an Giulini. Frühere Verlegungspläne wurden jedoch aufgegeben und „der Standort Wutöschingen war damit endgültig.“
„Ohne die persönliche Entscheidung des Unternehmers Fritz Burr, Wutöschingen zum Standort seines Betriebes zu machen, wären die Aluminiumwerke hier wohl nicht entstanden.“[Anm 3]
Nach seinem Ausscheiden arbeitete Burr einige Monate in Schaffhausen und dann „in Stuttgart-Zuffenhausen, wo er bis 1927 tätig war“. Danach kehrte er zurück und eröffnete 1930 in (Wutöschingen-)Degernau einen Landmaschinenbetrieb, der bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestand. Burr starb im Jahr 1949.[5]
Anmerkungen
- Diese Angabe stammt aus der Bildunterschrift einer Fotografie in der Chronik der Aluminium-Werke Wutöschingen, Bild-Seite 2a: „Erster Aufstieg des ersten Zeppelins LZ 1 am 2. 7. 1900 auf dem Bodensee unter der technischen Leitung von Fritz Burr.“
- Manfred Knauer: Hundert Jahre Aluminium-Industrie in Deutschland (1886–1986), Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2014, S. 51. Knauer beschreibt auch detailliert die ersten 10 Jahre von Burrs Unternehmung.
- Häussler, S. 215, bestätigt von W. Riegger, S. 199, beide in Chronik Wutöschingen: „… initiiert durch den Gründer der heutigen Aluminiumwerke Wutöschingen GmbH, Fritz Burr“.
Literatur
- Autorenredaktion: Wutöschingen einst und heute. Das Lesebuch, Hrsg.: Ortsverwaltung Wutöschingen, 2006. Beiträge von Horst Häussler: Die Aluminiumindustrie – prägende industrielle Kraft der Gemeinde Wutöschingen und Wolfgang Riegger: Elektrifizierung im Unteren Wutachtal.
- Manfred Knauer: Hundert Jahre Aluminium-Industrie in Deutschland (1886–1986), Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2014. ISBN 978-3-11-035127-9.
- Kurt Timmermann: Chronik der Aluminium-Werke Wutöschingen, 1973.
Einzelnachweise
- Sabine Ochaba: Urknall am Bodensee. In: Zeppelin Museum Blog. 1. Juli 2020, abgerufen am 26. März 2021.
- Horst Häussler: Die Aluminiumindustrie – prägende industrielle Kraft der Gemeinde Wutöschingen in: Autorenredaktion: Wutöschingen einst und heute. Das Lesebuch, Hrsg.: Ortsverwaltung Wutöschingen, 2006, S. 227. (Im Weiteren genannt: Chronik Wutöschingen).
- Wolfgang Riegger: Elektrifizierung im Unteren Wutachtal, In: Chronik Wutöschingen, 2006, S. 199.
- Kurt Timmermann: Chronik der Aluminium-Werke Wutöschingen, 1973, S. 4 ff.
- H. Häussler: Aluminiumindustrie – prägende Kraft, In: Chronik Wutöschingen, 2006, S. 228 ff.