Friedrich Wilke (Politiker, 1855)
Ernst August Heinrich Friedrich Wilke (* 18. September 1855 in Gellmersdorf, Angermünde; † 17. Juni 1939 Reinickendorf)[1] war ein deutscher Politiker und Verwaltungsbeamter. In der Gemeinde Reinickendorf hatte er die Ämter des Amts- und Gemeindevorsteher inne. Wilke war auch Landtagsabgeordneter der Provinz Brandenburg. Später bekam er den Titel des Bürgermeisters verliehen.
Leben
Wilke entstammte eines alten uckermärkischen Bauerngeschlechtes. Seine Eltern war der Bauerngutsbesitzer Ephraim Friedrich Wilke und dessen Ehefrau Charlotte Luise geb. Knaack.[1]
Er besuchte zunächst die Dorfschule in Gellmersdorf und anschließend die Stadtschule in Angermünde. Seit dem Jahr 1871 erfuhr er eine berufliche Ausbildung auf dem Landratsamt Angermünde. Danach war er 1880 bei der Königlichen nach Potsdam und anschließend bei der Kur- und Neumärkischen Haupt-Ritterschaftsdirektion tätig.
Am 1. Oktober 1882 trat er als Amts- und Gemeindesekretär in die Reinickendorfer Verwaltung ein.[2]
Vorgängiger Amtsvorsteher Wilhelm Schwarz (* 1841) verstarb im März 1884. Da darraufollgend kein Nachfolger für einen besoldeten Verwaltungsbeamten gefunden werden konnte, wurde Friedrich Wilke von der Aufsichtsbehörde als kommissarischer Gemeinde- und Amtsvorstehers sowie zum 1. Sekretär und Bürovorsteher von Reinickendorf ernannt. Auch wurde er Landtagsabgeordneter der Provinz Brandenburg.[3] 1885 konnte Wilke seine Amtsgeschäfte in das neu erbaute Amtshaus zuzüglich Amtsgefängnis und Armenhaus am Dorfanger (Alt-Reinickendorf 38) verlegen.
Im Jahre 1894 veranlasste er die Schließung eines der ersten Frauenvereine wegen politischer Umtrieb:[4]
„Sie werden hierdurch benachrichtigt, daß mir die Statuten und das Mitgliederverzeichnis des Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins Eintracht zugegangen sind. Gleichzeitig eröffne ich Ihnen, daß ich den Verein hiermit bis zur ergehenden richterlichen Entscheidung schließe, da derselbe als ein politischer Verein erachtet werden muß, und solcher nach dem Gesetz vom 11. März 1850 keine Frauen als Mitglieder aufnehmen, geschweige denn überhaupt bloß aus Frauen bestehen kann.
Der Amtsvorsteher Wilke Reinickendorf, 15. Jan. 1894.“[5]
Gleichzeitig war Wilke Gründer des Reinickendorfers Männer-Turnverein.
Während seiner Amtszeit widmete er sich der bis dahin benötigten Infrastruktur für die größtenteils verarmte Bevölkerung, welche im Gegenzug schlechte Steuererträge erbrachte. Er veranlasste trotzdem die Anlegung der Kanalisation, auch die Pflasterung der Straßen, jedoch durch Kostendeckung von Straßenanliegern[6], sowie die Verbesserung der Stromversorgung.
In Bezug der Beteiligung Friedrich Wilkes an Grundstückspekulationen und diesbezüglichen mehrfachen Unterschlagung von Provisionen kam es zu mehren gerichtlichen Auseinandersetzung. In diesem Zusammenhang bezichtigten im Jahre 1903 der Maurer Hermann Matz[7] sowie 1907 der Schlächtermeister Karl Weber[8] den Amtsvorsteher Wilke als "Grundstücksvermittler". Dieser ging in beiden Fällen unter dem Vorwand der Beleidigung gerichtlich gegen diese vor.
Das Gerichtsurteil sprach den Maurer Hermann Matz frei und attestierte die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Die Strafanwaltschaft erkannte hingegen eine beleidigende Absicht des Maurers und forderte eine Gefängnisstrafe von zwei Wochen.[7]
Infolge der Novemberrevolution setzte der Reinickendorfer Arbeiterrat im Dezember 1918 entgegen dem Beschluss des Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin mit der Gemeindevertretung zusammenzuarbeiten diese und damit Friedrich Wilke aufgrund seiner konservativen Einstellung ab. Im weiteren Verlauf wurde die Verwaltung den übrigen Mitgliedern des Gemeindevorstand, dem Beigeordneten und dem Schöffen, übertragen.[2][9] Nach seiner "Amtsenthebung" trat Wilke im folgenden Jahr in den Ruhestand.[10][11] Diesen verbrachte er bis zu seinem Lebensende als Privatier in dem um 1888 eigens erbauten Wohnhaus Emmentaler Straße 79 in Berlin-Reinickendorf (1965 abgerissen).[12] Am 17. Juni 1939 verstarb er um 8:30 Uhr. Als Todesursache wirkte Herzmuskelschwäche.[1]
Er war seit dem 10. April 1886 mit der Auguste geb. Müller verheiratet.[1] Dessen Bruder war der in Reinickendorf ansässige Erbbauer Fritz Müller.
Ehrungen
- 1897: Königlicher Kronen-Orden der IV. Klasse[13]
- 1905: Ehrentitel Bürgermeister
- Nach ihm wurde in Reinickendorf die Wilkestraße (ab 1937 Emmentaler Straße) benannt.[14]
- Ehrengrab des Landes Berlin auf dem heutigen Kriegsgräberfriedhof Reinickendorf.
Weblinks
- Friedrich Wilke in der Datenbank von Find a Grave (englisch)
Einzelnachweise
- Standesamt Reinickendorf: Sterbeurkunde Friedrich Wilke. Nr. 444/1939.
- Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. Verein für die Geschichte Berlins, 1938, abgerufen am 1. August 2021.
- Bekanntmachungen des Königlichen Oberpräsidenten. No. 220. Provinziallandtagsabgeordnete. Potsdam 15. Januar 1912, S. 96 ff.
- Johanna Loewenherz: Eigentum oder Ehe? Studie zur Frauenbewegung. Neuwied 1895, S. 15.
- https://www.kreis-neuwied.de/kv_neuwied/Johanna-Loewenherz-Stiftung/Stiftungsgeberin/Werke/Prostitution%20oder%20Production%20Eigentum%20oder%20Ehe.pdf (S. 15)
- Vorwärts - das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands. In: Deutsches Zeitungsportal. 16. Oktober 1907, abgerufen am 15. Dezember 2021.
- Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, (Morgen-Ausgabe). In: Deutsches Zeitungsportal. 30. Dezember 1903, abgerufen am 15. Dezember 2021.
- Vorwärts - das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands. In: Deutsches Zeitungsportal. 1907-10-16, abgerufen am 15. Dezember 2021.
- Klaus Schlickeiser: Ortsteil Reinickendorf des Bezirkes Reinickendorf – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. In: Chronik des Bezirks Reinickendorf von Berlin. Förderkreis für Bildung, Kultur und Internationale Beziehungen, Berlin 2020, ISBN 978-3-927611-45-0, S. 43.
- Gerd Koischwitz: Sechs Dörfer in Sumpf und Sand - Geschichte des Bezirkes Reinickendorf von Berlin. Wilhelm Möller oHG, 2011, ISBN 978-3-8448-5507-4, S. 55 - 70, urn:nbn:de:101:1-20110501531.
- Eingemeindung und Bürgermeisterwahlen. In: Berliner Börsen-Zeitung. 15. April 1919, abgerufen am 1. August 2021: „Dasselbe gilt für Reinickendorf, wo Bürgermeister Wilke in den Ruhestand getreten ist.“
- Klaus Schlickeiser: Spaziergänge in Reinickendorf. Teil 1: Alt-Reinickendorf und Residenzstraße. Hrsg.: Förderkreis für Bildung, Kultur und Internationale Beziehungen. 2006, ISBN 978-3-927611-25-2, S. 86 (111 S.).
- Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe. In: Deutsches Zeitungsportal. 12. Juni 1897, abgerufen am 15. Dezember 2021.
- Dagmar Girra, Sylvia Lais: Namen Berliner Straßen und Plätze. Hrsg.: Hans-Jürgen Mende. Ed. Luisenstadt, Luisenstadt 2003, ISBN 978-3-89542-125-9.