Freifahrung
Die Freifahrung war im alten Bergrecht ein bergrechtlicher Akt, bei dem durch die Befahrung eines Grubengebäudes nachgewiesen wurde, dass dieses nicht entsprechend den bergrechtlichen Vorschriften belegt war.[1] Durch die Freifahrung konnten dem Grubenbesitzer die Besitzrechte auf die Grube entzogen werden.[2] Das Freifahren einer Grube konnte von Amts wegen erfolgen.[3] Eine andere Möglichkeit war die Beantragung der Freifahrung durch einen neuen Muter, den sogenannten Freimacher, wenn er die Grube neu belegen wollte.[4]
Der Begriff
Der Ausdruck Freifahrung wurde zunächst in der böhmischen Bergverordnung und später dann auch in den Ländern der Ferdinandeischen Bergordnung verwendet. In den ungarischen Ländern wurden die Begriffe „bergmeisterlicher Augenschein“ oder „bergmeisterliche Besichtigung“ verwendet.[5] In Österreich bezeichnete man die Befahrung der Grubenbaue durch die Bergbehörde zwecks Untersuchung, ob die Verleihungsbedingungen erfüllt waren, als Freifahrung.[6] Der Begriff Freifahrung wurde für die Befahrung der Gruben durch die Berggerichte sowohl für neu gemutete als auch für als verlassen geltende Gruben verwendet.[5]
Voraussetzungen
Zum Fortbau der Gruben war im Bergrecht der jeweiligen Länder eine dauernde Belegung der Gruben gefordert, zudem musste die Grube bauhaft[ANM 1] gehalten werden.[7] War eine Grube mehr als drei Tage nicht mit Bergleuten belegt, konnte ein Muter diese verlegene Grube[ANM 2] neu muten.[8] Zuvor war er verpflichtet, diese verlassene Grube freifahren zu lassen.[9] Durch die Freifahrung wurde der Beweis erbracht, dass die Grube nicht ordnungsgemäß belegt worden war.[10] Durch diese Freifahrung wegen Nichtbetriebes verlor der bisherige Besitzer sein Anrecht auf die Grube.[11] Als Nichtbelegung galt, wenn die Grube nicht mit mindestens einem Hauer und einem Schlepper 8 Stunden täglich belegt war.[8] Die Arbeiter mussten von einer Aufsicht, z. B. dem Hutmann, beaufsichtigt werden. Arbeiten über Tage galten nicht als gehörige Belegung, eine Ausnahme waren Arbeiten, die zur Aufrechthaltung des Grubenbetriebes notwendig waren. Dazu zählte u. a. das Sümpfen, die Bewetterung und die Aufhaldung des Abraums.[12]
Formalitäten
Den Beweis für die „Verlegenheit der Grube“ musste der neue Muter gemäß der Ferdinandeischen und auch der Maximilianischen Bergordnung binnen vierzehn Tagen erbringen. Nach Ablauf einer angemessenen Frist wurde die Freifahrung öffentlich bekanntgemacht. Die Art der Bekanntmachung lag im Ermessen der Bergbehörde, dadurch gab es Unterschiede zwischen den einzelnen Bergbaurevieren. Teilweise geschah dies durch eine Veröffentlichung in der amtlichen Zeitung des betreffenden Landes, teilweise wurde der Grubenbesitzer amtlich vorgeladen. Dem Altbesitzer der Grube stand es frei, diese Beweise binnen weiterer vierzehn Tage nach Erhalt der Vorladung oder Bekanntmachung durch Gegenbeweise zu entkräften.[13] Die Freifahrung, also die Inaugenscheinnahme vor Ort, erfolgte durch mindestens zwei Reviergeschworene oder durch einen Reviergeschworenen und einen Steiger.[7] Die Befahrungen wurden an drei verschiedenen Tagen während der Frühschicht durchgeführt.[8] Wurde festgestellt, dass die Grube tatsächlich an drei Schichten unbelegt war, so konnte die Grube für bergfrei,[4] in Österreich für „ins fürstliche Freie“,[13] erklärt werden.[4] Der Beweis galt als erbracht, wenn an diesen drei Tagen nicht die vorgeschriebene Anzahl Bergleute in der Grube tätig war.[7] Wurden bei der dritten Befahrung Bergleute unter Tage angetroffen, so wurden diese befragt, wo sie an den anderen Tagen gewesen waren und auf wessen Veranlassung sie ihre Arbeit nicht aufgenommen hatten.[13] Wurde bei der Befragung ein Betrug festgestellt, so wurde dieser durch das Berggericht geahndet.[7] Erst im Anschluss an die Freifahrung konnte die Grube dem neuen Muter verliehen werden.[1] Nach der Befahrung entschied der Bergrichter im Beisein der Berggeschworenen, ob die Grube verlegen war und ob eine Verleihung an den neuen Muter erfolgen konnte. Für die Freifahrung musste für jede Schicht eine Gebühr errichtet werden, zusätzlich war noch für die Eintragungen ins Bergbuch eine Schreibgebühr fällig. Die Höhe war je nach Bergbauregion unterschiedlich.[13] Wurde der Betrieb einer Grube auch nach der Freifahrung nicht mehr aufgenommen, so wurde sie geschlossen und der Grund und Boden auf dem sie sich befand ging an den Grundbesitzer zurück[ANM 3] oder wurde je nach Eigentumslage auf den Fiskus übertragen.[1]
Freimachen
Das Freimachen war nach dem böhmischen Bergrecht eine besondere Form der Freifahrung, die nur bei alten, nicht mehr bergmännisch bearbeiteten Gruben angewendet wurde. Dazu musste die Grube auf Antrag eines Freimachers[ANM 4] von einem Geschworenen frei gefahren werden.[8] Das Freimachen konnte mehrmals getätigt werden, jedoch wurden die alten Besitzer nur bei den beiden ersten Befahrungen benachrichtigt. Ab der dritten Freimachung wurden die alten Gewerken nicht mehr informiert. Jedes Freimachen wurde in das Freimachensbuch eingetragen, damit ein Nachweis bei eventuellen späteren Streitigkeiten möglich war. In einigen Bergbaurevieren wurde ein Bergmeister mit der Aufgabe des Freimachensrichters betraut, der jedoch nicht die Befahrungen durchführte. Das Freifahren erfolgte ebenfalls an drei Schichten, hierfür wurde eine Gebühr erhoben, die der Geschworene für seine Arbeit erhielt.[14] Diese Gebühr wurde als Freimachungsgebühr bezeichnet.[6] Der Freifahrer erhielt nach der erfolgten Freifahrung vom Rezessschreiber einen sogenannten Freizettel.[14]
Die Begriffe Freifahrung und Freimachen wurden in einigen Bergordnungen teilweise sinngleich verwendet.[10] Dennoch waren sie in ihrer rechtlichen Wirkung unterschiedlich. Hauptsächlich lag der Unterschied zwischen Freifahrung zum Freimachen darin, ob das Berglehen bereits ins Bergfreie gefallen war oder nicht. Die Freifahrung war die bergbehördliche Anerkennung, dass die Grube bereits ins Bergfreie gefallen war. Durch das Freimachen wurde eingeleitet, dass eine Grube wieder ins Bergfreie fallen konnte. Bei der Freifahrung war eine vorläufige Besichtigung vor Ort nicht zwingend notwendig, für das Freimachen war die Besichtigung vor Ort unerlässlich.[15]
Literatur
- Hermann Brassert: Berg-Ordnungen der Preussischen Lande. F.C. Eisen's Königliche Hof-Buch- und Kunsthandlung, Köln 1858
Einzelnachweise
- Christian Heinrich Gottlieb Hake: Commentar über das Bergrecht. Mit steter Rücksicht auf die vornehmsten Bergordnungen, verbunden mit der für die Juristen nothwendigen Technik. Kommerzienrath J.E. v. Seidel Kunst und Buchhandlung, Sulzbach im Regenkreise Baierns 1823, S. 381–388.
- Moritz Ferdinand Gaetzschmann: Sammlung bergmännischer Ausdrücke. Verlag Craz & Gerlach, Freiberg 1859.
- R. Klostermann: Übersicht der bergrechtlichen Entscheidungen des königlichen Obertribunals. Band 1, Verlag der königlichen geheimen Ober-Hofbuchdruckerei R. Decker, Berlin 1861.
- Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen. Verlag von Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1871.
- Gustav von Gränzenstein: Das allgemeine österreichische Berggesetz vom 23. Mai 1854. Verlag von Friedrich Manz, Wien 1855.
- Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch. Verzeichnis und Erklärung der bei Bergbau - Salinenbetrieb und Aufbereitung vorkommenden technischen Ausdrücke, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft - Technik und Gesetzgebung bearbeitet, F. U. Brockhaus, Leipzig 1882.
- Swen Rinmann's: Allgemeines Bergwerkslexikon. Zweyter Theil, enthält Bericht bis F, bearbeitet von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten und Mineralogen, Fr. Chr. W. Vogel, Leipzig 1808, S. 839–842.
- Johann Christoph Stößel (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindlichen lateinischen und französischen angezeiget werden. Chemnitz 1778.
- Erklärendes Wörterbuch der im Bergbau in der Hüttenkunde und in Salinenwerken vorkommenden technischen und in Salinenwerken vorkommenden technischen Kunstausdrücke und Fremdwörter. Verlag der Falkenberg’schen Buchhandlung, Burgsteinfurt 1869.
- Carl Hartmann (Hrsg.): Handwörterbuch der Berg-, Hütten- u. Salzwerkskunde. Nebst der französischen Synonymie und einem französischen Register. Erste Abtheilung A-K, gedruckt und verlegt bei Bernhard Friedrich Voigt, Ilmenau 1825.
- Lexikon '88: Bergrecht (Aufhebung des Bergwerkseigentums; Gewerkschaft, Kuxe) (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2013).
- Günter Heinrich von Berg: Handbuch des Teutschen Policeyrechts. Verlag der Gebrüder Hahn, Hannover 1809.
- Franz Xaver Schneider: Lehrbuch des Bergrechtes für die gesammten Länder der österreichischen Monarchie. Gedruckt bei K. Gerzabel, Prag 1848.
- Carl Friedrich Richter: Neuestes Berg- und Hütten-Lexikon. Erster Band, Kleefeldsche Buchhandlung, Leipzig 1805.
- Johann Ferdinand Schmidt: Versuch einer systematisch geordneten Darstellung des Bergrechtes im Königreiche Böhmen. Erster Band, Druck und Papier von Gottlieb Haase Söhne, Prag 1833.
Anmerkungen
- Als bauhaft oder bauhaftig gilt ein Bergwerk wenn das Grubengebäude und die Tagesanlagen in einem guten Zustand sind. Des Weiteren galt nach den älteren Berggesetzen ein Bergwerk als bauhaft wenn es ununterbrochen betrieben wurde. Nach den deutschen Berggesetzen wird die Verpflichtung der Bergwerksbesitzer zur wirklichen Nutzung seines Bergwerkseigentums als Bauhafthaltung bezeichnet. (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)
- Als verlegene oder verliegene Grube bezeichnete man ein Bergwerk oder einen Erbstollen, welche nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen in Betrieb gehalten worden war und deshalb ins freie gefallen war. (Quelle: Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen.)
- Voraussetzung hierfür war das der Grundbesitzer im Besitz eines Erbkuxes war oder für die Dauer des Bergwerkbetriebes eine Entschädigung vom Bergwerksbetreiber erhalten hatte. (Quelle: Christian Heinrich Gottlieb Hake: Commentar über das Bergrecht.)
- Als Freimacher wurde derjenige bezeichnet, der die Freimachung veranlasst hatte. (Quelle: Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch.)