Bergrichter
Der Bergrichter war ein Bergbeamter, der das Bergrecht ausübte und streitige Bergsachen entscheiden musste.[1] Die Funktion des Bergrichters übernahm in der Regel der Bergamtsverwalter[ANM 1] oder, je nach Land, entweder der Bergvogt, der Bergmeister[2] oder der Oberbergamtsdirektor.[3] Einige Länder bestellten für die Rechtsprechung in bergrechtlichen Angelegenheiten einen separaten Bergrichter.[4] Das Amt des Bergrichters wurde in Preußen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft und die Aufgaben an die gewöhnlichen Gerichte übertragen.[5]
Grundlagen und Notwendigkeit
Ab dem 15. Jahrhundert erhielten die Bergleute einen eigenen rechtlichen Status.[6] Da es den Landrichtern an der nötigen bergmännischen Fachkompetenz mangelte, wurden von den Landesfürsten die Bergrichter eingesetzt.[7] Die Ernennung des Bergrichters erfolgte in den Gebieten, in denen die Bildung eines Berggerichtes erforderlich war.[8] Es gab auch Regionen, in denen ein Collegium aus mehreren Bergrichtern tätig war.[9] In wieder anderen Regionen war es so geregelt, dass ein Bergrichter für mehrere Bergreviere zuständig[ANM 2] war.[10] Amtssitz des Bergrichters war in der Regel die dem Bergbaugebiet am nächsten gelegene Stadt.[11] In Österreich war der Amtssitz des Bergrichters beim Oberbergamt angesiedelt.[3] Wenn der Bergbau in dem Wirkungsbereich des Bergrichters zum Erliegen kam oder in einem anderen Bezirk ein ergiebigerer Bergbau bestand, wurde der Amtssitz des Bergrichters verlegt.[12]
Voraussetzungen für das Amt
Um als Bergrichter ernannt zu werden, musste der Anwärter sowohl fachlich als auch persönlich bestimmte Kompetenzen besitzen.[13] Insbesondere musste er einen bergbautechnischen Sachverstand haben, sich auch in juristischen Dingen auskennen[14] und über einen gefestigten Charakter verfügen.[7] Er musste fachliche Kompetenzen in den Bereichen der reinen und angewandten Mathematik, der Mineralogie, der Geognosie und der Bergbaukunst besitzen, außerdem musste er einen Grubenriss beurteilen können.[15] Sein Amt verlangte von ihm eine besondere Gewissenhaftigkeit in allen mit seinem Amt zusammenhängenden Dingen, Strenge und Wohlwollen musste er in ausgewogenem Maß anwenden können. Als Bergrichter war er zwar über die Parteien gestellt, er musste jedoch trotzdem in steter Berührung mit den Parteien stehen. Deshalb war er oft in einer schwierigen Lage, die hohe Anforderungen an seine Unparteilichkeit stellte.[8] Das Bergrichteramt war eine hoch angesehene Position, die mit einer großen Amtsvollmacht ausgestattet war.[16] Diese Vollmacht ging so weit, dass sogar der Landesfürst bei ihm wegen Belehnungen in seinem Amtsbereich ersuchen musste.[8] Seine Bezahlung war nicht fest geregelt, sondern vom Ertrag seines Bereiches abhängig. So wurde sein Gehalt entsprechend den jeweils erzielten Erträgen erhöht oder auch vermindert.[16]
Aufgaben, Befugnisse und Amtsausübung
Der Bergrichter war die erste gerichtliche Instanz in Bergwerksangelegenheiten.[10] Zudem besaß er die sogenannte niedere Gerichtsbarkeit.[17] Seine Amtsvollmacht war über das Bergrecht geregelt.[18] Die Rechtsprechung des Bergrichters beschränkte sich allerdings auf Angelegenheiten, die den Bergbau betrafen.[6] Er urteilte bei Streitigkeiten der Bergleute oder wenn diese kleine Straftaten begangen hatten, die ein gewisses Strafmaß nicht überschritten.[19] Neben diesen richterlichen Aufgaben war er auch in einigen Regionen zuständig für Verwaltungsakte wie die Verleihung von Bergwerkseigentum.[20] Dem Bergrichter war es in der Regel nicht erlaubt, zusätzliche bezahlte Nebenämter auszuüben, außer ihm wurde dies durch den zuständigen Minister genehmigt.[13] Auch wenn er eigentlich nur für bergrechtliche Belange zuständig war, griffen seine Kompetenzen dennoch sehr weit in andere Bereiche ein.[7] In einigen Ländern war der Bergmeister nicht nur die landesfürstliche Kontrollinstanz für den Bergbau, sondern er war auch zuständig für die Forstwirtschaft.[21] Er hatte dann die Oberaufsicht über die landesfürstlichen Waldungen und war somit Bergrichter und Waldmeister[ANM 3] in Personalunion und musste in dieser Funktion auch auffällige Freveltaten an den Waldungen als Bergrichter gerichtlich verfolgen.[22] Außerdem war er die zuständige Kontrollinstanz für Abgaben und Steuern, die aufgrund des Bergbaus aufkamen.[23]
Kam es zu Streitigkeiten zwischen zwei Parteien, so konnten diese den Bergrichter um „Recht anrufen“. Der Bergrichter beraumte innerhalb einer Frist von wenigen Tagen einen Rechtstag an, an welchem er über den Streit urteilen würde.[24] Der Bergrichter wurde bei seinen Befahrungen stets von den Berggerichtsschreibern begleitet, da er in der Regel vor Ort Recht sprach.[20] Nur bei schwierigen und strittigen Angelegenheiten wurde einmal pro Quatember ein ordentliches Berggericht abgehalten und im Gerichtssaal verhandelt.[17] In einigen Bergbauregionen war es auch Brauch, dass der Bergrichter, bevor er die Verhandlung begann, offiziell die Geschworenen fragte, ob es zu diesem Zeitpunkt statthaft sei, Gericht zu halten und erst wenn diese dies bejahten, rief er Frieden über das Gericht aus.[25] Seine Urteile verkündete der Bergrichter vielerorts im Namen des Landesfürsten als oberstem Bergherrn. Dazu stand er in feierlicher Haltung mit seinem Richterstock in der einen und dem Gesetzbuch in der anderen Hand. Bei Verstößen gegen seine Anordnungen drohten teilweise empfindliche Geldstrafen.[17] Konnten diese Strafen nicht bezahlt werden, sah das Gesetz in einigen Landesteilen noch drastischere Maßnahmen, wie z. B. das Abhacken der rechten Hand, vor.[11] Bei schweren Vergehen, wie z. B. Raub, Mord oder Totschlag, durfte der Bergrichter nicht urteilen, sondern er musste diese Fälle an den zuständigen Landrichter weiterleiten.[26]
Literatur
- Hermann Brassert: Berg-Ordnungen der Preussischen Lande. F.C. Eisen's Königliche Hof-Buch- und Kunsthandlung, Köln 1858
Einzelnachweise
- Johann Christoph Stößel (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindlichen lateinischen und französischen angezeiget werden. Chemnitz 1778.
- Carl Friedrich Richter: Neuestes Berg-und Hütten-Lexikon. Oder alphabetische Erklärung aller bei dem Berg- und Hüttenwesen vorkommenden Arbeiten, Werkzeuge und Kunstwörter; Aus dem vorzüglichen mineralogischen und hüttenmännischen Schriften gesammelt und aufgestellt, Erster Band, A - L, in der Kleefeldschen Buchhandlung, Leipzig 1805.
- Joseph Carl Kindermann: Repertorium der Steyermärkischen Geschichte, Geographie, Topographie, Statistik und Naturhistorie. Verlag bei Buchhändler Franz Xaxer Miller, Gräz 1798.
- Johann Karl Gottfried Jacobsson: Technologisches Wörterbuch, alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufakturen, Fabriken und Handwerker. Friedrich Nicolai, Berlin und Stettin 1781.
- Erklärendes Wörterbuch der im Bergbau in der Hüttenkunde und in Salinenwerken vorkommenden technischen und in Salinenwerken vorkommenden technischen Kunstausdrücke und Fremdwörter. Verlag der Falkenberg'schen Buchhandlung, Burgsteinfurt 1869.
- Johann Samuel Schröter: Mineralisches und Bergmännisches Wörterbuch über Rahmen, Worte und Sachen aus der Mineralogie und Bergwerkskunde. Erster Band, von A bis Berg, bei Barrentrapp und Wenner, Frankfurt am Main 1789.
- Peter Strelow: Landesherrschaft und Bergrecht in Südwestdeutschland zwischen 1450 und 1600. Ein Vergleich. Inaugural-Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms - Universität, Münster 1997, S. 12, 28, 29, 55, 78, 83, 86, 87.
- Robert R. v. Srbik: Überblick des Bergbaues von Tirol und Vorarlberg in Vergangenheit und Gegenwart. Naturwissenschaftlich - medizinischer Verein Innsbruck, Innsbruck, S. 144, 145.
- Julius Dannenberg, Werner Adolf Franck (Hrsg.): Bergmännisches Wörterbuch. Verzeichnis und Erklärung der bei Bergbau - Salinenbetrieb und Aufbereitung vorkommenden technischen Ausdrücke, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft - Technik und Gesetzgebung bearbeitet, F. U. Brockhaus, Leipzig 1882.
- Jan Kendzia: Konstituierung eines industriellen Arbeitsmarktes in Oberschlesien. Inauguraldissertation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Köln 2009, S. 103, 104.
- Berggericht Sterzing-Gossensaß (Memento vom 4. September 2011 im Internet Archive).
- Karl Heinrich Kaufhold, Wilfried Reininghaus (Hrsg.): Stadt und Bergbau. Böhlau Verlag GmbH, Köln 2004, ISBN 3-412-12204-1.
- A. J. Mannkopff (Hrsg.): Ergänzungen und Abänderungen der Preussischen Gesetzbücher. Verlag der Naukschen Buchhandlung, Berlin 1835.
- Carl Hartmann (Hrsg.): Handwörterbuch der Berg-, Hütten- u. Salzwerkskunde der Mineralogie und Geognosie. Erster Band A-F, Zweite gänzlich neu bearbeitete Auflage, Buchhandlung Bernhard Friedrich Voigt, Weimar 1859.
- Carl Hartmann: Handwörterbuch der Mineralogie, Berg-, Hütten- und Salzwerkskunde. Nebst der französischen Synonymie und einem französischen Register, Erste Abtheilung A bis K, gedruckt und verlegt bei Bernhard Friedrich Voigt, Ilmenau 1825.
- Robert R. v. Srbik: Tiroler Bergverwandte (zuletzt abgerufen am 5. Februar 2015).
- Bettina Anzinger: Die Rechnungsbücher der Bergrichter zu Klausen 1492-1527. In: Tiroler Heimat. Nr. 77, Tirol 2013, S. 58, 59.
- Lebrecht Ehregott Taube: Der Grund und Umfang der Berggerichtsbarkeit und des Gerichtszwangs der Berggerichte in den königlich sächsischen Landen. Systematisch dargestellt, und mit Gesetzen, Entscheidungen und Urkunden belegt. bey Craz und Gerlach, Freyberg 1808, S. 4–19, 25, 29, 36, 52–57, 97.
- Bergwerksordnung (Memento vom 13. Januar 2015 im Internet Archive) (zuletzt abgerufen am 5. Februar 2015).
- Eduard Rosenthal: Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns. Band I, vom Ende des 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts (1180–1598), mit Unterstützung der historischen Kommission bei der königlichen Bairischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben, A. Stuber's Verlagsbuchhandlung, Würzburg 1889, S. 384–387.
- Joseph Wessely: Die oesterreichischen Alpenlaender und ihre Forste. Erster Theil. Die Natur, das Volk, seine Wirthschaft und die Forste der oesterreichischen Alpenlaender, Wilhelm Braumüller k.k. Hofbuchhändler, Wien 1853, S. 462–465.
- Lars Kreye, Carsten Stühring, Tanja Zwingelberg (Hrsg.): Natur als Grenzerfahrung. Europäische Perspektiven der Mensch-Natur-Beziehung in Mettelalter und Neuzeit; Ressourcennutzung - Entdeckungen Naturkatastrophen, Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2009, ISBN 978-3-941875-12-8, S. 65, 66.
- Südtiroler Bergbaumuseum: Das Kupferbergwerk Prettau - Kornkasten Steinhaus (Memento vom 5. Februar 2015 im Internet Archive) (zuletzt abgerufen am 5. Februar 2015).
- Johann Thaddäus Anton Peithners: Versuch über die natürliche und politische Geschichte der böhmischen und mährischen Bergwerke. gedruckt bey Matthias Andreas Schmidt Universitäts Buchdruckerei, Wien 1780, S. 413.
- Karl August Tolle: Die Lage der Berg- und Hüttenarbeiter im Oberharze. Unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gesammten Bergarbeiter - Verhältnisse, Puttkammer & Mühlbrecht Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft, Berlin 1892, S. 125.
- Joseph Tausch: Das Bergrecht des österreichischen Kaiserreiches. Verlag bei J. G. Ritter von Mösle's sel. Witwe, Wien 1834.
Anmerkungen
- Der Bergamtsverwalter war ein Bergbeamter, der den Berghauptleuten beigeordnet war. Er war für alle Bergwerke und Bergämter des jeweiligen Landes zuständig. Er hatte die besondere Aufgabe, Streitigkeiten unter den Bergleuten möglichst gütlich zu beenden. (Quelle: Konrad Knebel: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins mit Bildern aus der Freiberger Vergangenheit. Ausgabe 48–54.)
- So waren beispielsweise Anfang des 19. Jahrhunderts in Schlesien nur zwei Bergrichter für das ganze Land zuständig. Ein Bergrichter war für die drei niederschlesischen Bergämter und ein Bergrichter war für die oberschlesischen Bergämter zuständig. (Quelle: Jan Kendzia: Konstituierung eines industriellen Arbeitsmarktes in Oberschlesien.)
- Er musste in dieser Funktion Waldverleihungen vornehmen und über die Einhaltung der Waldordnung wachen. Da er dies nicht alles selber erledigen konnte, wurde ihm im Laufe der Jahre ein Holzmeister als Helfer zur Seite gestellt. (Quelle: Lars Kreye, Carsten Stühring, Tanja Zwingelberg (Hrsg.): Natur als Grenzerfahrung.)